Eine Geburtstagstorte zur Eröffnung des neuen Disney- Parks östlich von Paris. ap- Bild
WAZ Paris. Im neuen Disney-Park wackelt die Erde Krieg, Krise oder Katastrophe? CNN ist angerückt, NBC und ABC. Und darüber hinaus sind noch rund 2000 andere Medien vor Ort. Mehr weltweite Beachtung findet auch die Uno- Vollversammlung nicht.

Dabei geht´s nur um einen neuen Freizeitpark, die Disney Studios. Ein "wunderbares Geschenk", lobte die angereiste Prominenz von Heidi Klum und Thomas Gottschalk, selbst bei Disney unter Vertrag. Britney Spears, die als bekennende Jungfrau so gut in Disneys Familienbild passt, war der Stargast der abendlichen Gala.

610 Millionen Euro, nach alter Währung weit über Milliarde Mark, hat der amerikanische Filmkonzern in seinen neuen Filmpark östlich von Paris investiert. Und was den Besuchern zu freilich stolzen Preisen, Kinder 29 Euro, Erwachsene 36 Euro, ab heute geboten wird, bietet die Bandbreite guten Kinos: Nervenkitzel, atemberaubende Stunts und Action, vor allem aber auch viel Gefühl in herzergreifend kitschigem Dekors. Spezialeffekte aus 100 Jahren Filmgeschichte, eine Achterbahn, die in knapp drei Sekunden auf Tempo 100 beschleunigt, Kulissen, die von vorn so täuschend echt wirken, als sei der feuerspeiende Drachen tatsächlich erst vor wenigen Minuten durch die halb zerstörte Londoner Innenstadt getrampelt.

Wie wendig Opel-Autos sein können, zeigen Stuntmänner, deren verwegene Fahr- und Bremsmanöver vor der Kulisse eines Mittelmeer-Dörfchens selbst 007-Oldie Roger Moore, eigens zur Eröffnung eingeflogen, Respekt einflößen.

Brenzlig wird es im Katastrophen-Canyon: Da wackelt nicht nur die Erde, da droht auch ein brennender Benzinlaster in die kräftig mit schaukelnden Besucherwägelchen zu rutschen. Ist aber, wie alles im Film, nur ausgefeilte Tricktechnik.

Und mit welchen Kameratricks Zeichnungen zu Trickfilmen werden, lässt sich unterhaltsam im Animationsstudio erleben. Vor allem Kinder werden ihren Spaß haben, sich selbst als Cartoon-Zeichner zu versuchen. Dabei zielt Disney mit diesem neuen Park vor allem auf jenen Nachwuchs, der sich zu alt dünkt, noch Mickey Maus zu lesen.

1,20 Meter muss man allerdings für manche Attraktion schon sein, sonst rutscht man durch die Gurte. Mit rund zwölf Millionen Besuchern im Jahr ist der Park praktisch an der Kapazitätsgrenze angelangt.

Fünf Millionen weitere Besucher soll der neue Studio-Park im Jahr locken. Die Rechnung könnte aufgehen. Der Konzern hat, nach der Fastpleite des Parks im ersten Jahr 1992, zudem gelernt, sich auch auf nationale Eigenwilligkeiten einzustellen, verzichtet längst darauf, den Franzosen etwa den Wein zum Essen verbieten zu wollen.

Seit gut vier Jahren schreibt der einst vier Milliarden Mark teure Park schwarze Zahlen. Und Disney-Chef Michael Eisner, einer der bestbezahlten Manager der Welt, lobte gestern vor allem das französische und europäische Kino, die Basis der erfolgreichsten Disney-Filme von Schneewittchen bis Pinocchio. "Die europäische Kultur hat dem amerikanischen Kino viel gegeben."

Liebevoll in Szene gesetzt auch in den kleinsten Details ist der neue Filmpark. "Damit können wir im Wettbewerb bestehen", sagt Disney- Mann Michael Adams auch mit Blick auf Konkurrenten, etwa die Warner Brothers, die in Bottrop-Kirchhellen schon einen Filmpark betreiben und demnächst in Madrid einen weiteren eröffnen. Paris liegt dann genau in der Mitte.

15.03.2002 Von Joachim Rogge

Quelle: WAZ - 16. März 2002