Letzte Bearbeitung am 11-Jul-05 um 08:35 Uhr ()
Schaustellern geht Puste ausRobert Ernst hatte jede Menge Zeit zum Grübeln in seiner Kabine, wenn der Blick hinausging auf seine Auto-Scooter, mit denen nur Wenige fahren wollten. Auch die meisten seiner Schaustellerkollegen auf dem Wilhelmplatz machten lange Gesichter, weil die Umsätze auf dem gestern zu Ende gegangenen Sommer-Jahrmarkt so schlecht waren wie schon lange nicht mehr. Der Chef des Schaustellerverbandes, Ludolf Fock, bringt die Stimmung auf den Punkt: "Der Sommermarkt steht auf der Kippe." Die prekäre Situation offenbarte sich dem Besucher schon, wenn er seinen Blick über den Platz schweifen ließ. Es gab wesentlich mehr Freiflächen als sonst, weil in diesem Jahr etwa 30 Prozent weniger Schausteller zum Sommer-Jahrmarkt kamen. So war es diesmal gar nicht nötig, Fahrstreifen auf der Eckernförder Straße oder dem Kronshagener Weg abzusperren, um Parkraum für die Schaustellerfahrzeuge zu schaffen. Die passten diesmal ohne Probleme auf den Wilhelmplatz.
Ludolf Fock ahnt, woran das gelegen haben könnte: "In Heide und Lübeck gab es zur selben Zeit auch Jahrmärkte. Außerdem spüren wir Schausteller besonders stark, dass der Euro längst nicht mehr so locker sitzt wie früher."
Yvonne Horlbeck, die mit ihrem Mann auf dem Jahrmarkt Getränke und Imbiss-Gerichte verkauft, sieht noch einen weiteren Grund für den Umsatzrückgang: "In diesem Jahr gab es bei der Kieler Woche auch Fahrgeschäfte. Das gehört eigentlich gar nicht ins Konzept der Kieler Woche, hat uns aber sehr geschadet, weil viele Besucher jetzt wegbleiben, die sonst gerne zu uns kommen."
Lodolf Fock hat nach eigenen Angaben zwar auf Verbandsebene versucht, die Konkurrenz im Vorfeld zu verhindern. "Aber es ist uns nicht gelungen, weil die Verträge mit dem Eigentümer der Flächen am Ostseekai schon längst unterschrieben waren." Gemeint ist mit dem Eigentümer die Seehafen Kiel GmbH. Nach KN-Informationen war das Kieler-Woche-Büro zwar alles andere als erfreut über die Vermietung der Ostseekai-Flächen an Betreiber großer Fahrgeschäfte, konnte dies aber auch nicht verhindern.
Die Markleiterin Silvana Lemke, die unter anderem für die Organisation der Jahrmärkte auf dem Wilhelmplatz zuständig ist, glaubt jedoch nicht an die These von der Jahrmarkt-Konkurrenz der Kieler Woche. "Viel entscheidender ist, dass es hier zu wenig attraktive Fahrgeschäfte gibt, die das Publikum anlocken könnten." Andererseits führe die nachlassende Bereitschaft, für Jahrmarktvergnügungen Geld auszugeben, zur Abwanderung der Betreiber großer Attraktionen zu größeren Volksfesten als in Kiel. Wie es nun weitergehen soll mit dem Sommermarkt ist völlig offen. Im September werde in einem Gespräch mit den Schaustellern versucht, "einen vernünftigen Konsens" zu erzielen. Silvana Lemke: "Das kann auch bedeuten, dass wir einen anderen Termin für den Sommermarkt finden."
Ludolf Fock hat sich offenbar auf das Gespräch gut vorbereitet und eine Liste mit Anliegen an die Stadt vorbereitet. Dazu zählt eine bessere Werbung für den Jahrmarkt ("Bisher werden wir nur verwaltet") oder ein Konzept für mehr Sicherheit auf dem Platz – gemeint ist besonders der Schutz vor angetrunkenen, pöbelnden Dauerstörern. Für den Schausteller-Funktionär wird es den Sommermarkt "in welcher Form auch immer" im nächsten Jahr wahrscheinlich wieder geben, "vielleicht machen wir es auch selber – ohne die Stadt." Doch so mancher seiner Kollegen hat bereits die Notbremse gezogen. So wie Robert Ernst mit seinem Auto-Scooter, der "auf keinen Fall" im nächsten Jahr wiederkommen will. "Die Kosten sind zu hoch, die Einnahmen zu gering. Da lasse ich lieber mein Geschäft zu Hause stehen als unter dem Strich nur draufzuzahlen."
Von Jürgen Küppers; Kieler Nachrichten 11.Juli 2005
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