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Titel: "Michael Eisner im Spiegel zum Disneyland Paris im November 1993"     Vorheriger Beitrag | Nächster Beitrag
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Christian Ahuis

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Michael Eisner im Spiegel zum Disneyland Paris im November 1993
05-Jun-05, 11:06 Uhr ()
"Es grenzt an Wahnsinn"

Interview mit Disney-Chef Michael Eisner über den Flop von Euro-Disney und die Zukunft der Freizeitbranche

SPIEGEL: Herr Eisner, verfolgen Sie die Wetterberichte aus Paris zur Zeit mit besonderer Aufmerksamkeit?

Eisner: Wärmere Tage in Paris und kühlere in Los Angeles wären mir lieber. Keine Frage: 365 Tage schönes Wetter sind wünschenswerter als 200.

SPIEGEL: Weil sich jeder Tag mit schlechtem Wetter nachteilig auf die Euro-Disney-Aktien auswirkt?

Eisner: Die Börsenkurse und das Wetter haben miteinander überhaupt nichts zu tun. Euro-Disney wird 365 Tage im Jahr geöffnet bleiben. Vielleicht müssen wir mal einen Tag schließen, wenn in Paris ein Meter Schnee liegt.

SPIEGEL: Warum haben Sie sich mit Euro-Disney so dramatisch verkalkuliert?

Eisner: Was heißt verkalkuliert? Wir hatten im ersten Jahr sogar mehr Besucher als in der Anlaufphase anderer Disney-Vergnügungsparks. Euro-Disney ist ein Superhit.

SPIEGEL: Mit 900 Millionen Dollar Verlust für das vergangene Geschäftsjahr?

Eisner: Künstlerisch waren wir erfolgreich. Finanziell haben wir ein Problem. Wir haben die Rezession unterschätzt und den, im Vergleich zum Pfund, zu der Lira und der Peseta, starken Franc. Wir haben enorm viel Geld für Qualität ausgegeben und versucht, über die Preise die Kosten zu decken.

SPIEGEL: Euro-Disney gilt als zu teuer.

Eisner: Das ist der Eindruck. Es ist nicht einfach, dieses Image zu ändern. Über Preissenkungen für die Hotels und den Park selbst versuchen wir das jetzt zu korrigieren. Vielleicht hätten wir preiswerter starten müssen. Wenn die Leute erst einmal sehen, was wir zu bieten haben, beklagen sie sich nicht mehr über die Preise.

SPIEGEL: Tatsache ist: Sie brauchen neue Geldgeber.

Eisner: Wie die Umstrukturierung letztlich aussehen wird, ist noch offen. Was wir gebaut haben, konnten sich in diesem Jahrhundert nur Kirchen, Diktatoren oder Regierungen leisten, also jene, die keine Rücksicht auf die Kosten nehmen müssen. Wir als Aktiengesellschaft müssen aber Gewinne erwirtschaften und zugleich die Erwartungen unseres Publikums übertreffen. Beides zusammen - das ist die Kunst.

SPIEGEL: Vorerst ist es mißlungen - Sie haben die vorgesehene Erweiterung von Euro-Disney ad acta gelegt.

Eisner: Nicht zu den Akten, wohl aber verschoben. Zunächst einmal muß Euro-Disney finanziell stabilisiert werden. Ich kenne dieses Problem aus dem Filmgeschäft: Zuweilen läuft ein Film langsam an, die Kritiker zerreißen ihn, das Publikum lehnt ihn ab, und irgendwann wird er zum Erfolg. Fantasia zum Beispiel wurde erst verdammt, doch inzwischen ist er einer unserer Klassiker.

SPIEGEL: Die französische Regisseurin Ariane Mnouchkine und andere Intellektuelle haben Euro-Disney zum "kulturellen Tschernobyl" erklärt. Hat diese Kritik zum Mißerfolg beigetragen?

Eisner: Die Franzosen machen die Mehrheit unserer Besucher aus. Wenn Euro-Disney ein kulturelles Problem ist, dann ist die Kultur der gesamten westlichen Welt eines. Unsere Kultur hat ihre Wurzeln in der europäischen Kultur.

SPIEGEL: Wollen Sie etwa Mickey Mouse als europäisches Kulturgut preisen?

Eisner:Weder Mickey noch den Camembert. Ich fordere auch nicht die Amerikaner auf: Eßt nur noch Cheddarkäse aus Vermont. Das wäre reichlich dämlich. Die französische Kultur ist beeindruckend, ja sagenhaft. Aber die amerikanische Kultur ist gleichermaßen interessant. Ich bin stolz auf die kulturell-intellektuellen Produkte unseres Landes.

SPIEGEL: Welche denn?

Eisner: Unsere weltweit verbreiteten Nachrichtensendungen, Dokumentationen, Serien, Filme. Amerika ist nicht das Ödland der Mittelmäßigkeit. Viele Amerikaner sind nachdenklich. Nicht wenige der großen Maler und Schriftsteller dieses Jahrhunderts sind Amerikaner. Viele grandiose Fernsehfilme und Filmproduktionen waren made in Amerika. Wir interessieren uns für Kultur. Vor Jahren habe ich selbst einmal 17 Stunden in Oberammergau für Karten angestanden, um mir die Passionsspiele anzusehen.

SPIEGEL: Sie halten das US-Fernsehen für gut?

Eisner: Es ist das beste der Welt. Verbesserungen sind natürlich immer möglich. Aber um zu außerordentlich guten Produkten zu kommen, muß man auch außerordentlich schlechte akzeptieren. Wieviel große Meisterwerke zählen wir in der Kunstwelt? 300? 400? Das ist etwa die Anzahl an Filmen, die das Fernsehen in einer Woche anbietet. Folglich können Sie nicht erwarten, daß sich das Fernsehen ständig auf dem Niveau von Shakespeare oder Brecht bewegt.

SPIEGEL: Die Clinton-Regierung wäre schon zufrieden, wenn die Gewalt auf dem Bildschirm zurückginge, und will das notfalls per Gesetz erzwingen.

Eisner: Die Regierung scheint mir frustriert darüber, daß sie mit den wirklichen Problemen nicht fertig wird. Mit der Kriminalität in den Straßen, Rauschgift und Waffen. Die suchen nach einem Sündenbock. In den nahezu 30 Jahren, die ich in diesem Geschäft bin, habe ich niemals darüber nachgedacht, was die Regierung wohl über ein Produkt sagen wird. Noch nie hat mich jemand aus Washington oder auch nur ein Bürgermeister angerufen und versucht, Einfluß zu nehmen. Das darf es nicht geben.

SPIEGEL: Trotz der riesigen Verluste von Euro-Disney setzen Sie weiterhin auf Vergnügungsparks als Unterhaltungskonzept für die Zukunft. Bei Tokio plant Ihr Unternehmen Disney-Sea, in Orlando soll 1997 ein gigantischer Disney-Tierpark eröffnet werden und ein Jahr später bei Washington Disney's America mit Attraktionen aus der amerikanischen Geschichte.

Eisner: Wir glauben, daß wir damit richtig liegen. Je mehr Fernsehen, Videos und Computer die Menschen in ihren Wohnungen einbinden und Einfluß auf ihren Lifestyle nehmen, desto größer wird das Bedürfnis sein, dieser Einengung zu entkommen. Menschen sind soziale Wesen, sie suchen den Kontakt zu anderen Menschen. Wir bieten ihnen saubere Unterhaltung, das ist unser Leitmotiv.

SPIEGEL: Nicht nur Ihres. In Las Vegas entstand soeben für 450 Millionen Dollar ein Treasure-Island-Vergnügungszentrum. Hotelketten bieten feuerspeiende Vulkane, gigantische Pyramiden und weiße Tiger.

Eisner: Zweifellos haben die in Las Vegas manches von uns kopiert. Ich habe mir die Sache persönlich angesehen. Das erinnert mich alles ein wenig an Sodom und Gomorrha, aber die können auch Glücksspiele als zusätzliche Attraktion anbieten und sind somit außerordentlich erfolgreich. Das ist wirkliche Konkurrenz.

SPIEGEL: Stören Sie auch jene Freizeitparks, die Virtual Reality anbieten, eine sinnlich erfahrbare Computerwelt?

Eisner: Alles ist Konkurrenz: Film, Theater, Bücher, Fernsehen. Deshalb müssen wir bei der Technologie ganz vorn mit dabeisein. Falls es Virtual Reality in größerem Ausmaß geben sollte, dann wird das Beste bei Disney geboten werden und nicht in irgendeinem Shopping Center oder in Las Vegas.

SPIEGEL: In Hollywood wächst die Sorge über den zunehmenden Einfluß japanischer Financiers. Selbst Disney akzeptiert für einige Produktionen die Yen von japanischen Versicherungsunternehmen und Banken.

Eisner: Wer sich wegen der Japaner beunruhigt, macht sich Sorgen um nichtexistierende Schatten. Nicht sie, sondern die Europäer haben wirklich Einfluß auf die Filmindustrie in Hollywood. Die großen Regisseure, von Sergej Eisenstein bis Wolfgang Petersen, kommen aus Europa. Die Leute, die von Abgrenzung und Isolation reden, wissen nicht, was sie sagen. Die gesamte Unterhaltungsbranche ist inzwischen zu einer Weltgemeinde geworden.

SPIEGEL: Sind die Milliarden Dollar teuren Übernahmekriege um Kabelnetze, Sender und Filmgesellschaften wie jetzt um Paramount ein Indiz für die Zukunft - am Ende werden wenige Kommunikationsgiganten das gesamte Unterhaltungsgebiet kontrollieren?

Eisner: Je größer der Junge, desto größer das Spielzeug. Es grenzt irgendwie an Wahnsinn, was sich da abspielt. Aber im Filmgeschäft hat es immer wieder theatralische Menschen gegeben. Wir verhalten uns anders als die anderen. Wir konzentrieren uns auf das, was wir können: Fernsehen, Film, Vergnügungsparks und das Verlagsgeschäft. Über unsere Hefte machen wir die Kleinen mit Disney vertraut. Aber wir wollen die Welt weder verändern noch erobern. Wir wollen weder die Größten sein, noch den information highway kontrollieren und auch nicht an jedem privaten Fernsehsender in Frankreich, Spanien, Italien oder Deutschland Anteil erhalten. Die Menschen werden über immer mehr Freizeit verfügen . . .

SPIEGEL:. . . und trotz Fernsehen und Video nicht wissen, was sie damit anfangen sollen?

Eisner: Sie werden mehr reisen. Vorausgesetzt, daß die Welt sicher bleibt und wir die Waffen loswerden. Sie werden mehr ins Kino gehen, weil sie das Zappen zu Hause leid sind, und Freizeitparks und Sportarenen besuchen.

SPIEGEL: Die von Ihnen erworbene Profi-Eishockeymannschaft "Mighty Ducks" ist also kein Hobby des Aufsichtsratsvorsitzenden, sondern Geschäft?

Eisner: Sie haben es erraten. Auch Sport ist Unterhaltung .

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Quark


 
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1. RE: Michael Eisner im Spiegel zum Disneyland Paris im November 1993
08-Jun-05, 23:25 Uhr ()
Als Antwort auf Beitrag Nr. 0
 
Ihr koennt mir sagen, was Ihr wollt, aber: Der Mann weiss, wovon er redet. Und fuer 1993 sind das erstaunlich 2005-kompatible Aussagen. Sooo viel falsch gemacht hat er nun auch wieder nicht.

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