Bestwig. Als im 17. Jahrhundert mit dem „Vauxhall Pleasure Gardens”
in London der erste kommerziell betriebene Freizeitpark der Welt seine
Pforten öffnete, konnten deren Väter noch nicht erahnen, dass ihre
Erfindung einen weltweiten Siegeszug hinlegen würde.Bis heute haben Freizeitparks nichts an ihrer Faszination eingebüßt.
Warum eigentlich?
Reinhard Bültmann ist seit 1986 Parkleiter des Fort Fun Abenteuerlandes
in Bestwig-Wasserfall und kennt wie kein Zweiter die Gepflogenheiten des
Erlebnis-Geschäfts, das Reisen in die Phantasie verkauft. Er wurde schon
häufig gefragt, ob die große Zeit der Freizeitparks nicht allmählich zuende
sei, ob sich die Menschen nicht irgendwann „satt gefahren” haben an
Wildwasserbahn und fliegendem Teppich. Dann schmunzelt der 64-Jährige
und unternimmt den Vergleich mit Kirmessen: „Die sind in Deutschland
schon oft totgesagt worden und laufen immer noch.”
Und doch, Selbstläufer im wahrsten Sinne des Wortes sind Freizeitparks mit
Fahrgeschäften und Artistik- und Akrobatik-Shows nicht. „Der Park muss sich
immer weiter entwickeln”, sagt Bültmann und seine designierte Nachfolgerin
Mirjam Teutenberg ergänzt: „Es müssen jedes Jahr neue, moderne Elemente
hinzu.” Und das bedeutet in der Generation High Tech: schneller, höher,
weiter. Insbesondere junge Parkgäste wollen in den Fahrgeschäften immer
mehr Nervenkitzel, in den Shows immer neue Sensationen erleben.
Um den Bedürfnissen aller Besucher von Jung bis Alt und dem Ruf als
familienorientierter Park gerecht zu werden, schaut sich die Fort-Fun-
Führungscrew regelmäßig internationale Schausteller-Messen, Volksfeste
und andere Freizeitparks in der ganzen Republik an. „Man muss immer auf
dem laufenden sein”, sagt Reinhold Bültmann, und Mirjam Teutenberg erläutert
die Philosophie des Sauerländer Publikumsmagneten mit dem Maskottchen
„Funny Fux”: „Wir setzen auf Attraktionen, die nicht jeder hat.
Standardneuheiten sind nicht unser Ding.” In den kommenden fünf Jahren
will die Betreibergesellschaft Grévin Deutschland rund zwei Millionen Euro
in neue Attraktionen investieren.
Geschätzte 19 Millionen Menschen pilgern pro Jahr in die Attrappenwelt der
60 deutschen Freizeitparks und lassen sich von der Mischung aus Märchenpark,
Rummel-Nostalgie und High-Tech-Abenteuer begeistern. Freizeitparks sind
wie eine bunte Wundertüte. Man lässt sich jedesmal aufs Neue überraschen
in der Welt der perfekten Illusion. „Der Erlebniswert von Angeboten
überspielt den Gebrauchswert”, hat der Bamberger Soziologe Gerhard Schulze
einmal in einer Studie über die Erlebnisgesellschaft treffend festgestellt.
Entscheidend für einen dauerhaften Erfolg von Freizeitparks ist, so formuliert
es Hermann-Josef Kiel, Professor für Kultur- und Freizeitmanagement an der
Hochschule Heilbronn, „immer neue Besuchergruppen zu erschließen und die Zahl
der Stammkunden zu erweitern”. Deshalb müssten sie mehr bieten als
Schussfahrten, Shows, Schaschlik und Souvenirs. Zum Beispiel Übernachtungen
auf dem Gelände anzubieten. „Die Parks entwickeln sich damit zu
Kurzurlaubszielen.”
Die gestiegene Nachfrage nach Übernachtungen im Fort Fun Abenteuerland
kann Mirjam Teutenberg nur bestätigen. „Das ist ein klarer Trend.” Wie im
Wilden Westen können jeweils sechs bis acht Personen in kanadischen
Blockhäusern die Nacht verbringen. „Immer häufiger bleiben Gäste zwei Tage
bei uns”, so die Assistentin der Geschäftsführung, die einen weiteren
„Trend” ausgemacht hat - der freilich in vielen Wirtschaftszweigen zu
erkennen ist: „Das Geld sitzt nicht mehr so locker. Die Leute sind immer
preisbewusster.”
Quelle: Westfalenpost, 19.09.2008, von Rolf Hansmann
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