ERLEBNIS BRANDENBURG (TEIL 4)
Bleichgesichter lassen es krachenGreenhorn, kommst du nach Templin, mach dich auf rauchende Colts gefasst. Im Städtchen Eldorado feiert der Wilde Westen Auferstehung. Wie es sich gehört mit Cowboys und Indianern, Bankräubern und Sheriffs.
Die Cowboys zum Beispiel: Sie rennen um ihr Leben, als in wildem Galopp die Indianer nahen. Aber ihre Chancen stehen schlecht. Pfeile schwirren durch die Luft, Tomahawks und Messer. Die Wut der Rothäute auf die Männer mit ihren langen Mänteln und breitkrempigen Hüten scheint gewaltig zu sein. Schließlich flehen die Bleichgesichter um Gnade und geben die Braut des Indianerhäuptlings frei – die sie entführt hatten, um den Stamm zum Verkauf von mehr Land zu erpressen. Und am Ende siegt wieder mal das Gute.
Das Publikum im weiten Rund der Arena im Freizeitpark Eldorado bei Templin klatscht lange Beifall. Indianer und Cowboys reichen sich die Hände und verneigen sich. Die tägliche Show in der Kulissenstadt am Ufer des malerischen Röddelinsees zielt mit Absicht auf die Erinnerung an Filmszenen. Egal, ob sie den Zuschauern aus den zwölf Defa-Streifen mit Gojko Mitic in der Hauptrolle oder aus den Winnetou-Produktionen mit Pierre Brice bekannt sind. Die Begeisterung ist bei Ost- und West-Besuchern gleichermaßen groß.
„Unserem Motto ‚Abenteuer wie im Film‘ bleiben wir immer treu“, sagt Friedhelm Schatz, Eigentümer des sieben Hektar großen Themenparks in der uckermärkischen Stille. „Wir wollen die Besucher immerzu beschäftigen. Sie sollen Shows mit Stunts und gespielten Überfällen erleben, in der Westernstadt durch Geschäfte, eine Kirche und eine Druckerei bummeln, sich als Goldwäscher ausprobieren können, Kanufahren und in den Saloon gehen.“ Der umtriebige Geschäftsmann, der vor fünf Jahren das Krongut Bornstedt zu einer der attraktivsten Potsdamer Tourismusadressen machte und heute noch den Filmpark Babelsberg führt, sieht sein Konzept als erfolgreich an. Mindestens 100 000 Eintrittskarten will er in dieser ersten vollen Saison des Eldorado verkaufen. 60 Frauen und Männern bietet er einen Arbeitsplatz.
Im Unterschied zu den bayerischen Investoren, die die Freizeitanlage 2004 als „Silver Lake City“ eröffnet haben und schon nach dem ersten Jahr pleitegingen, scheint Schatz tatsächlich die entscheidende Zugnummer gefunden zu haben. „Wir brauchen Indianer“, lautete seine Erkenntnis nach der ersten Besichtigung der „Main-Street“. Die bayerischen Projektanten hatten den weißen Mann in den Mittelpunkt gestellt. Es gab Cowboys, Trapper, Abenteurer, Schurken, Sheriffs und ein Unterhaltungsballett – aber es fehlten die beliebten tapferen Ureinwohner des Wilden Westens.
Zwar wirbeln die Schauspieler in den Kostümen fieser Bankräuber, dicker Hilfssheriffs oder heruntergekommener Glücksritter auch unter der neuen Geschäftsführung mehrmals täglich buchstäblich viel Staub auf. Sie reiten in großer Zahl über die Hauptstraße, werfen Dynamit in die Bank, liefern sich Schießereien um den Tresor und stürzen spektakulär vom Dach. Doch sobald sich nur irgendwo eine Indianernasenspitze zeigt, laufen die Kinder wie selbstverständlich dorthin. Noch immer hält Friedhelm Schatz deshalb an der Idee fest, den inzwischen pensionierten Gojko Mitic für regelmäßige Auftritte gewinnen zu können. Vorerst können sich seine Fans den 28. Juli vormerken, wenn sich ein großes Fest um die Defa-Indianerfilme dreht. Der Hauptdarsteller hat sich zumindest für einige Autogrammstunden angekündigt.
Nur am Abend, wenn die über dem See untergehende Sonne den Westen eher mild als wild erscheinen lässt, erhält der größere Komfort der Weißen den Vorzug. Das Tipi-Zelt der Indianer kann zwar auch reizvoll sein, aber die meisten Gäste ziehen die Unterkunft im Holzfort mit 44 Betten, in den sieben Hotelzimmern oder in den zwölf Ranchhäusern vor.
Neuerdings kann im Eldorado auch geheiratet werden. Dazu steigt der Standesbeamte in Cowboy-Stiefel und nimmt den Akt in einer nach mexikanischem Vorbild erbauten Holzkirche vor. Danach drehen die frisch Vermählten eine Ehrenrunde in der Postkutsche. Am 7. 7. 2007 wollen sich gleich sieben Brautpaare im Westernstil das Ja-Wort geben – flankiert von Cowboys und Indianern.
Quelle: Tagesspiegel