DISNEY-ZEICHNER JOHNSTON
Der Mann, der Bambis Mutter töteteVon Stefan Pannor
In Walt Disneys legendärem Zeichentrick-Team war er der Mann für die großen Gefühle, die tragischen Szenen: Ollie Johnston zeichnete und animierte die großen Klassiker des Genres, von "Schneewittchen" über "Dschungelbuch" bis zu "Cap und Capper". Ein Nachruf.
Schon lange zählten Animations-Fans in aller Welt still und traurig durch, wann es denn vorbei sei mit einer Epoche - wann der letzte von "Disney's nine old men", Disneys neun alten Männern, dahinscheiden würde. Es waren jene neun Zeichentrickkünstler, die zwischen 1927 und 1978 die Disney-Trickfilme groß herausbrachten. Von Disneys ersten abendfüllendem Animations-Feature "Schneewittchen" bis zu "Cap und Capper".
Am Montag, den 14. April, war es soweit. Wie erst jetzt bekannt wurde, starb Ollie Johnston (eigentlich Oliver Martin Johnston Jr.), der letzte Verbliebene der Gruppe, im Alter von 95 Jahren friedlich in seinem Haus in Sequim, Washington.
Er war nicht der erste, der kam. Aber er war der letzte, der ging. Das war schon 1978 so, als er als letzter seiner Gruppe die Disney-Studios verließ. Da war er 66 Jahre alt, und der erste der "neun alten Männer", John Lounsberry, bereits seit zwei Jahren tot.
Johnston hatte sich seine Rente redlich verdient, durch die Mitarbeit nicht nur an "Schneewittchen", sondern auch an "Bambi", "Peter Pan", "Pinocchio", dem "Dschungelbuch" und vielen weiteren Klassikern, deren Figuren er entwarf und zum Leben erweckte. Im letzten wirklichen Film der neun alten Männer, "Bernard und Bianca" (Original: "The Rescuers"), wurde er von seinen Kollegen als Kater Rufus verewigt. Danach arbeitete er nur noch für zwei weitere Filme eher halbherzig zu - die neue Studiopolitik mit ihrer Vereinheitlichung des Animationsstils behagte ihm nicht.
ohnston war 1935 als Zeichner zu den Disney Studios gekommen. Viele seiner später berühmten Kollegen waren zu jener Zeit schon auf dem alten Firmen-Gelände in Silverlake bei Los Angeles beschäftigt. Allen voran Frank Thomas, mit dem Johnston bereits seit Studienzeiten eine Freundschaft verband, die beider Leben lang halten sollte. In ihrer Disney-Zeit wohnten die beiden Tür an Tür in Los Angeles. Viele ihrer Ideen entwickelten sie angeblich während der täglichen gemeinsamen Autofahrt zum Studiokomplex, der seit 1939 in Burbank angesiedelt ist.
Für nur 17 Dollar Wochengehalt schmiss Walt Disney seine Trickzeichner damals ins kalte Wasser und ließ sie seinen ersten abendfüllenden Zeichentrickfilm entwickeln. Das Ergebnis war 1937 "Schneewittchen", der zum phänomenalen Erfolg und Ursprung der berühmten Serie von Kinotrickfilmen aus dem Hause Disney wurde.
Die Illusion des Lebens
Von da an verwandelte sich fast alles, was Johnston, Thomas und ihre Kollegen anfassten, zu Gold. Mindestens jährlich produzierten sie einen Zeichentrickfilm, darunter Genre-Klassiker wie "Robin Hood", "Alice im Wunderland", "Cinderella" und "Susi und Strolch". In den fünfziger Jahren sprach Walt Disney erstmals von ihnen als von seinen "neun alten Männern". Da waren alle beteiligten Zeichner gerade einmal in ihren Vierzigern. Der Begriff allerdings blieb hängen.
Johnston wurde besonders für seine hochemotionalen, tragischen Szenen bekannt. Aus seiner Zeichenfeder stammt der Tod von Bambis Mutter, eine Szene, auf die er sein Leben lang stolz war und die trotz oder wegen ihrer Kürze ins allgemeine Gedächtnis der Popkultur übergegangen ist.
Dass Johnston in der Lage war, so viel Gefühl auf so wenig Raum zu komprimieren und - vor allem - mit gezeichneten und animierten Figuren zu erzeugen, lag wohl an seiner Ausbildung zum Illustrator. Zum Trickfilm verschlug es ihn eher zufällig. "Eigentlich wollte ich emotionsgeladene Bilder zeichnen, die die Leute dazu bringen, die Bücher zu lesen", erzählte er in einem Interview. Dann blieb er jedoch beim Trickfilm hängen: "Ich entdeckte, dass es hier etwas gab, das voll von Leben und Bewegung und Geschehen war, und in dem sich genau diese Gefühle zeigten."
Auch nach seinem Austritt aus der Disney-Animation blieb er dem Trickfilm treu und vor allem den Filmen, an denen er selbst mitgearbeitet hat. Er veröffentlichte mehrere Bücher über Animation, darunter auch eines über Bambi. Vor allem aber "Disney Animation: The Illusion of Life" zusammen mit Frank Thomas. Das Werk gilt heute als eines der zentralen Bücher über Zeichentrick überhaupt. 1995 wurden Thomas und Johnston Thema des ausführlichen Dokumentarfilms "Frank'n'Ollie", in dem sie über 90 Minuten über ihr Leben, vor allem aber ihre Trick-Arbeit reden.
Frank Thomas starb bereits 2004, als vorletzter der "neun alten Männer". Ollie Johnstons Frau, ebenfalls eine ehemalige Disney-Angestellte, mit der er seit 1943 verheiratet war, starb 2005.
Mit Johnstons Tod endet in der Tat eine Ära. Und es bleibt ein Vermächtnis, das ironischerweise weniger bei Disney selbst genutzt wird, als etwa bei den Kollegen von Pixar: Regisseur Brad Bird ("Ratatouille") ein glühender Johnston-Verehrer, baute Cameo-Auftritte des Animators sowohl in "Der Gigant aus dem All" ein als auch in "The Incredibles". Mit dem Animations-Veteran verbindet den Pixar-Mann immerhin eine besondere Historie. Als Johnston 1978 an einem Freitag mitten in der Produktion von "Cap und Capper" die Disney-Studios verließ, wurde der Berufsanfänger Bird am kommenden Montag zu dessen Schreibtisch geleitet, um dort fortan dessen Arbeit zu erledigen. Auf der Website Cartoonbrew hat Brad Bird einen persönlichen Nachruf auf seinen berühmten Vorgänger verfasst.
Quelle: spon