Hauptberuf: Schreckgespensthttp://www.ksta.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksArtikel&aid=1056381341854&openMenu=992279212953&calledPageId=995273546357&listid=1019767900381
Kinder schocken, Knöpfe drücken, Bahnen bremsen. Im Phantasialand wird hart gearbeitet, um die Gäste zu begeistern.
Man muss erst einen blutroten Samtvorhang in der Ecke zur Seite schieben, dann kommt eine kleine Tür zum Vorschein. In dem Raum dahinter stehen ein Tisch, zwei Stühle, eine Kleiderstange und ein riesiger Spiegel. Lange Gewänder und gruselige Masken hängen an der Stange und warten auf ihren Einsatz. Die Uhr zeigt kurz vor drei. Dimitar Ivanov steht auf und fängt an, sich umzuziehen. Er streift sich das Sweatshirt vom Leib, darüber kommt der Ledermantel mit dem braunen Fell und das Zepter in die Hand.
Währenddessen späht Kollegin Yoanne Marinova durch die Tür in Richtung Eingang. Mit listig glitzernden Augen kommt sie zurück und kichert: „Da kommen welche. Mach schnell!“ In Windeseile stülpt sie die Hexenmaske mit dem hässlichen Kinn und den vielen Warzen über und schlüpft in den Rock, der mehr aus Flicken und Lumpen als sonst etwas besteht. Schnell geht's ins Halbdunkel hinter die großen Burgtore des Mystery Castle.
Einige Jungs schlendern betont lässig hindurch. Sekunden später tut es einen ohrenbetäubenden Knall. Die Jungs hüpfen vor Schreck zwei Meter weiter. Schocker-Auftrag erfolgreich ausgeführt. Dimitar und Yoanne spielen Lindus, den Boss des Horror-Towers, und seine Begleiterin, die Hexe. Die beiden kommen aus Bulgarien und schocken die Besucher des Phantasialand schon seit mehr als zwei Jahren.
„Es macht einfach tierischen Spaß“, lacht Yoanne. „Die Leute machen immer einen auf total cool und abgeklärt. Wenn ich sie aber in meinem Kostüm erschrecke, zittert jeder.“ Dimitar fügt lachend hinzu: „Wenn sie dann an uns vorbei sind, schleicht jeder immer auf Zehenspitzen durch die Gänge. Hinter der nächsten Ecke könnte ja noch jemand von uns lauern.“ Diesmal bleibt es friedlich.
Kurz darauf stehe ich in einem riesigen Raum mit Sitzreihen an den Wänden. Ich überwinde meine Angst, presse mich in einen der Schalensitze und schließe den Bügel vor meiner Brust. Plötzlich wird es stockfinster. Mit einem lauten Zischen werden wir nach oben geschossen. 70 Meter in die Höhe. Dort oben schlägt der Magen Salto Mortale, hat aber keine Zeit, auf Applaus zu warten, denn in Nullkommanix geht's wieder runter. Ich beschließe, dass dies mein einziges Erlebnis im Mystery Castle bleibt.
Weiter geht's in den neuen Bereich Wuze-Town. Die drehenden Wagen der neuen Indoor-Spinning-Achterbahn haben es wirklich in sich. Über 1000 Meter an Kurven und Abhängen geht es mit bis zu 70 Stundenkilometer. Da ist klar, dass die Anlage auch gewartet und kontrolliert werden muss. Dort wo die Leute in die Wagen einsteigen, sitzen die Techniker und haben die gesamte Bahn immer im Blick. Peter Mader, Abteilungsleiter in „Wuze-Town“, erklärt: „Jeden Morgen noch vor Parköffnung lassen wir Leerwagen mit Gewichten durchfahren und testen die Bremsen. Tritt dort irgendeine Unregelmäßigkeit auf, beheben wir das Problem sofort.“ Auf den Monitoren vor ihm ist die ganze Bahn dargestellt - in Blöcke unterteilt. Mit vielen Knöpfen regeln Mader und seine Mitarbeiter den Verkehr.
Pro Tag rollen ungefähr 2800 Personen über das vertrackte Schienensystem. Als letztes, bevor es für die Besucher in das Wuze-Reich hineingeht, wird automatisch und manuell der Sitz der Bügel überprüft. Erst wenn die weiße Lampe leuchtet, drückt Mader auf den Startknopf, und auf der Bahn neben ihm schießt wieder ein Wagen in die Dunkelheit.
Dunkelheit ist ein gutes Stichwort für mein nächstes Ziel, die neue Rafting-Anlage „RiverQuest“. In mittelalterlich anmutenden Rundbooten werden die Besucher durch reißende Wasserströme und Stromschnellen geführt. Interessant zu beobachten sind die Familien, die unschlüssig vor solchen Attraktionen stehen und erst ein Auge auf die Besucher werfen, die aus dem Ausgang strömen. „Guck mal, wie nass die sind. Da gehn wir nicht drauf!“ Zum Glück ist es heute recht warm, also lasse ich mich nicht durch die nassen Hemden einiger Damen in den besten Jahren beirren, die kichernd aus den Booten stolpern.
Halt, vorher statte ich noch den Herren hinter den Kulissen, sprich hinter den Booten, einen kleinen Besuch ab. Heute sitzen Shimelis Iekollar und Patric Mai an den Knöpfen und Schaltern, die „RiverQuest“ steuern. Auch hier gelten höchste Sicherheitsvorkehrungen. Auf der ganzen Anlage sind 16 Kameras verteilt, neun davon werden den ganzen Tag über aufgezeichnet. Passiert auf einem Streckenabschnitt etwas, verkeilt sich etwa ein Boot oder bleibt ein Boot-Aufzug hängen, gibt es einen großen Not-Schalter, der unzählige kleine Haken auf der Bahn hochfahren lässt - alle Boote stoppen und die Techniker sehen nach dem Rechten.
Mai geht inzwischen regelmäßig seine „Geldrunde“, wie er es nennt. „Das Wasser scheint die Parkbesucher zum Geldwurf anzuspornen. Wir fischen täglich einiges an Geld heraus, besonders holländisches.“ Und scherzt gleich weiter: „Vielleicht hängen wir in Zukunft ja Boxen für Scheine auf.“ 1500 Kubikmeter Wasser wirbeln die Fahrgäste so richtig durch. Trocken verlässt kaum einer die Bahn, aber mit einem großen Strahlen im Gesicht.
Ein letztes Mal noch zolle ich den Klassikern „Silbermine“ und „Geister Rikscha“ Tribut, und vorbei an Alt-Berlin und dem Brandenburger Tor verlasse ich das „Land der Illusionen“. Ein dunkles Grollen begleitet mich auf dem Weg zum Auto. Aufgekratzt winken mir die großen Phantasialand-Figuren hinterher, die wegen des drohenden Gewitters einen Unterstand gesucht haben.