Mickey Mouse erobert China
Auch in China Star der Kinder: Minnie MouseIm Disneyland Hongkongs kann man statt der Cola grünen Tee trinken, statt des Hamburgers Dim Sum essen und statt Schokoeis eine gefrorene Rote-Bohnen-Paste lutschen. Man kann die Geschichte von Tarzan im Baumhaus auf Chinesisch und Englisch lesen und sich von einem der Animateure auf Kantonesisch zu einer Dschungelbootfahrt einladen lassen. Aber die amerikanische Traumwelt ist noch nicht recht angekommen auf chinesischem Boden.
Seit der Eröffnung vor einem halben Jahr hat der idyllisch auf einer Insel gelegenene Disneypark Hongkongs mehr negative als positive Berichte hervorgerufen. Zuerst waren es chinesische Touristen, die unangenehm auffielen. „Keine Manieren“, klagten die Hongkonger, „unmögliches Benehmen“, schimpften die Hongkonger Zeitungen. Die Besucher vom chinesischen Festland kümmerten sich nicht um Vorschriften, drängelten und rauchten in Nichtraucherzonen. Kinder verrichteten ihr kleines Geschäft in den Grünflächen. Männer krempelten sich in der Hongkonger Hitze die Hosenbeine nach oben und rollten ihre Hemden bis unter die Achselhöhlen, wie sie das auch zu Hause tun, wenn es warm wird. Und nicht zuletzt: Die Besucher vom Festland waren laut.
Die schlechten Manieren der Festlandchinesen
Nun sind die schlechten Manieren der Festlandchinesen den Hongkongern schon lange ein Dorn im Auge. Doch hat man sich darüber nie zu laut beschwert, sind doch die Brüder und Schwestern aus dem Norden mittlerweile die größte Touristengruppe in Hongkong und bringen viel Geld in die „Sonderverwaltungsregion“. Der Aufruhr verebbte, chinesische Zeitungen riefen ihre Landsleute zu besserem Benehmen auf, und die Besucher vom Festland kommen weiter in Scharen.
Dann kam das chinesische Frühjahrsfest, das den Chinesen in Hongkong und auf dem Festland eine Woche Ferien und eine Reisewelle bringt. Disneys amerikanische Manager waren auf den Besucheransturm nicht vorbereitet. Zum Fest im Februar war der Park überfüllt. Massen von Menschen, die meisten vom Festland, drängten hinein und wurden abgewiesen, auch wenn sie Eintrittskarten hatten. Es kam zu einem kleinen Aufruhr, viele mußten enttäuscht abziehen. Das gab reichlich schlechte Werbung in China, wo sich solche Dinge schnell herumsprechen. Danach rollten Köpfe: Einige amerikanische Manager verließen den Traumpark, neue kamen. Für die Mai-Ferien entwarf man einen neuen Plan. Es wurden Eintrittskarten nur für einen Tag ausgestellt. Die Leute hatten aber wohl vom Chaos am Neujahrsfest gehört, denn der Andrang hielt sich in Grenzen, ebenso die Einnahmen für den Park, an dem die Hongkonger Stadtverwaltung mit 57 Prozent beteiligt ist und der zu Hongkongs größten Touristenattraktionen zählt.
Noch ein Disneypark
Disney beflügelt die Geschäftsleute und Funktionäre des Festlandes trotzdem. Viele chinesische Städte wollen einen Disneypark, und es sieht so aus, daß Schanghai bald das zweite chinesische Disneyland bauen wird. Schon droht dem neuen Disneyland in Hongkong die Konkurrenz aus dem Norden. Disney und die Stadtverwaltung Schanghais wiegeln ab: Das sei keine Konkurrenz, und China könne gut zwei Disneyparks vertragen. Auch die Hongkonger Verwaltung, die 23 Milliarden Hongkong-Dollar in Disneyland investiert hat, macht gute Miene zu der neuen Runde im nicht erklärten Wettbewerb zwischen Schanghai und Hongkong. Schließlich könne es noch bis zum Jahr 2010 dauern, bis der Park in Schanghai öffnet.
Dann findet in Schanghai die Weltausstellung statt. Während Stadtfunktionäre, Kinder und Comic-Fans sich auf ein zweites Disneyland freuen, bricht angesichts des Einzugs von Mickey und Co. auf dem chinesischen Festland eine Kulturdebatte aus, die es im weltoffenen Hongkong nicht gegeben hat. Chinesische Kommentatoren fragen: Wollen wir wirklich soviel amerikanische Kultur zulassen? Chinesische Autoren ereifern sich mit Verweis auf den Protest gegen das französische Disneyland über die amerikanische Unterhaltungskultur. Sie ziele auf Kinder und Jugendliche. Wenn China mit amerikanischer Kultur überschwemmt werde, gerate es in eine schwierige Lage. Warum könne man in Schanghai nicht einen Vergnügungspark mit chinesischen Charakteristika bauen?
Teure Mickey Mouse
Die Kulturdebatte hat die meisten festländischen Besucher von Hongkong-Disney noch nicht erreicht. Sie lassen sich unbeschwert und vergnügt mit Mickey und Goofy fotografieren und applaudieren den Shows. Was sie bekümmert, ist nur, daß alles so teuer ist. Die Andenken und Disney-Artikel seien unerschwinglich, klagen sie. Daheim im chinesischen Binnenland gibt es sie zu Spottpreisen. Als Raubkopie.
(c) FAZ, 2. Mai 2006 von Petra Kolonko
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