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Spurt der Steine
15 Minuten, 70 Bauklötze: Modellbauer-Casting für das Berliner Legoland
Einer von mehr als 300 Bewerbern bekommt den Traumjob ab Januar
Von Stefan Jacobs
Als wäre der 13. als Bewerbungstermin für einen Traumjob nicht schlimm genug, hat Thomas Hoffmann auch noch die Startnummer 13 abbekommen. Sie klebt auf seiner Brust, während er im Foyer des Cinestar-Kinos am Potsdamer Platz an einer Wand lehnt und auf seinem Handy herumdrückt. Gegenüber sitzen etwa 30 Männer und eine Handvoll Frauen, umhüllt von Schweigen und Zigarettenrauch. Sie sind aus mehr als 300 Bewerbern für das Casting ausgewählt worden, mit dem der Spielwarenhersteller – ach was, der Sinnstifter – Lego einen Modellbauer für sein „Discovery Centre“ genanntes Legoland sucht, das zu Ostern im Sony-Center eröffnet werden soll.
Thomas Hoffmann aus Kreuzberg, 35 Jahre alt und seines Jobs in einer Computerfirma überdrüssig, denkt positiv: „13 ist gut, Primzahlen sind gut.“ Erst am Freitag hat er in einem Internetforum von der Aktion gelesen, seinen Lebenslauf und das Foto eines vor Jahren kreierten Legoflugzeuges losgeschickt – und jetzt steht er hier und sagt ganz wider seine sonst so gewählte Ausdrucksweise, dass es „einfach eine geile Chance wäre, mal was völlig anderes zu machen“. Seit Jahren träumt er davon, einmal die ganze große Kiste mit den Steinen ins Wohnzimmer zu schütten und draufloszubauen, aber in der 60-Quadratmeter-Butze will er das seiner Frau nicht antun.
Der künftige Chef ruft die erste Gruppe nach nebenan; Hoffmann ist erst in der zweiten dran. Binnen 15 Minuten soll „ein kreatives Modell“ gebaut werden. 70 klassisch geformte Steine liegen auf den Cafétischen, die meisten sind orange, andere weiß, grün oder gelb. Das unvergleichliche gedämpfte Legosteingeklapper setzt ein. Hände setzen Steine zusammen, teils flink, teils zögernd, manche zittern ein bisschen. Der Chef und die Modellbauerin aus dem schon etablierten Legoland Günzburg beobachten, was sich auf den Tischen tut. Nummer 2 baut ein Häuschen, das er am Ende „eine Garage mit bisschen Schnickschnack“ nennen wird. Das Werk von Nummer 7 ähnelt einer Kreuzung aus Maya-Tempel und Brandenburger Tor, die 10 bastelt einen Propeller. Kandidat 4 ist der Einzige, der nebenbei Interviews geben kann: Rick Briggs aus New York, der zurzeit technisches Design an einer Fachschule „down in Kleinmachnow“ lehrt und eher nebenbei einen zweidimensionalen Kürbis mit schiefem Grinsen und grüner Locke zusammensteckt. Das mit dem Kürbis sei ihm angesichts der orangefarbenen Steine sofort klar gewesen, sagt er, während er die Position der Augen noch einmal mit einer binnen Sekunden gefertigten Bleistiftskizze vergleicht. Ein paar Minuten später befindet die Jury den x-beinigen Klops auf Briggs’ Tisch für ebenso gelungen wie das Maya-Tor und den Propeller: „Sie sind morgen wieder dabei!“
Dann ist die Gruppe mit Hoffmann an der Reihe. Er schubst vor Aufregung einen Stein vom Tisch, sitzt ein paar Sekunden reglos vor dem Häuflein, dann beginnt er konzentriert zu bauen. Zwei Parallelen verbinden sich zu Kufen, darüber eine gerundete Kanzel, ein langes Ende nach hinten, Rotor oben in die Mitte – fertig ist der Hubschrauber. Und weil noch fünf Minuten und die Hälfte der Steine übrig sind, baut Hoffmann in aller Ruhe noch eine Krankentrage und einen Flughafentower daneben. „Das war Eingebung“, sagt er hinterher zufrieden. „Erst wollte ich wieder ein Flugzeug, aber das geht nicht ohne Flügel.“
Die Jury ist von dem Ensemble ebenso begeistert wie von dem Vogel der Frau am Nachbartisch. „Wir sehen uns morgen“, sagt der Chef fröhlich. Hoffmann murmelt: „Darauf war ich gar nicht gefasst. Mal sehen, wie ich das arrangiere.“ Heute also wird er als einer der 15 Besten den großen Bausteinhaufen bekommen, von dem er immer geträumt hat. Vielleicht wird ein Lebenswerk draus.