Artikel aus der WAZ:Schlagfertiger Job im Milieu der Machos
WAZ Bottrop. Der angetrunkene Cowboy mit dem verschlagenen Gesichtsausdruck bedrängt die attraktive Tänzerin. Ein Hieb, ein Schrei - der Trunkenbold geht zu Boden. Die blonde Bardame lacht und schüttelt die Löwenmähne: Stuntfrau Stefanie Wesser ist in ihrem Element.
Egal, ob sie die Räder eines US-Streifenwagens durchdrehen lässt und mit Vollgas über den Asphalt schleudert, von Häusern springt oder im reichhaltig mit Spitzen besetzten Rüschenkleid Bösewichte verprügelt - Stefanie Wesser ist in der Warner-Movie-World die Frau für alle Fälle.
20 Stuntmen und zwei weitere Stuntfrauen sind mit ihr im Bottroper Freizeitpark für die Knalleffekte zuständig. Ein harter Job ohne Zweifel, jedoch nicht zu hart für die Essenerin. Seit einem Jahr bereichert sie mit ihren Auftritten die Shows der Warner-Movie-World. Stefanie, 25 Jahre alt, durchtrainiert und sportverrückt, betreibt diesen Job wie einen Leistungssport. Da gestaltet sich die Freizeit von selbst: Sport und Training bis zum Abwinken.
Doch im Gegensatz zu ihren Kollegen verbringt Stefanie nicht die Abende in der Muckibude und drischt auch nicht mit fernöstlicher Verwegenheit auf Sandsäcke oder Sparringspartner ein. Ihr Geheimrezept ist ein im wahrsten Sinne des Wortes dehnbarer Begriff: Stretching, Dehnübungen. Jeden Morgen, Tag für Tag: "Wenn man sich ausgiebig dehnt, macht das geschmeidig, und die Stunts gehen einem viel leichter von der Hand."
Außerdem steht Inlineskaten auf dem Tagesprogramm, der Koordination wegen. Die Frage, ob sie dabei nicht Angst vor Stürzen habe - unbedacht gestellt - wird von Stefanie mit einem Lächeln beantwortet, das irgendetwas zwischen Amüsement und stirnrunzelndem Unverständnis ausdrückt: "Stürzen, okay. Und?" - die Frau kann einiges wegstecken.
Manchmal, sagt sie, profitiere sie sogar im wahren Leben von ihrer Fitness und Koordination: "Vor ein paar Wochen hatte ich einen Autounfall. Totalschaden. Im ersten Moment nach dem Knall dachte ich, dass ich vielleicht noch einen Dreher dranhängen kann . . ."
Um gleich mögliche Vorurteile auszuräumen: Nein, Stefanie war nicht schuld am Unfall. Außerdem kann sie Auto fahren. So gut, dass es sogar den männlichen Stunt-Kollegen - hauptsächlich aus den USA - Respekt abringt: "Die staunen dann mit großen Augen und nicken anerkennend." Die Frage, ob Stunt-Männer Machos sind, beantwortet die Blonde wieder mit einem Lachen: "Mega-Machos, aber hallo. Trotzdem alles nette Kerle." An die rauen Sitten hat sie sich innerhalb eines Jahres gewöhnt. Eine Umstellung, denn eigentlich wurde Stefanies Karriere jahrelang von feinfühligen Tänzern und schöngeistigem Gesang begleitet; sie studierte in Hamburg das Musical-Fach.
Ihre Liebe gehört auch heute noch dem Musiktheater. Wenn im Park Anfang November die Winterpause beginnt, wird sie wieder auf die Bretter steigen, die die Welt bedeuten. Auf die Action will sie trotzdem nicht verzichten: "Ich kann nicht sagen, was ich lieber mache. Es gehört eben beides zu mir."
Ausgefüllt wird ihr Leben derzeit größtenteils vom Job, einen festen Freund, der jeden Tag im Publikum sitzt und sich um sie sorgt, hat Stefanie gerade nicht. Sorgen machen sich andere, und nicht zu knapp: "Wenn meine Schwester in die Show kommt, ist sie anschließend immer ganz fertig mit den Nerven." Ganz im Gegensatz zur Powerfrau: "Angst nein, Respekt ja."
Man dürfe in diesem Job nie Routine aufkommen lassen, sagt die Blondine, "dann ist man in Gefahr". Stefanie leidet - so paradox es klingt - unter leichter Höhenangst. Die will sie auch nicht missen: "Da ist der Respekt vor großen Höhen ganz automatisch da."
Überwinden musste sie den im vergangenen Jahr, als sie in zehn Metern Höhe auf einer Leiter stehend zwischen zwei Häusern hin und her schwankte - bislang "der" Härtetest: "Leicht war´s nicht. Im Nachhinein aber witzig." Spricht´s und zeigt die Narbe, die von der Leiter am Schienbein zurück geblieben ist.
Doch Narben sind die Ausnahme, Spaß bestimmt das Alltagsgeschäft. Besonders, wenn Stefanie Cowboys verhauen darf: "Jetzt mache ich mich mal warm, dann können die sich ganz warm anziehen . . ."
10.09.2003 Von Christian Balke
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