Aus der Süddeutschen...Weiße Weihnachten: Harald Schmidt kommt wieder
Einen Tag vor Heiligabend beginnt der Entertainer wieder – in der ARD.
Von Hans-Jürgen Jakobs
Es schien ein allzu frommer Wunsch zu sein. Harald Schmidt ins Erste Programm zur ARD zu holen, das sei sein Ziel, verkündete NDR-Intendant Jobst Plog Ende Dezember 2002: „Ich fände es ausgezeichnet, wenn er eines Tages zu uns käme.“ Damals stand der Jurist kurz vor dem Antritt als ARD-Vorsitzender, eine Funktion, die in dem öffentlich–rechtlichen Senderverbund auf zwei Jahre begrenzt ist.
Weihnachten sei doch schon vorbei, höhnten aus Berlin die Manager des Privatsenders Sat 1 und versicherten, es gebe wirklich keine Absicht, den populären Late-Night-Talker gehen zu lassen. Damals sorgte Schmidt für gutes Image bei Sat 1 – doch nach Führungsintrigen der hässlichen Art räumte der Fernsehsatiriker dort das Feld. Am 23.Dezember 2003 lief seine Harald Schmidt Show nach acht Jahren zum letzten Mal auf jenem Privatkanal, der ja nach eigenem Werbeslogan alles zeigen will. Schmidt hängte das Bild von Michel Friedman in die Galerie der „Lieblinge des Jahres“ und ließ den „Werks-Chor“ seiner Show das geeignete Schlusslied singen: White Christmas.
Ja, ist denn schon Weihnachten? Am 23. Dezember, in weniger als acht Wochen und genau ein Jahr nach dem TV-Abschied von Sat 1, wird Harald Schmidt nach SZ-Informationen ins deutsche Fernsehen zuückkehren – in die ARD, so wie es Senderchef Plog einst thematisiert hatte. Der Mann aus Hamburg hält schon seit einigen Jahren engen Kontakt zum Künstler Schmidt, der in der ersten Hälfte der neunziger Jahre mit Formaten wie Schmidteinander im Ersten begeisterte. Nun, nach einer monatelangen kreativen Pause Schmidts, hat Plogs Werben wohl Erfolg.
Noch sind offenbar alle Verträge nicht unterschrieben. Aber von einem Comeback im Ersten ist auszugehen, wenn man sich im Umfeld von ARD und Schmidt umhört. Der Start zum gleichen Datum, zu dem Schmidt seinen Abschied bei Sat1 zelebrierte, das hat einen gewissen Charme. Deshalb soll offenbar diese erste Sendung, an einem Donnerstag, dem Tag vor Heiligabend, vom NDR produziert werden. Schließlich hat der NDR-Intendant den Coup zustande gebracht und Schmidt zurückgeholt. Er beschert der ARD gute Schlagzeilen.
Im kommenden Jahr soll der Komiker und Schauspieler regelmäßig mittwochs und donnerstags im Ersten zu sehen sein. Sein Einsatz ist für 23 Uhr terminiert – nach Anne Will, Ulrich Wickert und dem Wetter kommt dann also an zwei Tagen in der Woche Harald Schmidt. ARD-Programmdirektor Günter Struve freut sich dem Vernehmen nach schon auf eine attraktive 23-Uhr-Leiste: Montags Reinhold Beckmann, der Introspektions-Inspektor, dem keine Seelenlage unentdeckt bleibt; dienstags die menschliche Sandra Maischberger, die auch Zwetschgen-Kuchen zu ihren netten Plauderrunden servieren könnte; und mittwochs sowie donnerstags dann die Lästereien und Ungeheuerlichkeiten des Harald Schmidt.
Er wird das machen, was er in den vergangenen Jahren immer gemacht hat: aktuell-komische Kommentierungen, kulturelle Ausflüge, Reden mit Gästen und anderen Comedians.
Über die genauen Zuteilungen wird noch geredet, ist in der ARD zu hören. Sicher ist nur, dass Schmidt zusammen mit seinem Freund Fred Kogel, dem Chef der Filmfirma Constantin, produzieren wird. Die beiden zeigten sich bei der Premiere des Constantin-Films Der Untergang strahlend den Fotografen.
Als er Sat1-Chef war, hatte Kogel seinerzeit den Entertainer geholt – und ihn anfangs gegen viele Widerstände im Programm des Privatsenders gelassen. „Dirty Harry“ tauften sie ihn in der Boulevardpresse und kritisierten seine derben Polen-Witze. Schmidt, der einst Geschmähte, vollzog viele Wandlungen. Zu Beginn wirkte er noch wie der Versuch, den amerikanischen Talkmaster David Letterman zu klonen, in späteren Jahren fand der Nachtarbeiter zu seinem eigenen Stil – und wurde zur Ikone der Intellektuellen. 100.00 Euro pro Folge zahlte der Sender für die Show an Schmidts Kölner Produktionsfirma Bonito, für den Moderator blieben 40.000 Euro Gage.
Nach dem lärmigen Ende bei Sat1, wo Schmidt den neuen Eigentümer Haim Saban und dessen Helfer düpierte, hielt es der 47-Jährige erst einmal mit Reisen und Relaxen. Als die 100. Sendung von Verstehen Sie Spaß? gefeiert wurde, meldete sich der Urlauber per Video – er war mit Gurkenmaske zu sehen. Schmidt tauchte zu Spielen des FC Bayern München im Fußballstadion auf, er gab kabarettistische Vorstellungen in 18 Städten, las im Kölner Literaturhaus aus Der Fänger im Roggen vor, schauspielerte für den aktuellen Helmut-Dietl-Film Vom Suchen und Finden der Liebe, sagte zu als Senator Helmut Schmidt für den RTL-Ereigniszweiteiler Die Sturmflut und setzte sich zu einem längeren Welt-Trip ab. Sein gehobenes Personalchef-Outfit (Boss-Anzüge, Kurzhaar-Schnitt) war zuletzt einem Bohemien-Stil gewichen: Die grauen Haare trug er nun, seitlich gescheitelt, sehr lang. Die letzten gemeldeten Stationen waren New York und Neuseeland. Mit dabei: die Familie. Seine Lebensgefährtin, eine Lehrerin, unterrichtet in diesen Ferien die zwei Kinder. Mit ARD-Chef Plog hat der Globetrotter offenbar fernmündlich eine verbindliche Verabredung getroffen.
In Köln laufen bereits die Vorbereitungen für den Neu-Start. Mit Schmidts Geschäftsführerin Sigrid Korbmacher ist alles in großen Zügen besprochen; sie hat in den letzten Monaten über Bonito TV gewacht, die Kaya Yanars Comedy-Show Was guckst Du?! für Sat1 fertigt. Im ersten Stock des Bonito-Gebäudes ist ein neues Studio für rund 130 Zuschauer entstanden. Eine neue GmbH soll auch schon angeschoben sein.
Ja, und wenn die ARD in einigen Wochen ein Jubiläum von Schmidteinander feiert, dann wird das legendäre Paar Herbert Feuerstein und Harald Schmidt wohl auch wieder zu sehen sein. Schmidt, einst Kabarettist im Düsseldorfer Kom(m)ödchen, ist zurück bei seinen Fernsehanfängen.
Und das zu Weihnachten. White Christmas, bitte.
(Süddeutsche Zeitung vom 30.10.2004)