Ein Job, der Spaß macht: Die Überprüfung einer großen Anlage dauert einen TagWenn Johann Disl in einen Freizeitpark kommt, steht ihm der Sinn kaum nach Kurzweil. Der Ingenieur inspiziert seit 30 Jahren im Auftrag des Technischen Überwachungsvereins Achterbahnen aller Art. Mit Wildwasserbahnen wie in Tripsdrill kennt er sich bestens aus.
Von HANS GEORG FRANK
Matthias Wilcke, technischer Leiter des Erlebnisparks Tripsdrill bei Cleebronn (Kreis Heilbronn), ist keine Aufregung anzumerken. "Ich habe keinen Grund, nervös zu sein" sagt der 35-jährige Hesse. Dabei hat er heute zwei strenge Spezialisten des TÜV zu Besuch. Sie inspizieren die "Badewannen-Schussfahrt" und die "G"sengte Sau", zwei der beliebtesten Attraktionen des Parks. "Wir haben nichts zu verbergen", gibt sich Wilcke kooperativ, "wir werden immer gelobt vom TÜV."
Jedes Jahr werden die Fahrgeschäfte einer intensiven Kontrolle unterzogen. Dazu reist Johann Disl extra aus München an. Der Leiter der Abteilung Leit- und Elektrotechnik beim TÜV Süd ist ein Spezialist für so genannte Sonderbauten. Seit 30 Jahren nimmt er Fahrgeschäfte und Vergnügungsanlagen unter die Lupe, in Taiwan, Singapur, Brunei, Saudi-Arabien, Kanada, Spanien, aber auch in Rust, im Schwaben-Park und eben seit 20 Jahren in Tripsdrill.
Der 55-jährige Oberbayer vertieft sich zunächst in die Pläne, studiert statische Berechnungen zur Standsicherheit, verlangt Schweißnachweise und Schaltpläne. Einen Tag lang ist er mit der aufwendigen Technik der feuchten Schussfahrt in einer nachgebildeten Badewanne beschäftigt. Er misst die Breite von Rettungswegen, den Pegel von Wasserständen, er prüft die Funktion von Bremsen, Druckwächtern, Lichtschranken, Näherungsschaltern. Disl kennt die riesige Kurven-Konstruktion so gut, als hätte er sie eigenhändig zusammengesetzt. Liftmotoren, Kabelführungen, Stoßdämpfer, Druckplattformen, Isolationen, Festhaltezylinder - nichts entgeht dem erfahrenen Experten, dessen Einsatz der Sicherheit der Gäste dient. Disl verlässt sich auf seinen Blick für das Wesentliche und die Kenntnis aller Mechanismen mehr als auf Regularien: "Ich bin kein Paragraphenreiter."
Wie wichtig solche Kontrollen sind, beweisen zwei Vorfälle beim Aschaffenburger Volksfest innerhalb weniger Tage. Zuerst saßen 32 Fahrgäste eines Freifallturms 90 Minuten lang in 15 Metern Höhe fest, dann wurde ein neunjähriger Bub aus der Gondel des Karussells "Playball" 20 Meter weit geschleudert und schwer verletzt. Wohl auch wegen der strengen Überprüfungen gelten deutsche Fahrgeschäfte, stationäre wie ambulante, als die sichersten der Welt. Ohne die TÜV-Inspektion, glaubt Johann Disl, "wären die Dinger mit Sicherheit nicht so sicher". Rund 210 Millionen Mal pro Jahr wagen sich Menschen hierzulande zu Amüsement und Nervenkitzel in allerlei Rüttel- und Schüttelgerätschaften.
In Tripsdrill habe es noch nie gravierende Mängel gegeben, lobt Disl. Sein Heilbronner Kollege Rolf Würz, der sich vier Tage lang um die kleineren Anlagen kümmert, bestätigt das Urteil: "Alles okay, sehr gutes Personal." Disl und Würz geben sich nicht mit äußerlichen Checks zufrieden. Sie starten stets zur Sonderfahrt. "Wir wollen das Gerät auch spüren, den Schlag in der Schiene stellen wir mit dem Popometer fest" sagen sie lachend.
Bevor die TÜV-Männer ihre Untersuchungen vornehmen, müssen sie sich selber jedes Jahr vom Arzt auf Herz und Nieren prüfen lassen, damit ihnen die "Eignung für Arbeit in gefährlichen Höhen" attestiert wird. Rauf und runter, hin und her - Johann Disl kann gar nicht genug davon bekommen: "Dieser Job macht auch nach 30 Jahren noch Spaß."
Messen, prüfen, zählen: Die TÜV-Experten Johann Disl (rechts) und Roland Würz kontrollieren im Erlebnispark Tripsdrill die "Badwanna-Schussfahrt". Foto: Agenda
© Südwest Presse vom 2. Juli 2004
Gruß Thomas
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