Letzte Bearbeitung am 07-Aug-08 um 20:10 Uhr ()
Ich war von Sonntag bis heute (Rückfahrt) mal wieder ein paar Tage in der Lüneburger Heide, die "Traditionstour", die Oma und Opa seit meiner Schulzeit jeden Sommer mit mir unternehmen. Dieses Jahr war es das 16. Mal, mit neuer Pension und einem neuen Programmpunkt - gestern stand das "Sport- und Freizeitbad Fritz Piaskowski" in Bremen-Vegesack auf dem Plan.Die Fahrt von Düshorn/Walsrode, dem Ort unserer Pension, nach Bremen verlief relativ reibungslos, nach ca. 1 1/2h waren wir da. Merke: Auch Navigationssysteme können mal falsch liegen - nach der Autobahnabfahrt in Vegesack zeigte das Display den Richtungspfeil als "Geradeaus" an, die Fahrlinie ging nach links und die Navigations-Uschi sagte "rechts halten". Die Chance, den richtigen Abzweig zu nehmen, stand 1:3 und wir waren falsch. Aber nach der nächsten Wendemöglichkeit ging alles glatt.
Von außen präsentiert sich das Bad im feinsten "Ich bin eine Schwimmhalle aus den 70ern/frühen 80ern"-Stil - Bornheim (siehe Tagesbericht von flyer) lässt grüßen, bis auf die Vogel-Aufkleber an den Fenstern. Also erwartete ich auch vom Bad selbst ein "hässliches Entlein", welches mit kleinen Mitteln liebevoll in einen schönen Schwan verwandelt wurde.
Die Eingangshalle war modern, hiervon habe ich kein Foto. Nachdem man die Tageskarte zum äußerst günstigen Preis von 3,80 Euro gelöst hat, bekommt man so ein allseits bekanntes Papierkärtchen mit Barcode drauf, welches auch zum Freischalten des Garderobeschrankes gebraucht wird. Darüber hinaus kann man gegen 1 Euro Pfand Wertsachen in besondere Schließfächer im Eingangsbereich einschließen.
Nach dem Eingangsdrehkreuz gabelt sich der Weg, nach links kommt man ins Freibad, geradeaus in den Umkleidebereich. Von dieser Stelle aus kann man schon die beiden Rutschen sehen, die sehr unscheinbar und "normal" wirken, mich aber sehr überrascht haben, dazu aber später mehr.
Der Umkleidebereich, von dem ich auch keine Fotos habe, lässt wieder das typische "Ich bin sehr alt"-Flair aufkommen. Der Boden ist mit weißen kleinen Kacheln gefliest, die Schränke sind aus gelb angestrichenem Blech und wo noch Reste von Typenschildern zu sehen sind, zeigen diese vierstellige Postleitzahlen.
Nachdem man sich also umgezogen hat, kommt man durch sehr verwinkelte Gänge entweder direkt ins Bad (nicht sehr gut - so gehen viele Badegäste ohne vorherige gründliche Dusche ins Wasser) oder in den sehr sauberen und ordentlichen Duschraum. Die Duschen lassen sich nicht in der Wärme regulieren, sondern spucken immer relativ warmes Wasser aus - schätzungsweise um die 30°C.
Von hier aus kommt man in einen Gang, der durch zwei Türen getrennt rechts in die Schwimmhalle und links in den Erlebnisbereich führt.
Das Bad wurde in den 1990er Jahren gründlich renoviert, deshalb besteht das Schwimmerbecken aus Edelstahl. Es ist 25m lang und besitzt 6 Bahnen. Eine Bahn war gesperrt, weil momentan ein Intensiv-Schwimmkurs für Kinder stattfindet, und die Kursteilnehmer trainieren dort. Am vorderen Ende bringt ein Einsatz (es war nicht zu erkennen, ob es ein Hubboden ist) die Wassertiefe auf ca. 1,20m, ab der Hälfte werden es dann die üblichen 1,80. Am anderen Ende fällt es auf 3,80m ab, hier befinden sich die Startblöcke sowie ein 1m-Federsprungbrett und ein 3m-Turm, der leider gesperrt war.
Der Raum selbst sieht noch typisch nach Schwimmhalle aus. Das ist aber auch unerheblich, denn eine Schwimmhalle muss nicht zwingend schön aussehen.
Etwas abgelegen befindet sich noch ein kleines rechteckiges Nichtschwimmerbecken ohne Wasserattraktionen, von dem ich keine Fotos habe, weil dort ganz viele Kinder herumplanschten und ich unweigerlich einige davon direkt fotografiert bzw. es so ausgesehen hätte.
Doch begeben wir uns auf die andere Seite des Bades - den Anbau. Hier spielt die eigentliche Musik im Piaskowski-Bad, was "spaßbaden" angeht.
Der Anbau besteht aus einer Art Wintergarten mit Glaswänden und einem UV-durchlässigen Foliendach. Dem Badegast präsentiert sich hier das schätzungsweise kleinste Erlebnisbecken Deutschlands. Doch trotz der geringen Größe hat man das Becken mit allem vollgestopft, was hinein gehört. Es gibt Sprudelliegen am Rand, einen kleinen, schwachen Strömungskanal, eine liebevoll angelegte Felsengrotte mit entgegengesetzter Kreis-Strömung, Massage-Sitze und zwei Wasserkanonen. Lediglich einen Bodensprudler vermisst man, aber vermutlich nur, weil er technisch bedingt nicht mehr hineingepasst hat
Dieses Erlebnisbecken kann es durchaus mit seinen großen Geschwistern aufnehmen.
Hier noch eine andere Ansicht. Vorn links befindet sich das Kleinkinderplanschbecken, welches hier ebenfalls kleiner ausgefallen ist, als in den anderen Bädern. Es gibt hier eine kleine Rutschbahn und eine Fontäne.
Da das Wetter gestern in Bremen sehr durchwachsen war, war ich wenig draußen, aber für ein paar Fotos hat es gereicht.
Draußen ist es etwas geräumiger. Hier gibt es ein riesengroßes Freibecken mit einer aufblasbaren Gummikrake und einer Breitrutsche. Diese kann man vergessen, sie ist sehr kurz und langsam. Das Wasser ist hier entweder nicht oder nur sehr schwach beheizt, mir war es etwas kalt.
Eine andere Ansicht. Links sieht man die 25m-Schwimmbahnen, rechts fängt der Nichtschwimmerbereich an.
Einen kleinen Kinderspielplatz hat es hier auch, ein Sandkasten mit ein paar Schaukeltieren.
Das Kleinkinderbecken im Außenbereich ist etwas geräumiger als das drinnen. Ob das rote Nashorn mit den rosa Elefanten befreundet ist?
Das Bad besitzt auch ein Solebecken, welches extra kostet und gestern für normale Badegäste nicht zugänglich war. Es fand hier ein geschlossenes Kursprogramm, vermutlich im Rahmen einer Kur, statt. Man konnte durch die Glaswände viele Personen jenseits der 50 sehen, wie diese Wassergymnastik und andere Übungen im Salzwasser gemacht haben. An Tagen, an denen es für alle freigegeben ist, kostet die Tageskarte für Bad und Sole 5,90 Euro.
Die Gastronomie ist ebenfalls nur im Kleinformat vorhanden. Es gibt einen Kiosk, der zu den üblichen Preisen das übliche Fast Food anbietet - Bratwurst, Boulette, Currywurst, Pommes Frites, verschiedene Salate, verschiedene Pizzen, belegte Baguettes, Crêpes, die Softdrinks der Coca-Cola-Familie, O- und A-Saft sowie eine Menge Süßigkeiten. Die Bedienung war allerdings vermutlich im vorigen Leben eine Schnecke. Eigentlich sollte man sich an den Kiosk stellen, eine Kamera war dorthin gerichtet, so dass die Bedienung das im Aufenthaltsraum sieht. Diese ließ sich jedoch erst eine Viertelstunde später blicken. Die Zubereitung der Speisen dauerte ca. 20min, das ist bei Pommes Frites und Currywurst gerade noch akzeptabel. An der Qualität der Speisen ist nichts auszusetzen, der Salat war frisch, die Pommes Frites einigermaßen knusprig, die Currywurst relativ groß und nach Berliner Art (also Currywurst und nicht Bratwurst mit 'ner anderen Soße). Die Preise waren auch OK, wie schon geschrieben auf dem Niveau anderer Erlebnisbäder. Genaue Zahlen weiß ich nicht mehr, bei einem Familienausflug zahlt (Mutti|Oma)
Das beste habe ich mir für den Schluss aufgehoben - die Rutschen.
Es gibt derer zwei, der Landebereich befindet sich direkt neben dem Erlebnisbecken. Wer nun denkt, dass die Größe und der Charakter der Rutschen dem Bad angepasst wurde, der täuscht sich gewaltig.
Als ich diese das erste Mal sah (siehe Bild oben), war ich ein wenig enttäuscht. Die Turborutsche sah mir sehr flach aus, und die blaue Rutsche langweilig und "Standard". Ein bisschen links, ein Kreisel rechts mit wenig Gefälle, ein Jump, der sicher kaum zur Geltung kommt, eine Kurve nach links und fertig.
Umso mehr lachte ich, als ich die Hinweistafeln sah. Die blaue sollte Schwierigkeitsgrad "ROT" (Mittel) haben, die rote "SCHWARZ" (Schwierig). Das kam mir reichlich übertrieben vor. Doch die Längen- und Höhenangabe versöhnte dann wieder. Die 65 Meter der blauen Rutsche sollten auf 8,6m Höhenunterschierschied absolviert werden, die 54m lange Turborutsche startete gar aus knappen 12m! Natürlich sind das keine 68m auf 23m oder 38m auf 14m, aber es ließ einen Wolf im Schafspelz vermuten.
Die blaue Rutsche
Sie wurde als "Black Hole" angegeben, die Webseite schrieb auch "Sternenhimmel und Blitzeffekte". Doch davon war nicht viel zu sehen. Lediglich im Kreisel gibt es ein ca. 20m langes dunkles Stück, auf der Außenwand sind auch Lampen für den Sternenhimmel montiert, die ich aber nicht erkannt habe, da die Lichtschutzfarbe schon abbröckelte und das Tageslicht teilweise hinein ließ. Der Blitzeffekt war dann ein einziger im Jump angebrachter Stroboskopblitzer mit einer Blitzfrequenz von 1/s. Eine Black Hole ist das nicht.
Nichtsdestotrotz baut die Bahn gut Speed auf. Die erste langgezogene Linkskehre hat ein etwas steileres Gefälle, die Röhre besitzt keine Quernaht, so dass man hier mit der richtigen Technik einiges an Fahrt aufnimmt - und am Jump nach dem Kreisel Airtime bekommt! Man hebt von der Rutschenfläche ab und kommt erst am Ende des Jumps wieder auf, wo die zweite langgezogene Linkskehre anfängt. Den letzten Höhenmeter baut man dann über einen weiteren Jump ab (ohne Airtime), auf den sofort das Fangbecken folgt. Diese Rutschbahn hat mich trotz der schlecht funktionierenden Lichteffekte sehr überrascht und kann als kleine, feine Spaßmaschine angesehen werden. Ich gebe ihr 4/5 Punkten - einen Abzug wegen der Lichteffekte.
Die rote Speed-Rutsche
"Roten Blitz" könnte man sie auch nennen, die flach und langsam anmutende Turborutsche, die es aber in sich hat. Ohne Drehkreuz, lediglich mit lichtschrankengesteuerter Ampel geht es hier herab - diese Regelung ist wohl für ein deutsches Bad einmalig.
Es folgt am Anfang ein Stück mit steilerem Gefälle, ein kleiner Knick nach links, dann eine sehr lange, flache Gerade. Hier merkt man förmlich, wie man immer und immer schneller wird, die Verbindungsnähte flutschen immer schneller unter den Hacken und Schulterblättern hinweg (sind aber nicht unangenehm). Dann- die Kurve. Ein Stück lichtundurchlässig, dann Daylight-Streifen. Der "Zeittunnel-Effekt" verstärkt den Eindruck der Geschwindigkeit noch, und die enge Röhre erst recht. Der Kurvenradius ist relativ gering gehalten, so dass die G-Kräfte sehr stark werden. Man hat Mühe, in der Hohlkreuz-Stellung zu bleiben - es drückt einen immer wieder in die Bahn. Ich bin beim Kurvenstart fast immer durchgesackt.
Danach - eine gerade, lichtundurchlässige Stelle ohne Gefälle, ca. 3-4m lang, dann das Fangbecken. Hallo, ihr da in Peine und im Tropical Islands: SO baut man einen Auslauf einer Turborutsche! SO knallt man im Fangbecken nicht überall gegen! SO stößt man sich _NICHT_ alles, was man sich stoßen kann! Volle 5/5 für diese Rutschbahn. Platz 3 hinter der im Tropical Islands und der in Peine, von der "Schmerzfreundlichkeit" her gesehen allerdings locker auf Platz 1.
Beide Rutschbahnen sind von Hartwigsen und als Baujahr ist 2006 angegeben. Für die Turbo stimmt das, die blaue hat es aber wohl schon früher gegeben (seit Existenz des Anbaus?), hier hat Hartwigsen nur den Umbau von Plumpsauslauf auf Fangbecken gemacht. Von wem die Bahn ursprünglich war, weiß ich aber nicht, ich schätze, SGGT/FGGT.
Ein Video der beiden Rutschen: (nicht die beste Qualität, aber ich denke, man erkennt was)
http://www.youtube.com/watch?v=hHFWkOAVlzU
Fazit: Ein kleines Bad, dem man das Alter teilweise ansieht. Man hat aber viel Mühe hinein gesteckt, dem Bädchen eine Frischzellenkur zu verpassen und das ist gelungen. Allein für die beiden sehr guten Rutschen lohnt sich die Fahrt, also Rutschenfans: Das Bad auf die To-Do-Liste packen!
Atmosphäre und Publikum ist gut, zu späterer Stunde kamen ein paar "Eraser/FX/whatever-Prolls", aber nach diversen Ermahnungen seitens des Schwimmbadpersonals benahmen auch diese sich einigermaßen. Es war wenigstens nicht so schlimm wie im Celler Badeland.
An Attraktionen und Schwimm-Möglichkeiten ist alles da, was man von einem üblichen kleinen Erlebnisbad erwartet.
Ich schätze, das Piaskowski-Bad befindet sich in guter Gesellschaft mit dem Panoramabad in Bornheim, von den Fotos her konnte ich bei meinem Besuch eine gewisse Seelenverwandtschaft erkennen, auch wenn in Bornheim die Anbauten schöner aussehen. Dafür gibt es hier keine Vogelaufkleber an den Wänden