Roland Mack
Ganz der VaterDie Familie Mack, einst Wagenbauer, ist mit ihrem Europapark in die Weltliga für Freizeitparks aufgestiegen. Nun hat der Chef, Roland Mack, große Ziele: eine längere Saison, ein neues Hotel, ein neues Logo. Aber das geht nicht ohne Debatten.
Langsam, frech langsam, schwingt das Tor auf. Die beiden Flügel wissen wohl nicht, wen sie das warten lassen? Roland Mack furcht Stirn und Brauen. Er senkt den Fuß, der Elektrowagen surrt los, poltert in die Torflügel hinein, drängt sich durch. Bremse. „Das ist die Seele des Parks“, sagt Mack. Pause. Zeit für fünf, sechs Blicke: Gelb und gotisch guckt „Schloss Balthasar“ aus dem Efeu, fünf Jahrhunderte alt, mit Wappen, Luken, Biberschwanz-Ziegeln. Ein Zauberpark umläuft das Schloss, Spieglein, Bänke, Pfefferbäume, Springbrunnen. Die Elz schleicht vorbei. „Hier sitzen die Leute mit einem Buch, mit geschloss’nen Augen“, sagt Mack. Der Wage surrt schon wieder.
„Roland ist für Tempo“, sagt sein Vater, Franz Mack. „Und ich lass’ ihn machen. Er ist jetzt alt genug. Man muss die Jungen auch mal machen lassen.“ Der Junge ist 53 Jahre alt. Die Macks, Vater und Sohn, siebte und achte Generation einer Wagenbaufirma, bekannt für ihre Karussells und Zirkuswagen, vor 30 Jahren fuhren sie nach Florida, beäugten Disneyland, entwarfen auf Bierdeckeln ihr neues Geschäft: den Europapark, geplant in Rust, einem Dorf am Rhein.
Da wollte natürlich keiner mitmachen, Banker, Unternehmer, ja, selbst die Leute aus der Nachbarschaft schütteln bedenklich die Köpfe. „Ein Hobbyangler sagte zu mir: „In Rust hat’s so viele Schnaken, da laufen euch die Leute weg““ erinnert sich Mack. „Da hab’ ich gedacht, um Gottes Willen, auch das noch.“ Doch das Geld war schon investiert. Zurück ging’s nicht mehr. Heute leitet Mack Deutschlands Freizeitpark Nummer eins, 100 Fußballfelder groß, acht Achterbahnen, Shows, Restaurants, Buden, zwei Hotels, 2500 Mitarbeiter, Millionen Besucher – drei davon sind gerade in Gefahr.
Arglos schlendern sie vorm Elektrowagen rum, und Mack dreht sich, plaudernd und Gas gebend, nach hinten, er greift sich’s Walkie-Talkie, fragt hinein, warum der Wasserfall nicht laufe, und scheint die Bummler noch immer nicht zu sehen. In letzter Sekunde bremst er, fest und scharf, ohne richtig hinzugucken, als stecke in seinem Schnurrbart ein Autopilot. Es ist ein strenger, unternehmender Schnurrbart, dunkelblond, ein paar Graue drin. Auch sonst ist Mack sehr respektabel: prüfende Augen, tönende Stimme, hallendes Lachen, und sein Gesicht furcht sich gerne.
„Er ist immer am Kämpfen, auch mit uns, hart, aber fair.“, sagt Armin Rosenkranz, Hoteldirektor im Park. „Du musst vor im her rennen, alles regeln, alles wissen. Warum ist Messer stumpf? Das Brötchen lauwarm? Und dann fragt er Sachen, die nur ein Elektriker weiß.“ Vom Vater habe er das, sagt Mack, sich nie verdrücken, nie abwarten. „Ein Chef muss rein ins Geschehen, und das Produkt muss perfekt sein.“
Grummelnd steigt er in den „Silver Star“, Europas größte Stahl-Achterbahn. Zwei Plätze sind hinter ihm frei, „einer das kann mal passieren, aber zwei!?“ Die Bahn ruckelt los, gemächlich, Mack sitzt in Reihe eins. Jeder zweite Deutsche kennt den Europapark, das ist auch ein Verdienst dieser Vorzeige-Höllenmaschine, 15 Mio. € teuer, 1620 Meter lang, gebaut aus 160 Sattelschleppern Stahl, 100 Betonpfählen, 15000 Schrauben, Türen und Fußbänke fehlen. Unterm Hintern ein Sitz, vorm Schoß eine Stange – das war’s.
Zehn Meter geht’s hoch, 20 Meter, 30. „Na, wo kommen Sie her?“, fragt er ein Mädchen neben sich. „Aus Thüringen? So, so.“ 40 Meter, 50, 60. Mack zeigt nach links, zeigt nach rechts, erzählt dabei. „Da, das Elsass … da, ein Naturschutzgebiet …“ Stopp. 73 Meter. „Und dort, die Autobahn. Wir haben eine eigene Ausfahrt.“ Ruck.
Fall, fünf Sekunden, 130 Sachen nun, Mack hebt die Arme, um ihn herum Geschrei, Grimassen, Kurve, Hügel, dem Himmel entgegen. „Sie leiden ja.“ Mack freut sich. Wieder runter, schwerelos, Seitenkipper, Magenmassage. Kurze Pause. „Ganz bleich sind Sie“, beobachtet Mack. Weiter. Er hebt den Daumen. In dem Augenblick blitzt’s. Am Ausgang gibt’s dann das Foto: leidende, bleiche Köpfe und ein daumenreckender Mann mit bunter Europa-Maus-Nadel am Schlips. Die Fahrgäste wackeln wie Fuzzy der Cowboy, Mack wieselt dem Elektrowagen entgegen, das Walkie-Talkie am Mund: „Sorgen Sie dafür, dass die den Silver Star richtig belasten. Ein freier Platz, das kann passieren, aber zwei!?“
18000 Menschen fahren jeden Tag mit, mehr als jeder zweite Parkbesucher. „Wir haben die Bahn in Partnerschaft mit Mercedes-Benz gebaut.“ Alles in Silberpfeil-Grau, Boxengassen, ausgestellte Rennautos. „Es ist eine Win-Win-Situation: Wir haben die Marke aufgeladen, nachts leuchtet die Bahn, ist von der Autobahn zu sehen.“ Neue Schritte müsse man wagen, „weiter, immer weiter, der Cash-Flow wird investiert“. Die Leute lechzten nach Neuem, höher, schneller, weiter, doch der Chef muss abwägen. Eine Achterbahn mit Tempo 170, mit Looping – „da schrumpft die Zielgruppe“. Das lohnt sich nicht für einen Familienpark. Und es bringt die Atmosphäre aus dem Gleichgewicht. „Er lebe von seiner Heimeligkeit, von seiner Beschaulichkeit.“
Mack steuert die Böcklinkskapelle an, klein, wehrhaft, schon Karl der V. besuchte sie, darin ein Altar, Betstühle, Fresken. Lärm und Mandelduft kommen herein. Hier ließ Mack seine Kinder taufen. „Er will, dass Gott die Hand über den Park hält“, sagt der Schausteller-Pfarrer Ernst Heller. Zur Eröffnung der Silver Star hatte Mack 80 Geistliche eingeladen, katholisch, evangelisch, aus aller Welt. „Und in einer Rede sagte er uns: In jedem Herz steckt ein Gramm Gold. Aber er ist kein Frömmler. Er predigt sonst nie, verkündet nicht laut.“
Laut wird er höchstens mal im Geschäft, wenn einer „nur daher labert und keine Argumente hat“, wenn ein Mitarbeiter zu gemütlich ist, oder zu Hause, wenn seine Frau ihm Horoskope vorliest. „Ich habe diese Bücher zum Fenster rausgeschmissen. Ich bin halt pragmatisch.“ Der Wagen stoppt. Mack klaubt ein Taschentuch vom Boden, wirft’s in den Mülleimer. Mykonos ist wieder sauber. Weißblaue Häuschen, Gassen, Rundbögen, eine Taverne, Sirtaki, Knoblauch, löchriges Holz, jahrhundertealt, in der Nähe das Trojanische Pferd, eine byzantinische Kirche, gezimmert und gemauert, Holz und Stein, echt soll’s wirken. „Ich habe extra ein Törn nach Griechenland gemacht, einen Kubikmeter Fotos.“
Der Park gliedert sich in elf Länder, Frankreich, Spanien, halb Europa, und es ist, sagt der Künstler Tomi Ungerer, „alles in gutem Geschmack. Die Leute können Europa besuchen. Da steckt ein guter Mensch dahinter. Oh, sein Vater, das kann ein glücklicher Vater sein.“
Ist er auch. Er sei schon stolz auf seinen Sohn, sagt der 81-jährige Franz Mack. „Stolz?“, fragt der Sohn, „das könnte er auch mir mal sagen.“ Ein Lachen steckt in seiner Stimme und ein Vorwurf. Bis vor zehn Jahren war der Vater voll im Geschäft. „Da hat er sehr wenig Widerstand akzeptiert. Wir waren uns oft nicht einig.“
Dabei haben die beiden viel gemeinsam, die großen Ohren, die kleinen Augen, ja, eigentlich alles: „Ich habe ihm vererbt, was er heute ist. Er ist fleißig, strebsam, genau und exakt, er ist Unternehmer und er hat alles im Griff. Ich rede nicht rein. Ich bin ein Auslaufmodell.“
Auslaufmodell? Der Sohn lacht. Er lässt das dritte Hotel im Europapark bauen, nur so kann er das nächste Ziel erreichen: „Noch kommen die meisten Besucher zu einem Tagesausflug. Wir wollen Gäste gewinnen, die von weit weg kommen, ein paar Tage bleiben.“ Die Chancen stehen gut. Vielen Eltern fehlt das Geld für einen Urlaub, sie fahren mit den Kindern ein paar Tage in den Europapark. „Unser Konkurrent heißt Mallorca“, sagt Mack. Und im Winter ist es Sölden. Seit Samstag hat der Park wieder geöffnet, zum „Winterzauber“, mit Schlittschuhbahn, Weihnachtsmarkt und Eisshow. „Wir wollen die Saison verlängern, auf 250 Tage im Jahr.“
Ein Hotel muss also her, da sind Vater und Sohn ja einer Meinung. Aber Roland plante ein Hotel im Stile des Kolosseums, wuchtig, kraftvoll, teuer; der Vater plädierte für spielerisch und preiswert. „Da hat er die Sprachverbindung mit mir unterbrochen. Ich habe ihm gesagt: „Die vom Marketing finden das gut.“ Es war das schlechteste Argument, das ich bringen konnte. „Bezahlt euren Schrott selber“, hat er gesagt.“ – „Das Hotel?“, erinnert sich der Vater. „Das war alles im Einvernehmen.“ Pause. „Ich hab’s zumindest so empfunden.“ Der Sohn gab nach. „Er hatte ja Recht. 60 Jahre Erfahrung, da höre ich gerne drauf.“
Die beiden werden bald noch einen weiteren Sparringspartner haben. Enkel Michael hat auch Ideen. „Er war in Disneyland, in einer Bar, dort haben sie eine zweite Ebene eingezogen, es passen mehr Leute rein. Da hat er gleich angerufen. Er ist ganz der Vater, hat den Blick eines Technikers.“ Meistens zumindest, kaum trägt Mack die Idee für ein neues Logo mit sich rum, ist der Sohn dagegen. „Alles Marketing-Schnickschnack. Ich war 20 Jahre erfolgreich, jetzt kommt der mit seinen Fünfzehn.“ Mack lächelt. „Aber in zehn Jahren hat er damit Erfolg.“
Opa Franz Mack wär’ das lieb. „Die Familie ist alles. Ich hoffe, es geht weiter, ich schau’ denen dann von oben zu.“ Pause. Er zeigt auf den Fußboden. „Oder ich schau’ von da unten rauf.“
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Bummelstudent
Kein Getue - „Der haut net uff de Käs, der ist einer wie du und ich“ sagt ein Parkangestellter über Roland Mack
Frau winkt ab - Mack ist verheiratet, hat zwei Söhne und eine Tochter. „Jedes Jahr sag’ ich mir: Wir planen den freien Tag ein. Meine Frau winkt dann schon ab, denn davon reden wir schon seit zehn Jahren.“
Treue - „Er bleibt unserer Hausbank treu, auch wenn andere manchmal günstiger sind. Er sagt dann: Die haben uns auch mal geholfen“, sagt Ilona König von der Hauptkasse.
Wer hat Recht? - „Sein Studium hat mich nicht gestört.“ (Vater Franz Mack) – „Nach dem ersten Semester hat mich der Vater gefragt, wann ich eigentlich fertig bin.“ (Sohn Roland)
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Kirmes war früher
Start 1780 - Die Unternehmer Mack gibt es in der achten Generation. Sie gründeten die Firma 1780, bauten Karussells und Zirkuswagen. Heute sind sie Weltmarktführer im Bau von Freizeitparkeinrichtungen.
Vater & Söhne - 1975 eröffnete Franz Mack, Rolands Vater, den Europapark. Heute führt der Sohn das Geschäft, zusammen mit seinem Bruder Jürgen. In der Saison 2001 beschäftigten sie 2500 Mitarbeiter, empfingen 3,3 Millionen Besucher und setzten 125 Mio. € um.
Europa - Der Park in Baden ist 65 Hektar groß, hat sein Angebot zum Thema Europa gestaltet. Knapp die Hälfte der Besucher kommen aus Frankreich, der Schweiz und dem Rest der Welt. Star der Parks ist die Achterbahn „Silver Star“.
Quelle: FTD
Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl