Die traditionellen Volksfeste stecken in einer schweren Krise
Wie edel muss die Kerb sein?
Von Thomas RemleinFrankfurt. Die Frankfurter Volksfeste wie die gerade zu Ende gegangene Dippemess' leiden unter Umsatzrückgängen. Daher hat die Stadtverordnetenversammlung den Magistrat aufgefordert, gemeinsam mit den Schaustellern ein Konzept zur Förderung der Traditionsfeste Dippemess', Wäldchestag und Mainfest zu erstellen. Ein neuer Bericht des Magistrats legt die Situation der Frankfurter Volksfeste dar.
Demnach stehen Volksfeste immer mehr in einem Verdrängungswettbewerb. «In Frankfurt finden jährlich rund 720 vergleichbare Veranstaltungen statt», heißt es in dem Bericht. Vergleichbar deshalb, da sie ähnliche Angebote bei Speisen und Getränken böten. Während die Volksfestbeschicker weiter auf Traditionelles bauten, reagierten die Veranstalter von Stadt(teil)festen häufig auf die veränderte Gesellschaftssituation und präsentierten sich multikulturell und weltoffen.
Günter Hampel, Geschäftsführer der Tourismus und Congress GmbH (TCF), sagt, dass die Zielgruppe der Volksfeste am meisten unter Sparmaßnahmen und der Arbeitslosigkeit leide. Die meisten Besucher entstammten mittleren und einfachen Bevölkerungsschichten. Im Gegensatz dazu seien die Besserverdienenden den Volksfesten als Kunden verloren gegangen, weil die Angebotspalette nicht ihrer Nachfrage entsprochen habe.
Auch Oskar Pfreundschuh, Geschäftsführer des Frankfurter Schaustellerverbandes, stellt fest, «dass das ,gute, alte Frankfurter Bürgertum’, das bis weit in die 70er Jahre als Festplatzbesucher dominierte, nur dann zurückkehren wird, wenn ihm die entsprechenden Angebote gemacht werden».
Bundesweit – auch in Frankfurt – gibt es daher den Versuch, die oberen Einkommensschichten wieder zu gewinnen.
Dies ist beim Weihnachtsmarkt, Museumsufer- und Opernplatzfest und bei der Rheingauer Weinwoche gelungen.
Viel Volk, aber auch viele Schicki-Mickis besuchen das am Samstag eröffnete Münchner Oktoberfest. Es hat Kultcharakter und stellt fast jedes Jahr neue Rekorde bei Besucherzahlen und beim Umsatz auf. Das Essensangebot geht weit über Grill-hax’n und -hähnchen hinaus. Feinkost Käfer wirbt in seinem Zelt mit «fantastischer Ente und Rehrücken», das Nymphenburg Wein- und Sektzelt mit seiner Wein-, Sekt- und Champagnerkarte und seinem «besonders hohen Frauenanteil». Die «Fischer-Vroni» (2695 Sitzplätze) serviert Lachsforelle, Zander und Renke als Steckerlfisch. Sie werden in einer 15 Meter langen Reihe über der Holzkohle gegrillt.
Da kann den Frankfurtern nur das Wasser im Munde zusammenlaufen, denn bei der dort angesiedelten Volksfestgastronomie besteht «leider die Tendenz zur Wiederholung und Beliebigkeit».
Auch bei Fahrgeschäften ist in München für Abwechslung gesorgt. Der «Star Flyer», ein High-Tech-Kettenkarussell, wirbelt die Passagiere in Schwindel erregenden 35 Metern über der Wies'n fast waagrecht durch die Luft in einer Flugbahn von maximal 30 Metern Durchmesser. Die Geschwindigkeit beträgt dabei bis zu 80 Kilometer pro Stunde.
Über Frankfurts Schausteller heißt es dagegen in dem Bericht: «Der Grad der Investitionsfreudigkeit und -möglichkeit ist bei vielen Schaustellerbetrieben sehr gering ausgeprägt.» Legt man die steuerlichen Abschreibungsregeln als Maßstab an (acht bis 14 Jahre), ist der größte Teil der Reihengeschäfte, Imbissbetriebe, Festzelte und Verkaufsstände seit Jahren abgeschrieben. Bei Imbissbuden komme hinzu, dass oft der gleiche Stand sowohl bei den Volksfesten als auch zum Weihnachtsmarkt eingesetzt wird.
Dennoch sieht der Bericht auch Lichtblicke: Die junge Generation der Schausteller verbessere die Angebotspalette. Auch sei der Besuch der Frankfurter Volksfeste stabil geblieben und kopple sich damit von der negativen bundesweiten Entwicklung ab. Dabei kommt die Stadt den Schaustellern sehr entgegen.
Die TCF, eine hundertprozentige Tochter der Stadt, hat seit 1994 die Standgebühren nicht erhöht. So beträgt die Abgabe für ein Festzelt auf der zehntägigen Dippemess’ 3821,31 Euro, Müllgebühr und Wachdienst inklusive. Für einen elf Meter langen Stand werden 1072 Euro fällig. Ein Kinderkarussell auf dem in diesem Jahr 28 Tage dauernden Weihnachtsmarkt kostet 2538,35 Euro. Die Tagesgebühr fährt der Karussellbesitzer mit einer vollbesetzten Runde wieder herein.
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Quelle: Taunus Zeitung 21.09.2005