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Stig Blicher Herr über das Legoland
09-Okt-03, 11:08 Uhr ()
Letzte Bearbeitung am 09-Okt-03 um 11:20 Uhr ()
101 Köpfe, auf die Sie achten sollten: Stig Blicher
Von Anton Notz, Günzburg

Ursprünglich wollte er nur drei Jahre bleiben. Doch dann wurde Stig Blicher "legoinfiziert". Inzwischen arbeitet der 39-jährige Manager schon zehn Jahre beim dänischen Spielzeughersteller, erst kürzlich übernahm er den ambitionierten Job, Legos Markenimage zu stärken und den Legoland-Freizeitpark profitabel zu machen.

Stig Blicher

Der Trabi knattert Unter den Linden, auf Schloss Neuschwanstein tanzt Ludwig II. mit Sissi einen Walzer, und im Kuhstall muht es. Im bayerischen Günzburg steht Deutschland im Miniaturformat und heißt Legoland. Der berühmte dänische Spielzeughersteller Lego hat es vor eineinhalb Jahren dahin gestellt.

Seit vier Monaten ist Stig Blicher Herr über den Freizeitpark. Der 1,98 Meter große Riese soll mit dem Park Legos Markenimage stärken und das Miniatur-Deutschland gleichzeitig profitabel machen.

Es riecht nach frischem Popcorn. Die Eisenbahn bimmelt. Aus der Feuerdrachen-Achterbahn dringt helles Kreischen. Stig Blicher ist mittendrin. "Ich muss sehen, dass die Maschine läuft", sagt er. Kaum ein Tag vergeht, an dem der Däne nicht übers Areal spaziert. Er studiert den Spaßfaktor der Gäste, speist im Dino-Grill und macht unterwegs bisweilen einen Bückling: Abfall gehört in den Papierkorb. Legoland ist Deutschland, und Deutschland ist sauber.

Platz zum Austoben

150 Mio. Euro investierte der Spielzeughersteller auf der grünen Wiese. "In fünf bis zehn Jahren müssen wir Gewinn machen", erläutert Blicher vage, wie das bei Geschäftszahlen legolike ist. Ein gläserner Aufzug hievt den mit einem sehr ruhigen Naturell ausgestatteten Manager auf den 65 Meter hohen Aussichtsturm. Besucher fasziniert hier oben der Blick auf die bunte Stadt der Abenteuer. Blicher indes erschließt das Panorama die künftigen Expansionsmöglichkeiten. Ein paar Quadratkilometer ehemaliges Militärübungsgelände erstrecken sich da unten, bis zum Waldrand ist alles Legoland. Genügend Platz zum Austoben für "einen Mann, der die Welt bewegen möchte", wie Wirtschaftsprofessor Kurt Pedersen seinen früheren Studiosus charakterisiert.

Zur Business School in Aarhus hat Blicher bis heute engen Kontakt. Der Lego-Manager leitet Seminare über Außenhandel und Marketing, Prüflingen nahm er auch schon das Examen ab. "Anschließend ging er mit ihnen an die Studentenbar und diskutierte bei einem Bier fröhlich weiter", erzählt Pedersen.

Leute, die Blicher privat kennen, beschreiben ihn als unkomplizierten, materiell ziemlich anspruchslosen Typen. Begütert war der Sohn eines Schichtarbeiters von Haus aus nicht. "Es gibt nichts umsonst" und "Alles muss man sich verdienen" waren Sätze, die er daheim in Noerresundby des Öfteren hörte.

Das Gute im Menschen

Stig trug Zeitungen aus, um sein Taschengeld aufzubessern. So finanzierte er auch sein Fahrrad. "Heute werden Kinder oft zu sehr verwöhnt", meint er. "Darin spiegelt sich manchmal das schlechte Gewissen der Eltern wider, die ihren Kleinen zu wenig Zeit und Aufmerksamkeit schenken." Ob sich Väter und Mütter vielleicht auch Zuneigung erkaufen, indem sie mit ihren Blagen ins Legoland kommen? Ein abwegiger Gedanke für Blicher. Schließlich brächten Eltern hier einen ganzen Tag Zeit mit. Außerdem würden Kindern spielerisch kreative Fähigkeiten und soziale Werte vermittelt, die schon Unternehmensgründer Ole Kirk Christiansen wichtig gewesen seien. Wer bei Lego arbeitet, glaubt selbstverständlich an das Gute im Menschen.

Irgendwie scheinen alle furchtbar nett zueinander zu sein. Einen zornigen, aufbrausenden, ungerechten Ober-Parkwächter kann man sich gar nicht vorstellen. "Hart ist Stig in erster Linie sich selbst gegenüber", sagt sein Freund Finn Kraefting und erzählt, wie es beim Skifahren in Frankreich einmal so heftig schneite und stürmte, dass alle sich in den Hütten verkrochen. "Die Piste war leer, nur Stig mühte sich im Tiefschnee. Er wollte unbedingt seine Technik verbessern. Das ist Stig." Schon früher war er ein Hundertprozentiger. Vor einem Examen büffelte er häufig Tag und Nacht. "Wenn er sich was vornimmt, zieht er das durch. Dabei kann er seine Umgebung völlig ausblenden", staunt Kraefting. Ziemlich ungeduldig könne er werden, sagt Blichers langjährige Kollegin Conny Kalcher.

Sie war dabei, als Blicher in den USA eine Filmfirma suchte, die Legos Bionicle-Geschichte auf DVD brennen sollte. Eine ergebnislose Sitzung folgte auf die andere. Blicher war kurz davor, die Geduld zu verlieren: "Alle Verhandlungspartner haben große Titel, aber keiner trifft Entscheidungen."

Legoinfiziert

Mit Miramax-Vizepräsident Charles Layton kam er zügig klar. "Wir wussten beide, was wir wollten. Nun versprechen wir uns mit Lego eine langfristige Partnerschaft", sagt Layton. Das Bionicle-Geschäft ist mittlerweile der Hauptumsatzträger von Lego. Blicher hat das Projekt aufgebaut und war zuletzt als Vizepräsident für Entwicklung und weltweites Marketing verantwortlich. Drückt man ihm eine Plastikdose in die Hand mit der Bitte, eine futuristische Figur wie Onua, Kohrak oder Tahnuk aus vielen Einzelteilen zusammenzusetzen, lächelt er souverän: "Tiere bauen wie unsere Designer kann ich nicht. Aber das krieg ich noch hin."

Zehn Jahre arbeitet Blicher schon für Lego. "Eigentlich wollte ich nur drei bleiben. Aber ich wurde legoinfiziert." Seiner Frau Susanne ging es ähnlich. Sie hat wie er Karriere beim Spielzeughersteller gemacht. Jetzt steckt sie zurück, hat sich mit Stig darauf eingestellt, länger in Bayerisch-Schwaben zu bleiben. Kürzlich haben sie auf dem Land ein Haus gemietet, gerade die Möbel eingeräumt. Ins Legoland sind es nur ein paar Minuten Autofahrt. Ihre Kinder freut’s. Ab und an dürfen sie Papa begleiten. "Sie sind meine kleinen Kritiker", sagt Blicher, "ich sehe das Geschäft auch durch ihre Augen."

Quelle: Financial Times vom 9.10.2003

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