Palastrevolte im Spaßland
Link zum Artikel bei Spiegel Online:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,370842,00.html
Hinter den Kulissen des amerikanischen Vergnügungspark-Unternehmens Six Flags spielt sich ein Machtkampf ab, bei dem den Beteiligten der Spaß längst vergangen ist. Großinvestor Daniel Snyder plant einen Coup: Er will das Management kippen und selbst an die Spitze.
New York - Kingda Ka ist der King. Die schnellste, höchste, steilste Achterbahn der Welt ist seit Mai die Hauptattraktion von Six Flags Great Adventure, dem berühmten Vergnügungspark bei New York: 206 km/h in 3,5 Sekunden, 139 Meter hoch, 90 Grad steil - plus Wartezeiten von über zwei Stunden. Doch mit den Rekorden kommen auch die Macken: Laufbuchsen lösten sich, das Bremssystem versagte, einer der Katapult-Züge klemmte. Wochenlang war Kingda Ka außer Betrieb.
Mit besonderem Interesse verfolgt wird das Schicksal der Fahrattraktion dieser Tage auch auf einer etwas anderen Art von Achterbahn, nämlich von der Wall Street. Die Pannen des Rollercoasters sind dabei symbolisch für die Kalamitäten seines Eigentümers Six Flags, eines Börsenkonzerns mit einer Marktkapitalisierung von 601 Millionen Dollar, der insgesamt 30 Vergnügungsparks in Nordamerika unterhält und hinter dessen Kulissen sich gerade ein Machtkampf abspielt.
Auslöser dieses gar nicht so vergnüglichen Dramas um die Vergnügungsfabrik ist der Multimillionär Daniel Snyder, der nicht nur das Football-Team Washington Redskins besitzt, sondern auch eine Investmentfirma namens Red Zone. Snyder hält 11,7 Prozent der Aktien an Six Flags, dem weltgrößten Betreiber regionaler Amüsementparks. Seit langem schon mit dessen Management unzufrieden, hat er jetzt einen Coup angekündigt: Er will seinen Anteil auf 34,9 Prozent ausbauen und drei der sieben Sitze im Verwaltungsrat erobern, um damit Vorstandschef Kieran Burke zu stürzen.
Aktie im freien Fall
Der Krieg um die Stimmrechte - und damit um die Zukunft des Unternehmens - kommt nicht von ungefähr. Bis heute hat sich der hochverschuldete Konzern nicht von den Folgen des 9/11-Terrors erholen können, als den Amerikanern die Lust auf Vergnügungen für einige Zeit verging. Im vergangenen Jahr fuhr Six Flags 177,3 Millionen Dollar Verlust ein. Die Aktie stürzte, mit Kingda-Ka-würdigem Tempo, von über 23 Dollar im Sommer 2001 auf einen Tiefststand von 3,49 Dollar im vorigen August.
Es war auch in jenem August, als Snyder seinen Anteil an Six Flags leise aufzustocken begann, zunächst auf 8,8 Prozent. Parallel schickte er einen bösen Brief an die US-Börsenaufsicht SEC und die Konzernspitze, der er schwere Versäumnisse vorwarf. Tags darauf kam ähnliche Kritik, gepaart mit der Forderung nach einem Führungswechsel, von einem anderen, prominenten Investor: Microsoft-Gründer Bill Gates, der über seine Investmentfirma Cascade 11,5 Prozent an Six Flags hält.
Angespornt von dieser Schützenhilfe ließ Snyder nicht locker. Im September legte er konkrete Vorschläge für einen Turnaround des angeschlagenen Unternehmens vor. Doch das Management blieb unbeeindruckt. Es folgte ein eisiger Briefwechsel. "Keiner Ihrer Vorschläge", schrieb Six-Flags-Direktor Michael Gellert, "reichte aus, um zu rechtfertigen, Sie in eine Kontrollposition zu befördern." Snyder drohte darob, er werde "jedes verfügbare Mittel" einsetzen, um sein Investment zu beschützen.
Meuterei auf der Achterbahn
Und dieses Mittel ist nun die Palastrevolte, eine regelrechte Meuterei im Spaßland - die feindliche Übernahme von innen. Snyder will sich als Vorsitzender des Boards installieren lassen und seinen Freund Mark Shapiro zum CEO ernennen. Shapiro, derzeit Programmchef des Sportsenders ESPN, wechselt im Oktober als CEO zu Snyders Investmenthaus Red Zone.
Doch Snyder will noch mehr. Der Mann, dessen Redskins mit einem Marktwert von über einer Milliarde Dollar eine der lukrativsten Sport- und Werbeanlagen der USA sind, hofft sein Unternehmen zum Entertainment-Giganten à la Disney auszubauen - nicht zuletzt vermittels Six Flags, das den Disney-Vergnügungsparks jetzt schon wacker Konkurrenz macht.
"Alles ist möglich", sagte Shapiro der "Washington Post". "Snyder ist entschlossen, ein breit gefächertes Entertainment-Portfolio aufzubauen." Schließlich hätten die Six-Flags-Parks im Jahr rund 35 Millionen Besucher: "Das ist eine Wertanlage, die für Werbekunden, Markenpartner, Filmstudios, Athleten, Musiker, Prominente und Familien hochattraktiv ist."
"Hasardeure gesucht!"
Einfach dürfte der Umsturz dennoch nicht werden. Six Flags hat zum Beispiel immer noch die Möglichkeit, eine feindliche Übernahme durch Snyder mit einer so genannten "poison pill" zu verhindern. Dabei werden den übrigen Aktionären zusätzliche Aktien zu Niedrigpreisen angeboten. Snyder müsste dann noch mehr Anteile kaufen, um sich eine Mehrheit zu sichern. Diese Giftpille würde automatisch zu wirken beginnen, wenn jemand seine Anteile auf 35 Prozent steigert - deshalb auch Snyders Limit von 34,9 Prozent. Um weiter zu kommen, muss Snyder also erst die Mehrheit der Aktionäre auf seine Seite bringen.
Die Wall Street reagiert bisher aber weitgehend optimistisch auf das Hickhack. Der Six-Flags-Kurs hat seit Snyders Kriegserklärung um fast 20 Prozent angezogen. Bear Stearns wertete die Aktie auf. Andere Analysten warnen allerdings davor, dass Snyders Pläne nichts Neues seien.
Kingda Ka röhrt unterdessen seit Anfang August nach langer Zwangspause wieder. Um das müde Sommergeschäft in buchstäblich letzter Minute noch zu beleben, hat Six Flags neue TV-Spots und Anzeigen geschaltet. Motto: "Hasardeure gesucht!"
Grüße,
Alex