Aus dem Spiegel Online, 7.9.2016:Hier der Link.
Und falls der Irgendwann mal nicht mehr geht, hier das Interview:
Rainer Mälzer, 47, ist Co-Geschäftsführer der Wiegand.Maelzer GmbH im bayerischen Starnberg. Die Firma ist Europas Marktführer bei Wasserrutschen aus Edelstahl und Kunststoff, die Schwesterfirma Josef Wiegand GmbH und Co KG stellt die Produkte mit 300 Mitarbeitern im hessischen Rasdorf her und ist darüber hinaus Weltmarktführer bei Sommerrodelbahnen.
SPIEGEL ONLINE: Was macht eine gute Wasserrutsche aus?
Mälzer: Ha, die schwierigste Frage zuerst! Eine gute Rutsche stimuliert mich emotional. Ich fühle Vorfreude, ein wenig Bammel vielleicht, dann Spaß, Aufregung und schließlich das Glücksgefühl am Ende, wenn ich im Auslaufbecken liege und denke: Jetzt aber gleich noch mal! Eine gute Rutsche ist wie ein guter Horrorfilm: Sie bietet Spannung und Schreckmomente, der Körper schüttet Adrenalin aus, der Herzschlag wird schneller - und all das im Gefühl, völlig sicher zu sein.
SPIEGEL ONLINE: Tut es eine normale Wasserrutsche denn nicht mehr?
Mälzer: Das ist wie bei den Autos. Die einen wollen eine Limousine, mit der man angenehm mit der Familie reisen kann, die anderen einen Porsche, mit dem man die Beschleunigung und die Straße fühlt. Es gibt enge Röhren und riesige offene Rutschen, die man gemeinsam nutzen kann, Körperrutschen, Reifenrutschen und Freifallstarts, bei denen man eine Sekunde ins Nichts stürzt. Es gibt Cannonballs, die Sie zehn Meter durch die Luft schleudern oder Rutschen, bei denen Sie 50 km/h Geschwindigkeit erreichen.
SPIEGEL ONLINE: Haben nicht immer weniger Bäder das Geld, in große Rutschen zu investieren?
Mälzer: Rutschen sind zeitlos. Sie stehen für etwas, das jeder will, nämlich Spaß. Wir beliefern den Markt weltweit. Im Januar wurde das größte Projekt Rumäniens eröffnet, die Therme Bukarest, mit 20 unserer Rutschen. Gerade verschiffen wir Rutschenteile Richtung Nordchina - in 73 Containern. Auch die Eventrutschen auf dem größten Kreuzfahrtschiff der Welt, der "Harmony of the Seas" sind von uns. Aber Sie haben natürlich Recht, das Geschäft dreht sich vom kommunalen Schwimmbad in Richtung Entertainment-Wasserpark. Vom Zuschussbetrieb hin zum Profit-Center.
SPIEGEL ONLINE: Wo stehen die besten Rutschen der Welt?
Mälzer: Die 26 Rutschen in der Thermenwelt Erding nahe München und jene in der Therme Bukarest sind super. Das ist absolute Weltklasse, vor allem im Innenbereich. Im Freien sind der Siam Park auf Teneriffa sowie diverse Parks in Orlando in Florida außergewöhnlich. Toll ist auch der Chimelong Park in China, der meistbesuchte Wasserpark der Welt. Da kommen bis zu 30.000 Gäste am Tag.
SPIEGEL ONLINE: Unterscheiden sich denn in verschiedenen Ländern die "Rutsch-Sitten"?
Mälzer: Absolut! In Asien geht es diszipliniert zu: Es gibt Anweiser, die einem sagen, wie man rutschen soll. Die Leute sind sehr folgsam, gleichzeitig ist alles für Menschenmassen ausgelegt, mit Reifenrutschen für acht Personen. Dort ist es völlig normal, dass man im Wasser oder beim Anstehen ständig mit anderen Menschen Hautkontakt hat. Das muss man mögen. In den USA haben die Rutschenden viel Respekt, wollen nichts falsch machen. Sie sind aber auch sehr wählerisch, da muss schon häufig eine neue Rutsche her, die Besucher anzieht.
SPIEGEL ONLINE: Und wie steht es um Europas Rutschkultur?
Mälzer: Europäer, vor allem Skandinavier, mögen es schnell und abenteuerlich, zum Beispiel mit Blindflugelementen, bei denen man in Dunkelheit durch die Rutsche zischt. Oder mit Wettkampfcharakter: zwei Rutschen nebeneinander, in denen die Gäste um die Wette rutschen. Liegt der Gegner vorne, leuchtet seine Rutsche rot, liegt man selbst in Führung, leuchtet sie grün. Letztes Jahr haben wir die längste Wasserrutsche Irans gebaut. Das ist wieder völlig anders, weil an einem Tag nur Männer rutschen, am anderen nur Frauen. Ich kann nur sagen: Die Männer lieben sie, die Frauen werde ich nie sehen.
SPIEGEL ONLINE: Und wohin geht der Trend?
Mälzer: Rutschen sollen heute mehr Sinne ansprechen als früher. Es gibt Lichteffekte wie Stroboskoplichter mit Blitzen, in die Rutsche projizierte Muster und Farbenwelten oder durchsichtige Acrylelemente, in denen die Rutschenden von außen gesehen werden. Das Auge rutscht schließlich mit. Dazu kommen Soundeffekte, verstärkte Wassergeräusche oder dumpf wummernde Bässe. Ein Clou sind interaktive Touchpoint-Systeme: Man sammelt während der Fahrt Punkte, indem man in der Rutsche bestimmte Stellen berührt.
SPIEGEL ONLINE: Und woran arbeiten Sie gerade?
Mälzer: Unser "SlideWheel" ist mit Sicherheit das Außergewöhnlichste: eine riesige Rutsche, integriert in ein sich ständig drehendes, 24 Meter hohes Riesenrad. Eine neue Dimension mit Dreh- und Pendelbewegungen, völlig irre.
SPIEGEL ONLINE: Also immer noch schneller, noch höher, noch irrer: Halten Sie das für richtig?
Mälzer: Es geht hier nicht um meine Meinung. Rutschenbenutzer wie Betreiber fordern das. Wasserparks und Freizeitbäder kämpfen um Marktanteile, da macht eine neue, völlig verrückte Rutsche schon mal den Unterschied. In Mitteleuropa sind wir aber wirklich auf der sicheren Seite. Je extremer die Rutsche, desto mehr wird gemessen, getestet und modifiziert. Die Rekordjagd geht zumindest bei uns nicht auf Kosten der Sicherheit.
SPIEGEL ONLINE: Anfang August starb ein Zehnjähriger in den USA, als er aus der höchsten Wasserrutsche der Welt geschleudert wurde. Könnte so etwas auch bei uns passieren?
Mälzer: Bei uns ist alles durch Normen geregelt, die man befolgen muss. Ist ein neues Produkt nicht durch eine Norm geregelt, dann stimmt ein Hersteller sich in der Regel im Vorfeld mit dem TÜV ab. Die Hersteller werden angehalten, eine Risikoanalyse zu erstellen, in der alle möglichen Gefahren aufgelistet und gewichtet werden. So geht man das Thema schon in der Entwicklungsphase an. Während und nach dem Aufbau gibt es Testläufe mit einem TÜV-Mitarbeiter. Am Ende folgen Tests mit Rutschern unterschiedlicher Alters- und Gewichtsklassen.
SPIEGEL ONLINE: Ist das in den USA laxer geregelt?
Mälzer: Da haftet der Hersteller für sein Produkt, er kann individuell mehr entscheiden - und er selbst schätzt das Risiko ein. Passieren Unfälle, kann das aber sehr teuer werden. Deshalb sind die Hersteller in der Regel auch da sehr vorsichtig und bringen kein Produkt auf den Markt, das nicht auf Herz und Nieren getestet wurde. Und letztlich: Egal wo man rutscht, auch der Nutzer muss sich an die Vorgaben halten. Wenn Sie zu viert ein Fahrrad benutzen, dann dürfen Sie sich nach einem Sturz auch nicht über Schmerzen beschweren.
SPIEGEL ONLINE: Testen Sie persönlich Ihre neuen Konstruktionen?
Mälzer: Nur noch die größeren, meistens rutscht man bei der Übergabe gemeinsam mit dem Kunden. Das ist so eine Art Jungfernfahrt in der Badehose.
SPIEGEL ONLINE: Ein rein berufliche Pflicht - oder sind Sie auch noch Rutschenfan?
Mälzer: Klar, aber es gibt schon welche, bei denen ich lieber anderen den Vortritt lasse. In China zum Beispiel stehen Billigkopien von High-Speed-Rutschen, da habe ich Schiss. Da reicht mir der Blick von außen.
SPIEGEL ONLINE: Welche Tipps haben Sie für den Normalrutscher?
Mälzer: Einfach ausprobieren. Wer Angst hat, kann Leute befragen, die die Rutsche schon runtergerutscht sind. Wer hochklettert und sich dann doch nicht traut: Du bist nicht der Einzige, das ist keine Schande. Wer richtig schnell rutschen will, dem empfehle ich die Drei-Punkte-Technik, bei der nur die beiden Fersen und die Schulterblätter die Rutsche berühren. Also: flach hinlegen, Beine überkreuzen, Po anheben, anspannen und los! Ist auch eine gute Rücken- und Bauchmuskelübung. Oder, entgegen aller Fitnesstipps: viel Gewicht, das macht auch schnell. Am Wichtigsten: Schauen Sie in die Gesichter der Leute im Landebecken. Dann wissen Sie, was das für ein Spaß ist.