Ein Reisender im Auftrag des Rummels
Aachen. Der Bend ist für Besucher vor allem eines: pures Vergnügen. Für die Schausteller, die ihn ermöglichen, ist er das genaue Gegenteil: harte Arbeit. Schließlich ist der Rummel, nicht nur der in Aachen, sondern auf Plätzen in jeder Ecke der Bundesrepublik, die Lebensgrundlage für zahlreiche Familien. Sie sind Reisende im Auftrag des Vergnügens.
Eine Heimat, die für die Mehrheit der Menschen ein fester Eckpfeiler ihres Lebens ist, fehlt den meisten Schaustellern und ihren Angehörigen.
Der selbstverständliche Gang in die Kirche und die feste Zugehörigkeit zu einer Gemeinde oder Pfarre sind Dinge, die sich nur schwer mit dem Beruf des Schaustellers kombinieren lassen. Es wäre wohl unmöglich sie zu verbinden, wenn es nicht Menschen wie Martin Fuchs geben würde.
Seit 2004 ist der Pfarrer «Nationalseelsorger für die Circus- und Schaustellerseelsorge in Deutschland im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz». Fuchs bringt die Kirche zu den Menschen. Er ist zuständig für die Betreuung von Schaustellern in ganz Deutschland.
Das Bonner Büro der «Katholischen Circus- und Schausteller Seelsorge», die 1956 gegründet wurde, sieht Fuchs nur selten. Er ist selbst zum Reisenden geworden. «Ich bin 220 Tage im Jahr unterwegs», sagt der Pfarrer.
Dürener Annakirmes, Düsseldorfer Rheinkirmes und Kölner Frühlingsfest finden sich genauso auf seinem Reiseplan wie die Michaelis-Kirchweih in Fürth, der Freimarkt in Bremen und das Münchener Oktoberfest.
Heute predigt Pfarrer Fuchs auf dem Aachener Bend. Die Messe wird im Zelt eines Gastronomen gehalten. Die Stuhlreihen zwischen den Heizpilzen sind schon vollständig besetzt, als Fuchs noch mit den Vorbereitungen beschäftig ist. Die Hostien entnimmt er einer kleinen Plastikdose, als Altar fungiert ein Holzklapptisch an dem normalerweise kalorienreiche Kost verzehrt wird.
Fuchs bringt alle Utensilien, die für eine Messe benötigt werden, selber mit. «Mein Auto ist immer komplett voll. Mitfahren kann gerade in der Osterzeit niemand», sagt der Pfarrer und lacht. Danach schlüpft er in ein feierliches Gewand, auf dem in Brusthöhe ein Zirkuszelt und ein springendes Pferd zu erkennen sind. Bei der heutigen Messe wird Fuchs eine Taufe und eine Erstkommunion zelebrieren.
Geboren wurde der reisende Pfarrer, den ein Fernsehbeitrag bereits als «Vagabund Gottes» bezeichnete, 1959 in Neumarkt. Wer trotz Fuchs´ eindeutigem Akzent mit dem wunderbar rollenden R Probleme hat, den Ort geographisch zu zuordnen, dem hilft der Pfarrer gern: «Das ist mitten in Bayern.» Von klein auf habe er sich auf Festplätzen «daheim gefühlt» - und bis heute ist der Rummel eine Leidenschaft geblieben. «Sonst könnte ich es auch gar nicht machen. Ich identifiziere mich mit dem Platz wie die Schausteller selber», sagt Fuchs.
Das Kettenkarussell ist eine seiner Lieblingsattraktionen. «Aber mit der Zeit probiere ich alles aus: Ältere Geschäfte, aber auch Modernes.» Die Sorgen und Nöte der Schausteller kennt der Pfarrer - nicht zuletzt aus eigener Erfahrung. «Die meisten Probleme ergeben aus der reisenden Lebensart», sagt Fuchs. Er möchte den Menschen ein Stück weit ein Zuhause geben. Dafür verzichtet er auf ein eigenes.
«Ab Juli hetze ich nur noch von einem Platz zum anderen», sagt der Pfarrer. Trotzdem hat er es geschafft, sich in diesem Sommer eine Woche frei zu nehmen. «Während der Fußball-EM ist auf den Plätzen nicht soviel los», sagt Fuchs. Seinen Urlaub möchte er für eine Tour durch die Vergnügungsparks nutzen.
Im Zelt hat der Chor mittlerweile zu einem Lied angesetzt. Die Schausteller-Gemeinde lauscht andächtig. Martin Fuchs ist ihr Pfarrer.
Quelle: AZ-Web
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