oder: Was sind schon 100 Meter?
Fast nichts ist interessanter als das Rauschen im Internet, wenn sich die Wintersaison dem Ende neigt, und es den mehr oder weniger interessierten Freizeitparkfan langsam aber sich wieder vor die Tür drängt. Die Neuheiten-Ankündigungen der Parks liegen auf dem Tisch, die Konzeptzeichnungen haben den Weg durch das europäische Netzwerk der Fanwelt genommen, und bei diesem Weg durch das "Stille Post Prinzip" einiges an "kreativem Eigenspin" entwickelt. Gewürzt mit einer Prise Marketingkönnen oder -nichtkönnen des präsentierenden Parks entwickeln sich vor jeder Saison einige "burning points" die diese "coaster nuts" eben früher oder später in ihre Kalender als "must see" schreiben.
Je früher auf dem Kalender, desto dringender wichtig
Dabei redet nicht mal jeder zweite der "Freizeitparkfans und Rollercoasterenthusiasten" wirklich bewußt von "burning points" - also Punkte des besonderen Interesses - oder anderem "denglisertem Quatsch", doch die Faktensammlungen, die Pressemitteilungen, die oftmals üppigen Baufotos und die Möglichkeiten Meinungen auszutauschen und miteinander zu vergleichen sorgen schon früh in der (Vor-)Saison für Stoff zu Diskussionen, führen zu so genannten "Events" der Fanclubs und sicherlich auch für einen frühen Jahresentwurf im Urlaubskalender manches organisierten Fans. Das dabei gerne Meinungen entworfen werden, bevor Fakten geschaffen werden konnten, gehört dabei genauso mit zu den ungeschriebenen Regeln, wie das fällige "aber ich probiers halt mal aus..."
(c) hepa @ web
Und ganz früh schreien sie am liebsten...
Ganz nach vorne gespielt hat sich in jedem Fall dieses Jahr eine Attraktion, die in ihrer Art angeblich nichts Besonderes mehr ist ist. Oder doch?! Das war eine der polarisiertesten Diskussionen, die in der "Offseason" in der "Fanszene" geführt wurden. Zumindest, was den deutschprachigen Bereich betrifft. Die Rede ist von "Scream", dem neuen "Gyro Drop Tower" im Heide-Park - umgebaut aus einem ehemaligen Panoramaturm- der so nun nach eigenen Aussagen der höchste der Welt ist. Genau diese Aussage, bzw der Weg zu dieser Aussage war Mitte der Vorsaison ein heftiger Streitpunkt. Darf man eine Höhe von rund 100 Metern aus rund 70 Meter Turm und 30 Meter Antenne bilden? Oder rechnet man zu eben jenen 70 Metern die gut 30 Meter Höhenunterschied hinzu, die daraus entstehen, dass "Scream" am höchsten Punkt im Park - einem bereits früher künstlich aufgeschütteten Hügel - errichtet wurde? Eines sei verraten, auf maximaler Aussichtshöhe auf Scream macht das alles überhaupt keinen Unterschied mehr...
(c) maaahzel @ fpw.de
Verdammt weit reicht der Blick
Egal wie, es müssen doch irgendwie einhundert Meter sein. Auf jeden Fall fühlt es sich so an, wenn die Gondel langsam rotierend ihre Ausklinkpostion "tatsächliche" 72 Meter über der Station, und über 100 Meter über der Lüneburger Heide einnimmt. Der Weg nach oben eröffnet einen grandiosen, aber irgendwie bekannten Ausblick. Noch vor Jahresfrist erreichte man die gleiche Postion auf dem gleichen Turm - allerdings nicht in dem schön offenen und mit Schulterbügeln gesicherten Fahrgastträger des neuen Freefalltowers, sondern auf den gelben Sitzen des ehemaligen, ruhigen Aussichtsturms. Nur heute ist der Weg nach unten weit beschwerlicher, schneller, aufregender und nicht von Reinhard Mey begleitet...
(c) EGF FREAK @ fpw.de
Und nun: SCHREI!
Die Gedanken auf dem Weg nach oben sind sicherlich verschieden, die auf dem Weg nach unten aber wohl immer dieselben: Ich falle! Bei manchem mag sich noch der Gedanke regen: "...und ich falle verdammt lange". Spätestens jetzt denkt der screamende Besucher nicht mehr über 100 Meter und wie sie zustande kamen nach, sondern sortiert mehr oder weniger bewußt die Einzelheiten, die er/sie in den letzten Minuten wahrgenommen hat: das donnernde Windrauschen in der Warteschlange, wenn mal wieder eine "Fuhre" gen Erde rauscht und in der Station für mächtig Wirbel sorgt. An die Musik, die das Unterbewußtsein denken läßt, dass nun das letzte Stündlein geschlagen hat. An die riesigen knarzenden Zahnräder um die Station, die den Eindruck erwecken, sie würden für die Bewegung nach oben sorgen. Und an die spitzen Schreie, die seit neuestem durch die Heide schallen. Und an diesen Fall...
(c) maaahzel @ fpw.de
Man muss das Rad nicht neu erfinden - nur geschickt präsentieren
Jeder dritte Deutsche gibt offen zu: ich habe Höhenangst. Und ca jeder zweite hat zumindest "Respekt vor ungewöhnlichen Höhen". Kein Wunder also, dass das Konzept "Freefall" oder auch Vertikalfahrt in Deutschland ein besonders offenes Publikum findet. Im Heide-Park findet der, der gerne mit seinen Ängsten spielt, neue Grenzen erfahren möchte, oder einfach Spaß an der Freude hat ein neues "Zuhause für einen Tag". Gerne gibt man dann nach der Adrenalindusche, die einem Bungeesprung in nichts nachsteht - zumindest wenn man diesen Höhenrespekt kennt - sich dann auch im angrenzeden Merchcandising-Shop dem Kaufrausch hin. Und bei Preisen von zB 8 Euro für ein wirklich tolles Basecap und einer breiten Auswahl an weiteren "Scream"-Artikeln fällt das wirklich nicht schwer...
Maaahzel sez:
Hinfahren, ausprobieren, eigene Meinung haben, eigene Meinung bilden, eigene Ängste überwinden, eigene Freude an dieser Attraktion haben..! Und immer Menschen mit "Scream"-Mützen grüßen...
mr
gone crazy - be back soon