Dem Bottroper Alpin-Center fehlen zehn Millionen Euro, um eine drohende Pleite zu vermeiden. Heute gehen die Krisengespräche im Wirtschaftsministerium weiter.Als das Alpin-Center im Januar 2001 eröffnete, da war es noch eine Baustelle. Kabelschlaufen hingen von der Decke, die Wege führten über Behelfstreppen, vorbei an unverputzten Mauern. Längst hätte sich darüber gnädig der Schnee legen können, doch auch im Juli 2003 noch empfindet mancher Besucher das Alpin-Center als "eiskalte Baustelle", auf der man "erbärmlich", "wie auf einem Fließband an der Supermarktkasse" lange Minuten an den Start gefahren wird. Internet-Bericht eines Besuchers, der sich dort auf dem Snowboard versuchte.
So klangvoll der Name Girardelli in der Sportwelt ist, so desolat ist der Ruf der Familie längst in der Geschäftswelt. Klagen, noch bevor Vater Helmut und Sohn Marc ihr Center eröffneten, juristische Verfahren seither. Mal kämpfen ehemalige Partner um ihr Recht, dann Firmen, die am Bau des Alpin-Centers beteiligt waren, schließlich - ein ums andere Mal - Mitarbeiter.
Und nun geht es um die blanke Existenz. So kommen Wuppertaler Wirtschaftsprüfer in einem Gutachten, das das Alpin-Center selbst in Auftrag gab und das der WAZ vorliegt, zu folgendem Schluss: "Festzuhalten ist, dass bei unveränderten Kosten und Finanzierungsstrukturen eine positive Fortführungsprognose nicht darstellbar ist." Es gebe eine "existenzbedrohende Situation" und "äußerst angespannte Liquiditätslage".
Zu deutsch: Jeden Tag, an dem das Alpin-Center geöffnet hat, schlittert es mehr in rote Zahlen. Kein Wunder: Beträgt doch der Betriebsaufwand 175% der Betriebsleistung. Oft können die Girardellis ihre Mitarbeiter nicht mehr pünktlich bezahlen. Seit September 2002 stiegen die Schulden um 730 000 Euro.
Für den Sommer 2003 erwarten die Wirtschaftsprüfer weitere Verluste von 450 000 Euro.
Krisensitzung gestern nachmittag im Düsseldorfer Wirtschaftsministerium. Anwesend unter anderem Marc Girardelli, Vertreter des Mitgesellschafters Friedrich Dieckell, Banken und das Ministerium selbst. Schließlich gewährte das Land NRW für das Alpin-Center eine Bürgschaft von 13,7 Mio Mark, ist somit in einer Gläubiger-Position. Die Frage aller Fragen: Ist das Unternehmen noch zu retten, muss es Insolvenz anmelden? Oder gibt es im letzten Moment doch noch ein tragfähiges Fortführungskonzept?
"Als Gläubiger müssen wir über alle wesentlichen Veränderungen in dem Unternehmen informiert werden, bedürfen diese auch unserer Zustimmung", erklärt Reiner Eisold, der im Ministerium für Bürgschaften zuständige Mann.
Das Land selbst jedoch, so ist zu hören, kann für das Alpin-Center nichts mehr tun.
Anders Friedrich Dieckell. Der 72-jährige Bremerhavener, ein angesehener Geschäftsmann, begann 1958 mit einem kleinen Lebensmittelladen und baute darauf ein regionales Supermarkt-Imperium auf. Heute macht er im wesentlichen in Immobilien. Von ihm heißt es, er könne weitere Millionen in die Skihalle schießen, um sie vor der Pleite zu bewahren. Ein Engagement, das für viele mit dem Abgang der Girardellis verbunden ist.
"Ich wäre zu diesem Gang nach Canossa bereit. Auch wenn es ein schmerzhafter Schritt wäre", sagte Marc Girardelli gestern der WAZ: "Wenn es das Überleben der Skihalle sichert, und wenn Herr Dieckell sich dies als schwerster Gesellschafter wünscht." Im Übrigen gebe es durchaus mehrere Möglichkeiten, das Alpin-Center zu retten, "auch wenn das im Bericht der Wirtschaftsprüfer negativ dargestellt wird".
Die Misere begann spätestens mit dem Bau. Die Baukosten verdoppelten sich, die Besucherzahlen blieben deutlich unter den Marketing-Analysen.
Einer, der weiß, woran die Halle krankt, ist der Antwerpener Ricky Mollin, der vor 15 Jahren das "Casablanca" eröffnete, die älteste Skihalle der Welt. Mollin, einst Partner von Helmut Girardelli, sagt über diesen: "Der ist nicht in der Lage, etwas zu leiten. Jeder, der anderer Meinung ist, wird von ihm beschimpft." Drei Jahre lang habe er mit ihm zusammengearbeitet. "Girardelli dachte danach, er wisse alles. Aber dort, wo er nichts wusste, hat er Fehler gemacht." Mollin spricht von technischen Fehlern, von Isolierungs-Problemen, der ungünstigen Konstruktion des Förderbandes. Er glaubt, das Alpin-Center könne mit einigen Investitionen gut auf die Piste gebracht werden. Mollin verklagt Girardelli, "weil er mein Wissen gestohlen und mich als Partner vorgetäuscht hat, um den Einstieg in die Branche zu schaffen".
Klagen allenthalben. Denn die Rechnungen vieler Baufirmen beantworteten die Girardellis häufig mit Mängel-Rügen. "Mit fadenscheinigen Begründungen haben sie viele Firmen nicht bezahlt, ich nenne es die Haarriss-Methode", sagt Raimund Crammer, Geschäftsführer der österreichischen "RCM-Design". Von "fingierten Mängeln" spricht auch ein Anwalt, der mehrere Handwerksfirmen vertrat - meist kam es zum Vergleich.
Und auch die Auseinandersetzung mit dem Herner Bauunternehmen Heitkamp landete längst vor Gericht. Forderungen Heitkamps von 2,38 Mio Euro setzten die Girardellis Schadenersatzforderungen wegen Baumängeln in Höhe von 7 Mio Euro gegenüber. Ein Betrag, der übrigens in der Geschäftsbilanz 2002 auf der Habenseite verbucht wurde. Ein Betrag auch, der bei Heitkamp als absurd bezeichnet wird, schließlich habe man "nur den Rohbau erstellt".
Harte Zeiten also für die Girardellis, die sonst eher großen Sprüchen zuneigen. Doch schon im August 2002 schrieb Marc Girardelli ins elektronische Gästebuch einer österreichischen Hotel-Besitzerin: "Bei uns hier im Norden ist es nicht einfach. Zu viele Piefkes, du weißt . . ."
(Quelle: WAZ, 29.07.2003 von Hayke Lanwert und Hubert Wolf)
Gruß, Andreas Walter.
"I survived Looney Tunes Adventure"