Schlechte Nachrichten aus der Neuen Westfälischen:Rodelbahn nach Gutachten stillgelegt
30.09. 2003
Siebenjähriger Bielefelder hätte bei Unfall beinahe einen Arm eingebüßt / Schmerzensgeld eingeklagt
Bielefeld. Das Ergebnis des Sachverständigengutachtens über die Sommerrodelbahn im sauerländischen Freizeitpark „Fort Fun“ist eindeutig: „Die Rodelbahn hätte in der vorliegenden Bauform keine Betriebsgenehmigung erhalten dürfen“, lautet der Kernsatz. Damit hat der heute zehnjährige Schüler Muhammet G. aus Bielefeld beste Aussichten, seinen Zivilprozess gegen das Unternehmen zu gewinnen und Schadensersatz und Schmerzengeld zugesprochen zu bekommen.
Der schwere Unfall, bei dem der Schüler beinahe den linken Unterarm eingebüßt hätte, ereignete sich im Juni 2000. Familie G. hatte „Fort Fun“ in der Nähe von Bestwig besucht und wollte natürlich auch die als „Weltsensation“ angepriesene Rodelbahn ausprobieren. Muhammet und sein Vater Murat setzten sich unter Beachtung der Sicherheitsvorschriften in einen der Schlitten und starteten.
Nach knapp 200 Metern Fahrt flog der Bob in einer Steilkurve aus der Bahn. Wie sich später herausstellte, war die aus Asbestzement bestehende Schale an jener Stelle gebrochen. Ein scharfkantiges Dreieck ragte in die Bahn und hatte den linken Arm Muhammets unterhalb des Ellenbogens durchtrennt. Das Kind wurde nach Dortmund geflogen, wo der Arm in einem Krankenhaus wieder angenäht werden konnte. Zahlreiche Folgeoperationen waren erforderlich, dennoch wird der Schüler Arm und Finger nie wieder so bewegen können, wie vor dem Unfall.
Vertreten durch den Bielefelder Rechtsanwalt Dr. Achim Kampmann, verklagte der Verletzte die Fort Fun GmbH vor dem Landgericht Arnsberg auf Schadensersatz und mindestens 50.000 Euro Schmerzensgeld. Die Betreiber der vom TÜV abgenommenen Bahn lehnten bislang jede Verantwortung für den Unfall ab. Sie behaupten, Murat G. , sei zu schnell gerodelt und deshalb auf die Oberkante der Bahn geraten, die infolge der Belastung gebrochen sei.
Rechtsanwalt Kampmann war von Anfang an davon überzeugt, dass nicht überhöhte Geschwindigkeit des Schlittens den Unfall verursacht haben konnte. Vielmehr habe der Prüfer des TÜV es bei der Abnahme unterlassen, die Bahn hinsichtlich ihrer Bauteilfestigkeit zu prüfen.
Das Landgericht Arnsberg beauftragte das Münsteraner Sachverständigenbüro Schimmelpfennig & Becke mit der Erstattung eines Gutachtens. Der Experte stellte fest, dass das Normenwerk für derartige Faserzement-Werkstoffe lediglich Anforderungen an die statische Belastbarkeit enthält. Für dynamische Belastungen, wie sie bei einer Rodelbahn zwangsläufig auftreten, seien keine technischen Voraussetzungen definiert.
Fazit des Gutachtens: „Die Bahn ist gebrochen, ohne dass ein Fehlverhalten des Klägers oder seines Vaters vorlag“. Der TÜV-Prüfer habe sich bei der Abnahme „auf einem völlig unbekannten Terrain bewegt, und war daher gar nicht in der Lage, dieser Bahn Betriebssicherheit zu attestieren“.
Die Fort Fun GmbH, die zunächst vollmundig ein Gegengutachten ankündigte, hat inzwischen die Konsequenz aus dem vernichtenden Urteil des Experten gezogen und die Rodelbahn vorläufig stillgelegt. Der Prozess vor dem Landgericht Arnsberg geht weiter.