...hoffentlich bald auch in deutsch!
Gruß Ralf.--------------------------------
"more, more, more!!!!!!"
Florian Rötzer 20.11.2007
Endlich haben zwei tapfere Ritter den Kampf gegen die unsägliche Dämlichkeit im Internet begonnen und sind dabei, einen Filter für dumme Äußerungen zu entwickeln
Es geht mitunter wild zu im noch immer von Sicherheitspolitikern nicht völlig gezähmten World Wild Web. In den Foren werden heiße Schlachten geschlagen und ähnlich wie im Fernsehen und anderen Massenmedien oder an den Stammtischen in den Kneipen bordet der Un- und Blödsinn gelegentlich über. Dem haben Gabriel Ortiz and Paul Starr den Kampf angesagt und wollen ein Programm entwickeln, das dumme Äußerungen aussortiert, um damit das Internet vor sich selbst zu schützen.
Der StupidFilter (1) ist allerdings noch Projekt und von vorneherein vermutlich nur ein vergeblicher Kampf. Aber es sei Zeit, endlich zurückzuschlagen, sagen die Kämpfer gegen die Idiotie. Bitter beklagen sich die Aufklärer, die sicher bald schwere Schläge einstecken müssen und des Dünkels bezichtigt werden:
--Wir haben so lange schweigend unter der Tyrannei der Idiotie gelitten. Zu Beginn war das Internet ein Ort, wo man intelligent mit ähnlich gebildeten Menschen kommunizieren konnte. Aber dann schlug der "Ewige September" zu und wir gingen in Rauschen unter. Die Ankunft des von den Benutzern gestalteten Inhalts im Web hat das Problem nur noch verstärkt und unsere Toleranz bis zum Zerreißpunkt angespannt.--
Der Ewige September (2) ist schon eine ganze Weile her. Im September 1993, als so langsam das Web erwachte, ermöglichte der damalige Internetgigant AOL seinen Kunden den Zugang zum Usenet. Damit kamen die Newbies, also die unerfahrenen, ungehobelten, ungebildeten und konsumsüchtigen Internetnutzer mit den alten Hasen und ihrer eher akademischen Kultur zusammen und begann die Öffnung des elitären Internet zum Massenmedium. Und weil die Neuen endlos strömten und durch die heiligen Hallen trampelten und grölten, wurde der September geschaffen (3), der nie endete.
Jetzt aber wollen einige Verfechter der reinen Internetkultur doch Grenzen einziehen und die dumpfe Stimmung der Stammtische aus den lichten Diskursen auf der virtuellen Agora möglichst verbannen. Zumindest soll ein Filter - selbstverständlich open source - geschaffen werden, der die übelste Dummheit erkennt und verbannt - vorerst leider nur in Englisch. Und weil die in der ansonsten hochgelobten Web 2.0-Welt besonders grassiert, wird der Filter an den offenbar besonders dämlichen Kommentaren auf YouTube geübt - ganz genauso, wie Spam-Filter trainiert werden. Angelegt wurde bereits eine Datenbank mit 25.000 der übelsten Sprüche, um daran den Filter zu schulen. Hier einige der Kostproben, die auf einer Skala von 1 bis 5 - ganz schlimm wie die letzten drei Beispiele - eingeordnet werden:
ulllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll eeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeee!!!!!! !!!!!!!!!!!!!!!
Beauty is only skin deep, very good MaryAnn.
LOLOLOLOLOLOLOLOLOLOLOL!! Awsome! 5/5
##### bog fresha! its all about gay sama
wut r u tLKIN BOUT UMMMM THAT WAZ DA BOMB
ffffffaaaaaakkeeeeeee
Man sieht schon aus den wenigen, zufällig gefundenen Kommentaren, dass den Filterentwicklern für ein sauberes Internet besonders die mit dem Internet aufgekommene Sprachverstümmelung aufstößt, die freilich von manchen Beflissenen, die sich unbedingt dem Neuen aufgeschlossen zeigen wollten, als kreativer Ausdruck des Volkes gefeiert wurde.
Dummerweise fügt sich Dummheit nicht der binären Logik. Es gibt gleitende Übergänge, wie bedauert wird, und natürlich ist Blödheit auch eine Frage der Interpretation. Ein dummer Filter wird auch Ironie nicht erkennen können. Die Dummheit des Inhalts könne man so nicht erfassen, sondern nur die dumme Form, erklären auch die beiden tapferen Streiter. Aber da Form und Inhalt miteinander zu tun haben, lässt sich über die Form auch ein guter Teil der dämlichen Inhalte erkennen.
Man wird also nur die Spitze des Eisbergs abtragen und in den Orkus ausblenden können. Aber auch ein Anfang ist ja schon was, wodurch allerdings das Internet wieder den Zerfall in die Kulturen und Schichten wiederholen würde, der auch im wirklichen Leben existiert, wo man sich am liebsten unter Seinesgleichen in Stadtvierteln, Kneipen oder Events aufhält.
Der Filter soll schließlich als Plugin für Firefox oder Wordpress und überhaupt für Blogs und Wikis verfügbar sein. Wenn man die Dummheit, die sich überall im Mitmachnetz wie in den Massenmedien aufdrängt, nicht mehr sehen und lesen muss, zieht womöglich wieder Kultur in das Internet just in einer Zeit ein, in der alle Medien krampfhaft nach der Beteiligung der dummen Massen und nach der Integration des heiligen, weil basisdemokratischen und massenfreundlichen benutzergenerierten Content gieren.
Aber wenn selbst altehrwürdige Flaggschiffe des Medienkonservatismus wie die FAZ (4) endlich zur Web 2.0-Dummheitskultur überwechseln, um nicht als hoffnungslos veraltet zu gelten, ist der Höhepunkt des Hypes wahrscheinlich schon längst überschritten. Schick wird nun, was gefiltert, wie der Zugang zu einer Edeldisko, nur einer bestimmten Klientel mit ausgewiesener Kultur und entsprechenden Umgangs- und Kommunikationsformen offen steht. Nicht Masse, sondern Klasse. Dabei fallen allerdings auch all die dümmlichen Heroen der Aufmerksamkeitsökonomie, die Stars und Prominenten, aus dem neuen Kulturadel heraus.
Erwartbar wäre, dass mit dem Dummheitsfilter auch das übliche digitale Wettrüsten beginnt, also man versucht, den Filter zu überwinden, wodurch neue Abwehrmaßnahmen entstehen. Macht nichts, sagen die Filterentwickler. Zwar wäre es möglich, einen dämlichen Kommentar mit einem großen Zitat durch Copy&Paste beispielsweise aus den Texten vom Project Gutenberg zu verbergen, aber die meisten Dummen wären dazu doch zu faul.
LINKS
(1) http://www.stupidfilter.org/main/index.php
(2) http://www.catb.org/~esr/jargon/html/S/September-that-never-ended.html
(3) http://groups.google.ca/group/alt.folklore.computers/msg/4bd75d223b992e8d
(4) http://faz.de/
Telepolis Artikel-URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26651/1.html
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