Letzte Bearbeitung am 26-Feb-04 um 14:01 Uhr ()
>Mein Freund Marco,
>Mein Freund Jan,
>ich lasse einen Punkt deiner Kritik gelten: kein Unternehmen sollte es sich erlauben,
>Kunden mit nicht sichtbaren Seiten im Internet zu verprellen. Punkt. Und gut, die
>strikte Trennung von Design und Inhalt nach Standards ist auch sehr wünschenswert.
>Punkt.
>
Also bist Du im Prinzip meiner Meinung!
>Aber jetzt möchte ich dich, der ja so eifrig gegen diverse Menschen schiesst, fragen:
>was machst du beruflich?
Ich habe einige Studienfächer ausprobiert und habe einen Abschluss in Politologie, Soziologie und Wirtschaftswissenschaften (seit letzten Herbst, keine Sorge, als M.A. muss man drei Fächer machen, ich habe nicht drei Diplome, sondern nur einen Magister). Einer meiner Schwerpunkte war die Bedeutung offener Standards für Bildung, Wirtschaft und Medien unter besonderer Berücksichtigung der Nord-Süd-Problematik und genereller Ungleichgewichtungen. Außerdem habe ich mich ein wenig mit der Bedeutung der Medien in Folge von Konzentrationsprozessen und deren Einfluss auf Meinungsbildung und demokratische Prozesse befasst. Als ich ein wenig Kommunikationswissenschaft (und Anglistik) studiert habe, galt mein Hauptinteresse der ergonomischen Gestaltung von Mensch-Maschine-Schnittstellen (also grob gesagt, die Usability von Bedienoberflächen, auch wenn es eigentlich weiter gefasst wird.) Dort habe ich bisher keinen Abschluss, überlege aber, ob ich noch einen zweiten Abschluss machen soll.
Im Moment gönne ich mir ein Jahr Pause (mein Freund und ich renovieren ein altes Landhaus, das wir uns gekauft haben und wir wollen einen längeren Asien-Urlaub machen)
Ob ich danach noch promoviere oder etwas anderes mache (z.B. die Kommunikationswissenschaft fertig studiere), weiß ich noch nicht. Da ist die Entscheidungsfindung noch lange nicht abgeschlossen.
Wie Du siehst bin ich also kein Webdesigner in dem Sinne, dass ich Code schreibe (habe aber Grundkenntnisse und bin kein ComputerBild-Leser, sondern lese eher ct, iX und (gute) Fachbücher (z.B. Franzis, Addison-Wesley, etc., also keinen Schund)) , kann aber, wenn es gewünscht wird, Usability-Tests durchführen und weiß um die Bedeutung offener Standards für Innovation und Verbraucher! Gerade weil ich nicht so sehr die technische Seite sehe, sondern mehr die Anwendungsseite, bin ich prädestiniert für solche Fragen, denn die überwiegende Mehrzahl der WWW-Betrachter sind nun mal technische Laien und gehen an eine Seite von Natur aus so ran, wie ich es für mein Studium musste.
>Ich kann dir nur sagen, dass ich seit ca. 25 Jahren mit den
>kleinen digitalen Kisten rumspiele, und seit 8 Jahren im Bereich Internet tätig bin -
>und das nicht ohne Erfolg.
Wenn man nach 25 Jahren keine Ahnung davon hätte, wäre das ja auch traurig und jeder erfolgreiche Bürger ist wichtig in der jetzigen Situation, weshalb mich das freut.
>Achte also mal darauf, wen du unterschwellig mit
>3-Monats-Seminar-Absolventen oder ComputerBild-lesenden HTML-in-30-Tagen-Studierer
>vergleichst. Mir sind die momentanen Macken des Marktes durchaus bekannt, aber leider
>haben wir ein ganz anderes Problem: Wir müssen von irgendwas leben. Und da wir keine
>24/7-Nerds sind, die nur aus Profilierungsgründen ihr Leben in die Produktion
>standardkonformer Seiten stecken, müssen wir uns nach den Projektgegebenheiten richten.
>Und wenn der Kunden nun mal unbedingt eingefärbte Scrollbalken haben will, dann bekommt
>er sie auch - Weltanschauung hin oder her. Natürlich versuchen wir, auf die möglichen
>Problematiken hinzuweisen, aber du glaubst gar nicht, auf was für taube Ohren man in
>Marketingabteilungen stossen kann.
Also, wo ist das Problem?! Wenn ein Webdesigner den Kunden berät und der Kunde dennoch darauf besteht, wäre es wirtschaftlich unsinnig den Auftrag abzulehnen, denn genug andere scheren sich nicht darum. Da ist es mir lieber, jemand der aufgeklärt hat, aber auf taube Ohren stieß, erhält den Auftrag, als jemand, der halt zu den 3-Monats-Seminar-Absolventen gehört. In diesem Fall liegt der Fehler also nicht beim Webdesigner, sondern beim Kunden. Auf beiden Seiten gibt es solche und solche...
>Und da wir keine Weltverbesserer sind, belassen wir
>es ab einem gewissen Punkt dann dabei. Wir haben die Probleme aufgezeigt, und wenn der
>Kunde sie ignoriert, dann ist das eben so. Punkt. Was wir natürlich mit Kunden, die
>sich der Problematik bewusst sind, für feine, in allen Browsern sichtbare Seiten
>zaubern, steht natürlich auf einem ganz anderen Blatt.
>
Das habe ich nie bemängelt. Mein Kritikpunkt war nur, dass es Webdesigner gibt, die ihren Kunden vorgaukeln, man bräuchte nur für den IE zu entwickeln, weil sie selbst nur mit Frontpage umgehen können und keine vernünftigen Seiten bauen können. Dass Du nicht dazu gehörst ist sehr schön, ändert aber nichts an der Tatsache, dass es genug angebliche Webdesigner gibt, die ein großes Geschäft wittern, von der Materie aber nicht viel Ahnung haben. Ich kenne auch Druckereien, die sich für Diplomarbeiten anbieten, aber null Ahnung von Layout und Typographie haben. (okay, ist vielleicht für eine wissenschaftliche Examensarbeit nicht ganz so wichtig wie für eine Publikumszeitschrift, aber wer sich mit solchen Dingen befasst, achtet natürlich trotzdem darauf.)
Wenn Du nicht zu den schlechten Designern gehörst, brauchst Du Dich also auch nicht zu echauffieren; Du bist ja nicht für den Berufsstand als Ganzes verantwortlich.
>Ich möchte dir mal zu denken geben, dass die Art und Weise, wie du argumentierst, dem
>einen oder anderen sehr übel aufstösst.
Wenn es den richtigen Leuten aufstößt ist dies ja durchaus sinnvoll. Wer nur Geschäfte machen will, aber aufgrund mangelnder Kenntnisse Kunden schlecht berät, muss sich Kritik gefallen lassen. Wer verantwortungsvoller damit umgeht, gehört ja gerade zu den Leuten, von denen es mehr geben sollte! Wie gesagt, wenn man einem Kunden die potentiellen Probleme vor Augen führt, der Kunde aber stur darauf beharrt, ist die Verantwortung beim Kunden und nicht beim Webdesigner. Es steht jedem Unternehmen frei, Kunden und Geld zu verschenken.
>Und wenn du mit solch einem Auftreten
>versuchst, einen Kunden von einer Mehrinvestition zu überzeugen, dann kannst du
>sicherlich gleich wieder gehen.
Wie gesagt, Kunden die beratungsresistent sind, sollen sich ruhig weiter so verhalten. Was sie damit an potentiellen Kunden und an Geld verlieren ist deren Ding. Man kann auf die Problematik aufmerksam machen, aber es ist natürlich nicht unsere Aufgabe Unternehmen zu helfen, die dies nicht wollen.
>Also beruhige dich mal etwas und trenne bitte die
>technische, perfekte und standardkonforme Seite von den unschönen, rauhen Sitten des
>Marktes - ob es dir gefällt oder nicht. Punkt.
>
Die Beschreibung von Fakten hat nichts mit meinem Gemütszustand zu tun. Ich würde mich nur aufregen, wenn mein Unternehmen - oder ein Unternehmen, wo ich Anteile besitze - solche Fehler machen würde.
Dass der Markt (oder korrekter gesagt die Marktteilnehmer) nicht immer intelligent agieren, ist mir nach meiner wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung durchaus bewusst, was aber nicht heißt, dass man über unkluges Verhalten nicht berichten dürfte.
>Grüße
>
>Jan
Grüße,
Marco
Und wie gesagt, wenn Du zu den guten Webdesignern gehörst ist das sehr löblich und ich mache sicher keinem einen Vorwurf, dessen Kunden trotz Beratung auf Dummheiten bestehen. Genauso gibt es aber auch Webdesiger, die zu dem Übel beitragen, auch wenn Du wahrscheinlich nicht dazu gehörst.
PS: Was ich bezeichnend finde, ist, dass gerade die Unternehmen deren Umsatz direkt vom WWW abhängt (die wenigen verbliebenen E-Commerce-Unternehmen), schon lange technisch den richtigen Weg gehen. (Oder besser gesagt, die, die das nicht kapiert haben, sind u.a. deshalb heute nur noch Geschichte.)
Es ist halt für ein Unternehmen wie einen Freizeitpark, wo das WWW nur EIN Marketingintrument unter vielen ist, sehr schwer zu erkennen, was da verbockt wird. Hinge der ganze Umsatz vom WWW ab, wären auch diese Unternehmen sehr viel einsichtiger und würden viel schneller lernen!