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Wo der Nervenkitzel zum Geschäft gehört
12-Mai-03, 23:22 Uhr ()
Augsburger Allgemeine, 12. 05. 2003
Wo der Nervenkitzel zum Geschäft gehört

Von unserem Redaktionsmitglied Andreas Frei

Bad Wörishofen

Zwischendurch, in einer Minute seltener Ruhe, taucht Petra Löwenthal in die Tiefen der Ökonomie ab. Dann studiert sie Berichte der Europäischen Zentralbank oder Marketing-Fachbücher. Die 50-jährige Volkswirtin, Tourismus-Expertin und frühere Lehrbeauftragte an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung in Kehl sagt: „Ich liebe die Wissenschaft.“ Bevor auch nur der leise Verdacht aufkommen könnte, einem eher nüchternen Menschen gegenüberzusitzen, wird man eines Besseren belehrt. Petra Löwenthal kann gut erzählen, lacht viel und sagt unerwartete Sätze wie: „Wissen Sie, ich bin schon ein Feger.“ Dann sieht sie sich um. Sie freut sich über strahlende Kindergesichter auf einem historischen Pferdekarussell, fiebert mit jungen Männern mit, die sich in einer von Drahtseilen gehaltenen Kugel 90 Meter in die Luft katapultieren lassen oder begeistert sich an der Vielzahl kleiner Fische und Frösche, die in diesem Frühjahr die Teiche bevölkern.

„Dafür lohnt sich die Arbeit, sieben Tage in der Woche“, sagt sie und macht damit deutlich: Wer Chefin des Allgäu Skyline Parks bei Bad Wörishofen direkt an der Autobahn A96 ist, ist immer im Dienst - hat aber auch außergewöhnlich viel Spaß. „Wir sind mit dem Freizeitpark fest verwachsen“, sagt Petra Löwenthal - das beweist schon die Tatsache, dass sie auf dem elf Hektar großen Gelände auch wohnt. Mit „wir“ spricht sie den Gegenpol in ihrem Leben an: ihren Mann Joachim. Den hat sie vor gut zehn Jahren unter dem Dach eines Betriebes im badischen Waldkirch kennen gelernt. Ein Vorgang, der zunächst wenig ungewöhnlich klingt, jedoch eine besondere Würze erhält: Bei dem Betrieb handelt es sich um den alteingesessenen Karussell- und Fahrzeugbauer Mack, ein in Branchenkreisen sehr bekannter Spezialist für Parkeinrichtungen. Die Familie Mack ist zudem Inhaberin von Deutschlands größtem Freizeitpark, dem Europa Park Rust. Der Mann, den Petra Löwenthal dort kennen lernte, ist Schausteller in der dritten Generation aus der Nähe von Bremen und Betreiber der größten transportablen Wildwasserbahn der Welt.

Bald erkundete die Theoretikerin das Leben als Praktikerin. Das Schausteller-Paar reiste mit der Wildwasserbahn durch ganz Deutschland („Eine Ochsentour“), ehe Petra Löwenthal 1998 zufällig in einem Fachblatt las: Käufer für kleinen Freizeitpark in Kirchdorf bei Bad Wörishofen gesucht. Ein Jahr später feierte man Wiedereröffnung, die Besitzer hießen jetzt Löwenthal und die Idee eines Freizeitparks für die ganze Familie nach dem Vorbild des Europa Parks in Rust bei Freiburg war geboren. Innerhalb von vier Jahren haben sich die Besucherzahlen auf 240000 pro Saison verdoppelt, der Umsatz ist 2002 trotz Wirtschaftskrise und der Eröffnung des Legolands in Günzburg um 30 Prozent gestiegen. Die Pläne für einen weiteren Ausbau des Geländes liegen in der Schublade. Petra Löwenthal hält dann 500000 Besucher pro Jahr für durchaus möglich.

Wer über die Wege des großzügig angelegten Parks schlendert oder den Nervenkitzel in den verschiedenen Fahrgeschäften sucht, ahnt wenig von dem unternehmerischen Spagat, den die Wahl-Allgäuer leisten müssen. „Anfangs war das eine riesige finanzielle Belastung, zumal ich auf diesem Gebiet zunächst völlig unerfahren war“, erzählt Petra Löwenthal. Ihre Faustformel für Freizeitparks lautet: Sie sind an 200 Tagen im Jahr geöffnet, 100 Tage kann man wetter- und saisonbedingt „vergessen“, mit den anderen 100 Tagen muss das Geld verdient werden. Rund 20 Millionen Euro wurden seit 1998 investiert, berichtet sie. Gleichzeitig versucht der Familienbetrieb die Preise so niedrig wie möglich zu halten. Erwachsene zahlen für eine Tageskarte 13 Euro, ein kleines Frühstück kostet gerade mal einen Euro.

So will die Unternehmerin, die für die CSU im Kreistag Unterallgäu sitzt, die Massen ins Allgäu locken. Dafür rührt sie kräftig die Werbetrommel, führt Gespräche mit Kommunen und Betreibern anderer Freizeitparks - mit dem Ziel vor Augen, den Allgäu Skyline Park als Marke zu etablieren. Löwenthal: „Ich versuche, Marketing-Konzepte aus der Konsumgüter-Industrie auf den Tourismus zu übertragen.“ Da ist sie wieder, die Theoretikerin Petra Löwenthal - „mein Mann würde da wieder über mich lachen“, scherzt sie.

Die Tücken der Praxis lernte sie kennen, als sie sich erstmals mit Personalmanagement beschäftigte. „Ein bürokratischer Aufwand sondergleichen“, sagt sie. Je nach Saison und Auslastung beschäftigt der Betrieb 65 bis 130 Mitarbeiter. Das sind Schüler, Rentner, Hausfrauen, Mini- und Neben-Jobber, die einen mit mehr, die anderen mit weniger als 400 Euro Verdienst: „Eine unglaublich komplizierte Abrechnung.“ Da sind die ganz alltäglichen Aufgaben eines Firmenchefs: Organisieren, motivieren, schlichten, auch mal durchgreifen wie vor einigen Wochen, als sie nach personellen Problemen „kurz davor war, alles hinzuschmeißen“. Und da sind die kalten Monate, wo der Park geschlossen ist und in langen Bürotagen die nächste Saison vorbereitet wird. Was treibt einen da voran? Petra Löwenthal überlegt nicht lange: „Die Freude, die pure Freude.“

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No ned huddla

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