Aus der Schwäbischen Zeitung vom 05.11.2004:"Misswirtschaft - Familienpark wird zum Millionengrab
VILLINGEN-SCHWENNINGEN - Dem städtischen Familienpark zwischen Vilingen und Schwenningen - bundesweit nach eigenen Angaben der einzige gemeinnützige Freizeitpark - droht das Aus. Seine Geschichte ist ein Lehrstück über jahrelange finanzielle Misswirtschaft und über das Versagen von Kontrollgremien. Der klammen Stadt bleibt ein Millionen-Schaden.
Von unserem Redakteur A. Lothar Häring
Dieter Sirringhaus ist eine Legende in Villingen-Schwenningen. Fast drei Jahrzehnte lang war der inzwischen 57-Jährige, ungeachtet seines Alters, als Stadtjugendleiter tätig - und erregte mit seinen unkonventionellen Ideen gleichermaßen Aufsehen, Anerkennung und Kritik. Unter anderem baute er im Laufe der Jahre am Rande von Villingen einen familiären Freizeitpark.
Der entwickelte sich so gut, dass die Stadt Ende der neunziger Jahre ziemlich genau zwischen Villingen und Schwenningen ein neues, zwölf Hektar großes Gelände zur Verfügung stellte. Sirringhaus kündigte an, er werde mit 500 000 Euro auskommen. Im Jahr 2001 konnte Ministerpräsident Erwin Teufel eine einzigartige Spielstadt mit anderswo aussortierten Fahrgeschäften, mit Zirkus, Streichelzoo, Puppentheater, Inlineskatehalle und großem Restaurant-Betrieb einweihen.
Warnzeichen gab es genug
Doch schnell wurde klar, dass der Kostenvoranschlag nicht zu halten war. Heute streiten die Experten, ob sich die Kostensumme nun auf sieben oder acht Millionen beläuft. Hinzu kommen Liquiditätskredite, die allein in den Jahren 2001 und 2002 über vier Millionen Euro betrugen. An Warnzeichen hatte es von Anfang an nicht gefehlt, doch Dieter Sirringhaus, der zum Park-Geschäftsführer befördert worden war, durfte ungestört weiterwerkeln. Kritiker führen das auf die besonderen kommunalpolitischen Verflechtungen zurück: Sirringhaus gehört der CDU an, die ihn ebenso schützte wie der frühere Oberbürgermeister Manfred Matusza, mit dem er befreundet ist. Der Aufsichtsrat des Parks, in der Mehrzahl mit Stadträten und Sirringhaus-Getreuen besetzt, verfuhr, trotz immer neuer Alarmsignale, nach dem Motto: Augen zu und durch.
Erst als die Aufsichtsbehörde, das Regierungspräsidium Freiburg, eingriff, begann sich der Finanzdschungel zu lichten, wenn auch sehr zögerlich. Bis heute fehlen beispielsweise die Jahresabschlüsse für 2002 und 2003. Dafür liegt ein Prüfbericht vor, der reihenweise Verstöße, Verfehlungen und Mängel anprangert. Da ist die Rede von fehlenden Konten- und Leistungsabrechnungen, von unzulässigen Ausgaben, unstatthaften Auftragsvergaben, nicht vorhandenen Inventarlisten, buchhalterischen Versäumnissen, von juristisch fragwürdiger Vorgehensweise, schlampiger Erfassung der Tageseinnahmen und von einem verhängnisvollen Finanzgebaren. Erst Oberbürgermeister Rupert Kubon (SPD), seit etwa zwei Jahren im Amt, packte den Sanierungsfall entschlossen an, schoss aber im Sommer übers Ziel hinaus, als er den Park mit einer eigenmächtigen Drogenrazzia noch mehr in die negativen Schlagzeilen brachte; der Verdacht bestätigte sich nicht.
Der Besucher-Schwund hat sich jedenfalls in der gerade beendeten Saison ungebremst fortgesetzt. Seit 2001 sind die Zahlen von 128 000 über 114 000 und 93 000 auf nunmehr 75 000 gesunken. 80 Prozent der Gäste kamen von auswärts. Trotz aller Sparversuche lag der städtische Zuschuss in diesem Jahr bei 630 000 Euro, rund 250 000 mehr als eingeplant. OB Kubon will jetzt die Konsequenzen ziehen und den Familienpark in einen Volkspark mit weniger Fahrgeschäften und mehr Spielplatz-Charakter, bei freiem Eintritt (bisher: Erwachsene fünf, Kinder vier Euro) umwandeln.
Neuer Job für Sirringhaus
Geschäftsführer Sirringhaus muss gehen, verliert aber seinen Job nicht: Der inzwischen 57-Jährige darf als Abteilungsleiter zurück in die Dienste der Stadt. Für ihn soll ein Sozialpädagoge kommen - und den Park entsprechend verändern. "Er soll weiterhin in die Region ausstrahlen, aber wir wollen ihn wieder mehr zu einem Treffpunkt der Villingen-Schwenninger machen", sagt Kubon.
Doch einflussreiche Teile des Gemeinderats plädieren für die Radikal-Lösung: Sie wollen das "Millionengrab" zumachen und dort die neue Zentralklinik bauen. Auf unangenehme Zeiten dürfen sich auch die Mitglieder des Aufsichtsrats einrichten: Die Stadt prüft die Möglichkeit, von ihnen Regress zu fordern. Den aktuellen Sachstand fasste Dieter Sirringhaus jüngst in vier Worten zusammen: "Tausend Fragen, keine Antworten.""
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Stefan A. Michelfeit - www.ridesonline.de