Ein ziemlich langes Interview, welches auf die sonst üblichen Fragen verzichtet. Aus persoenlich.com vom März 2004. Roland Mack ist Mitgründer und geschäftsführender Gesellschafter des Europa-Parks in Rust, nahe bei Freiburg im Breisgau. Der Themenpark zieht kurz vor seinem 30. Gründungsjubiläum mehr als 3,6 Millionen Besucher pro Jahr an und spielt in der gleichen Liga wie Disneys europäischer Vergnügungspark bei Paris - nur ist er ökonomisch erfolgreicher. Diesen Frühling eröffnet der Europa-Park ein neues Hotel mit verdoppelter Bettenzahl. Wie Mack das hingekriegt hat: nicht immer klotzen (nur manchmal), meistens kleckern (das aber kontinuierlich) und einmal gesetzte Ziele beharrlich verfolgen. Interview: Oliver Prange.
Persönlich: Ihr Unternehmen, der Europa-Park in Rust, wird im nächsten Jahr 30 Jahre alt. In welchen Phasen hat sich das Geschäft entwickelt? Kann man überhaupt verschiedene Phasen klar abgrenzen?
RM: "Am besten lässt sich sicher die Gründungsphase abgrenzen, es war schon eine Mutige Entscheidung, ausgerechnet an diesem Standort so viel Geld zu investieren. Wie sich herausstellte, war es auch eine ziemlich visionäre Entscheidung. Schwierig wurde es damals, als der wichtigste Partner, der das volle Risiko mittragen wollte, sechs Wochen vor der Eröffnung starb. Da sprangen nicht nur die Banken ab, sondern auch alle Kooperationspartner, die Gastronomie betreiben sollten - aus Angst um den betriebswirtschaftlichen Erfolg. Dann haben wir beschlossen, eben alles selber zu machen. Und darüber sind wir heute froh. Damals ging es aber um 25 Millionen Mark für ein Projekt, für das es, ausser in den USA, keine Vergleiche gab, an einem Standort, der als total unattraktiv galt."
Persönlich: Wie haben Sie es dann trotzdem geschafft?
RM: "Wir haben selbst an die Idee geglaubt, und wir konnten unsere Hausbank überzeugen. Mein Vater war damals 52 Jahre alt, ein erfolgreicher Unternehmer. In dem Alter fahren die meisten Menschen nach einem erfolgreichen Berufsleben ja schon langsam die Landeklappen aus. Und er ist nochmals so ein Wagnis eingegangen. Er wusste, dass seine Söhne dahinterstehen. Das Konzept war gut, es war teuer, wenn auch nicht so teuer, dass es unsere Firma umgerissen hätte. Aber wenn es nicht funktioniert hätte, wäre das nicht sehr lustig gewesen."
Persönlich: Und dann war es vom ersten Tag an ein Erfolg, mit 4000 Besuchern pro Tag. Wie erklären Sie sich das?
RM: "Wir hatten im ersten Jahr (halbe Saison) 250000 Besucher. Es war unser Glück, dass wir erst im Juli eröffnen konnten, genau in die Ferienzeit hinein. Das erste volle Geschäftsjahr brachte dann 630000 Besucher."
Persönlich: Wie ging es nach der erfolgreichen Startphase weiter?
"Wir hatten immer die Vision, etwas Neues zu machen. Bis zum Projekt Europa-Park hatten wir mobile, demontierbare Fahrgeschäfte gebaut und zählten damit zu den Marktleadern in Europa. Für die stationären Geschäfte brauchten wir eine komplett neue Produktpalette. Da haben wir dann stationäre Fahrbetriebe entwickelt - Einschienenbahnen, Transportsysteme, Stationäres eben. Wir wollten etwas anderes machen als das Oktoberfest oder eine Schweizer Chilbi. Unser Kunde muss im Durchschnitt 80 bis 100 Kilometer fahren; da kann man ihm nicht das Gleiche servieren, was er Zuhause auch finden kann. Deshalb genügten auf Dauer auch die stationären Fahrbetriebe nicht; wir wussten von Anfang an, dass wir einen Themenpark machen wollten. Deshalb der Name Europa-Park, deshalb auch 1981, sechs Jahre nach der Gründung, der erste 'Stadtteil' des Europa-Parks: Italien. Das hat uns deutlich weiter gebracht. Damals standen wir bei 1,2 Millionen Besuchern; mit Italien kamen wir dann auf 1,5 Millionen. Der Erfolg gründet sich auf die stationären Fahrbetriebe und auf die Themenarchitektur."
Persönlich: Warum haben Sie ausgerechnet die europäischen Nationen als Thema gewählt? Andere Themenparks machen das mit Märchen.
RM: "Das war ein langer Prozess. Dass es ein Themenpark sein sollte, wussten wir schon 1975, nur war das damals noch nicht umsetzbar. Bei einem Themenpark gehen 30 bis 40 Prozent der Investitionen in die Infrastruktur, und das Geld hatten wir am Anfang nicht. An diesem ungewöhnlichen Standort sollte etwas entstehen, was man in Zürich oder Frankfurt oder München nicht hat. Weil sich unser Standort im Dreiländereck Frankreich, Deutschland, Schweiz befand, lag das Thema Europa auf der Hand. So etwas gab es damals nicht, und so etwas gibt es bis heute an keinem anderen Ort. Das Konzept Europa-Park war also visionär und innovativ."
Persönlich: Im Unterschied zum Pariser Disneyland ist der Europa-Park weniger von sehr starken Figuren geprägt. Warum ist das so?
RM: "Vielleicht wäre es wirklich am besten gewesen, wenn Disney und Mack zusammen gegangen wären. Disney hätte die stark gebrandeten Comic-Figuren eingebracht und Mack die tollen Fahrbetriebe. Theoretisch wäre das eine ideale Kombination. Nun sind wir aber beide aus unterschiedlichen Richtungen an das gleiche Geschäft herangegangen und hatten am Schluss jeweils ein Produkt, das beide Elemente beinhaltet, mit unterschiedlichen Akzenten. Wir haben die besseren Fahrgeschäfte als Disney, ein grösseres und besseres Angebot. Und wir sind heute auch Lieferant für Disney."
Persönlich: Disneyland Europa hat erhebliche wirtschaftliche Probleme, Sie nicht. Was hätte Disney Paris von Ihnen lernen können?
RM: "Vielleicht haben wir mit dem Namen 'Europa-Park' eher den Geschmack der europäischen Kunden getroffen. Disney hat eine Firmenphilosophie nach Europa übertragen, die in Amerika entstanden ist und dort funktioniert hat. Hier hat es nicht sogleich funktioniert. Vielleicht hat man sich auch zu Beginn in der Grössenordnung vergriffen. Hätte man 1992 kleiner angefangen, wäre man heute vielleicht gleich gross, aber man hätte in der Zwischenzeit Geld verdient."
Persönlich: Der Europa-Park ist kontinuierlicher gewachsen. Wie muss man sich das vorstellen? Haben Sie einfach jedes Jahr eine Bahn gebaut oder ein Hotel, wenn es die Mittel erlaubten?
RM: "Wir haben nicht nur gebaut, was die Mittel gerade hergaben. Manchmal haben wir auch mehr Geld in die Hand genommen, um einen Markt zu generieren. Von 1975 bis Ende der Achtzigerjahre wurden wir meistens vom Erfolg weitergetragen. Aber dann haben wir auch wieder neue Akzente gesetzt. Zum Beispiel das Hotel. Das haben wir gemacht, als wir feststellten, dass sich der Park vom Tagesziel zum Kurzreiseziel entwickelte. Da gab es wieder viele Skeptiker, die uns vor dem 550-Betten-Hotel warnten. Und wir haben es aus dem Stand geschafft: Das Hotel war von Anfang an zu 86 Prozent belegt. Heute sind wir mit unseren bald drei Hotels, dem Tipidorf und dem Caravanplatz mit insgesamt 4128 Betten das grösste Resort in der Bundesrepublik. Ein Teil des Erfolgs gründet sicher darauf, dass die Familie, und vor allem mein Vater, eine Idee immer konsequent weitertreibt, niemals stehen bleibt. Das ist natürlich immer mit Risiken verbunden."
Persönlich: Worin bestehen denn die grossen Risiken?
RM: "Wir müssen bei dieser Dimension das Budget halten. Das neue Hotel kostet 45 Millionen Euro. Da müssen wir die Termine einhalten. Wir brauchen 295 kompetente neue Mitarbeiter, die wir hier am Ort nicht finden. Wir sind zwar auch international für die Jungen ein spannendes Unternehmen, aber wir müssen die Richtigen finden. Und dann muss das Ganze nachhaltig sein. 45 Millionen Euro in die Hand zu nehmen, ist die eine Sache; aber jetzt müssen wir uns jedes Jahr, eigentlich jeden Tag, neu aufstellen. Das ist die grosse Herausforderung, letztlich auch für meine Kinder. Die müssen nicht nur mit der Chance, sondern auch mit der Last fertig werden."
Persönlich: Haben Sie nicht manchmal Angst, dass das eine Modeerscheinung sein könnte? Dass Freizeitparks plötzlich nicht mehr gefragt sind?
RM: "Wenn ich Angst hätte, wäre ich ein schlechter Unternehmer. Ein Unternehmer heisst deshalb Unternehmer, weil er etwas unternimmt, weil er entscheidet, ohne alle Antworten zu kennen. Wenn wir dieses Spannungsverhältnis bewahren, dann verstehen wir auch die Marktwirtschaft. Dann verstehen wir, warum der eine erfolgreich ist und der andere nicht. Wenn wir mit dem Risiko nicht leben wollen, dann können wir auch über die Niederlage nicht nachdenken. Ich wäre ja dumm, wenn ich über solche Dinge nicht nachdenken würde. Man muss die Rahmenbedingungen genau studieren und das Feld so abstecken, dass möglichst wenig Risiko bleibt. Und dann braucht man auch noch Glück."
Persönlich: Inwiefern hat Ihr Erfolg damit zu tun, dass Sie selbst das Unternehmen verkörpern? Dass Sie Tag und Nacht engagiert sind?
RM: "Das spielt gewiss eine Rolle. Aber auch ich kann mich irren. Man muss immer aufpassen, dass man nicht leichtsinnig wird. Man muss seine Kernkompetenzen kennen. Wir machen nur Dinge, die wir auch beherrschen, die aber ganz konsequent. Was wir nicht beherrschen, halten wir zunächst einmal fern. Viele Unternehmer sind daran gescheitert, dass sie zu viel wollten. Friedrich Jahn hatte mit seinem Wienerwald in Deutschland einen Riesenerfolg und versuchte das dann auch in den USA. Damit hat er den ganzen Konzern kaputt gemacht. Ich bekomme fast jeden Tag eine Anfrage, unser Erfolgskonzept an einem anderen Standort zu wiederholen. Und dazu sagen wir seit 25 Jahren Nein. Wir haben unsere Produktionsfirma und den Europa-Park, und diese Chance nehmen wir wahr. Das ist zwar eine Risikoballung, aber nur so haben wir die Chance, das Produkt zu kontrollieren."
Persönlich: Hat das auch etwas mit Verwurzelung zu tun? Sie sprechen viel von Ihrem Vater, von der Familie, die schon seit Generationen in dieser Gegend Zuhause ist.
RM: "Wenn man so gross ins Geschäft geht wie Disney Paris, dann kann man das als Familienunternehmen nicht mehr schaffen und müsste sofort über die Börse nachdenken. Und dabei läuft es mir kalt den Rücken herunter. Ich würde mich nie als Vorstandsvorsitzender einer börsennotierten Gesellschaft sehen. Wir sind ein Familienunternehmen und bewegen uns im Rahmen dieser Möglichkeiten. Dabei bleibt es auch."
Persönlich: Wie stark arbeiten Sie auch mit Sponsoring, wie das in anderen Parks geschieht?
RM: "Das ist in Deutschland ein schwieriges Thema. Vor der Wiedervereinigung waren wir ganz gut unterwegs. Dann kam der Aufbruch im Osten, der sehr viele Mittel band. Heute geht es wieder etwas besser. Dass komplette neue Einrichtungen gesponsert werden, ist im gegenwärtigen schwierigen Umfeld aber kaum der Fall. Aber es funktioniert schon, wir haben tolle Kooperationspartner: Schoeller/Mövenpick im Catering, Milka oder Mercedes. Mercedes ist an unserer neuen Achterbahn beteiligt. Die wollten wir ursprünglich 'Silberpfeil' nennen, aber das wollte Mercedes nicht. Deshalb heisst sie nun 'Silverstar'. Das Schwierige am Sponsoring ist, die eigene Identität nicht zu verlieren. In Amerika gibt Disney das Konzept vor, und die Kooperation beschränkt sich auf das kleine Schild 'presented by…'. So weit sind wir noch nicht. Aber es gibt auch bei deutschen Konzernen ein Umdenken. Die merken, dass weniger manchmal mehr ist. Die Marketingleute sind noch darauf trainiert, Reichweiten und Kontaktpreise zu berechnen; mit den Emotionen, die ein Themenpark transportiert, können sie weniger anfangen."
Persönlich: Wie funktionieren Sie denn selber im Spannungsfeld zwischen Rationalität und Emotionen?
RM: "Dieses Spannungsfeld ist mein Antrieb. Da entstehen immer wieder Konflikte, die gelöst werden müssen, das bringt mich stets einen Schritt nach vorne."
Persönlich: Was ist zuerst da: Der Wunsch, etwas zu machen, oder die Berechnung, was es bringen könnte?
RM: "Zuerst ist immer der Wunsch da, etwas zu machen. Dann muss man das aber sehr schnell in eine marktwirtschaftsgerechte Form bringen. Manchmal gelingt das in einer Stunde."
Persönlich: Was könnte Sie denn nach dem Hotelgeschäft noch reizen?
RM: "Immer mit der Ruhe. Wir haben immer noch 80 bis 85 Prozent Tagesgäste; 75 Prozent davon sind Wiederholungsgäste; die erwarten von uns immer wieder neue Angebote. Es wäre also sträflich, das Angebot im Park zu vernachlässigen und ganz auf die Hotellerie zu setzen. Für das 30-jährige Betriebsjubiläum müssen wir auch neue Fahrattraktionen bringen. Der Park ist längst noch nicht abgeschlossen. Das macht es spannend, für uns und für die Besucher. Disney stellt auf einen Schlag alles hin. Wer dann zwei- oder dreimal hingeht, findet nichts Neues mehr. Wir haben zum Beispiel herausgefunden, dass wir den Park saisonal beleben können, indem wir ihn für gewisse Themen umdekorieren, zum Beispiel 'Winter' oder 'Halloween'. Solche Variationen sind das eine, und die Neuheiten sind das andere."
Persönlich: Wie planen Sie die Neuheiten?
RM: "Zum Teil gehen wir von Kundenbefragungen aus, oder wir beobachten, was im Park abgeht. Manches, was die Leute gerne hätten oder was wir gerne machen würden, ist einfach nicht möglich. Der Europa-Park ist nicht auf dem Reissbrett entstanden, sondern hat sich in einem alten Schlosspark entwickelt; wir können zum Beispiel die Achterbahn nicht einfach durchs Schloss laufen lassen. Da hätte der Denkmalschutz ein paar Einwände. Manches geht über meine Person: Ich weiss, was machbar ist und was den Rahmenbedingungen entspricht. Wir wissen natürlich, was bei den Kunden ankommt; schliesslich sind wir ja durch die Produkte, die wir bauen, auch international im Geschäft. Am Ende bleibt aber immer das unternehmerische Risiko. Das nimmt uns keiner ab. Und wir machen gewiss auch Fehler; die dürfen nur nicht zu gross werden."
Persönlich: Welche Schwerpunkte setzen Sie mit den Neuheiten in der nächsten Zeit - mehr Geschwindigkeit, mehr Gefahr?
RM: "Unsere wichtigste Zielgruppe ist die Familie. Wir haben dann einen Volltreffer, wenn wir etwas präsentieren, das allen Altersgruppen Spass bereitet. Wenn wir die Attraktionen zu extrem machen, dann wird die Zielgruppe immer kleiner, und die Kosten gehen exponentiell in die Höhe. Wenn wir im Winter geöffnet haben, müssen wir auch überlegen, welche Indoor-Einrichtungen wir brauchen. Eine Wasseranlage ist zwar fast immer ein Volltreffer; man kann sie aber im Winter nicht nutzen. Als wir Silverstar eröffneten, wollten alle wissen, was als Nächstes kommt. Damals habe ich die tollste Familienattraktion versprochen, obwohl ich noch gar nicht wusste, was das sein würde. Dann fiel uns das 4-D-Kino ein, und damit erreichen wir jetzt ähnliche Beliebtheitswerte wie beim Silverstar, eigentlich sogar bessere, denn diese Attraktion richtet sich an eine breitere Zielgruppe. Dafür lässt sich Silverstar in der Öffentlichkeit besser verkaufen. Manche Konkurrenten investieren an den Kunden vorbei, weil sie in die Medien wollen. Wir setzen eher auf nachhaltigen Erfolg, und das ist manchmal weniger spektakulär."
Persönlich: Sie schliessen den Park für zwei Monate im Jahr. Ist das nicht ziemlich riskant?
RM: "Gehen Sie mal zu Disney. Ich habe gehört, da seien gestern zwei Autos vor dem Hotel gestanden. Ich möchte nicht wissen, was die für Verluste einfahren; die machen pro Tag eine Million Euro kaputt. Wenn wir unsere Hotels mit Tagungstourismus in der richtigen Saison auslasten könnten, wäre das sehr schön. Dann könnten wir das ganze Jahr offen haben. Die Frage ist nur, ob wir dieses Geschäft auch generieren können. Da sind wir wieder beim Unternehmerrisiko."
Persönlich: Wie haben Sie das hohe qualitative Niveau erreicht, das allenthalben gerühmt wird? Hat es da einen Durchbruch gegeben?
RM: "Ich weiss gar nicht, was es war. Vielleicht die Weitsicht meines Vaters, 1995 die Hotelanlage zu eröffnen. Ich hatte da ziemlich kalte Füsse; mir schien es 1995 noch etwas verfrüht für 550 Betten. Wie auch immer, ich habe trotzdem zugestimmt und gleichzeitig 25 Millionen in den Park investiert. Denn die Kernzielgruppe ist der Besucher, der nur einen Tag kommt, und dem bringt das Hotel gar nichts. Damals ist der spanische Themenbereich entstanden; dann ging auch die Aufenthaltsdauer nach oben, und plötzlich war das Hotel notwendig. Die Investition von 60 Millionen Mark hatte sich gelohnt."
Persönlich: Achten Sie darauf, dass der Eigenfinanzierungsgrad hoch bleibt? Haben Sie eine einschlägige Regel für Neuinvestitionen?
RM: "Wir haben dafür keine starre Regel. Aber wir versuchen natürlich schon, signifikant mit Eigenkapital zu arbeiten. Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir nicht um jeden Preis wachsen müssen. Die Gäste sind zufrieden, auch wenn wir gelegentlich mal nur Verschönerungsmassnahmen oder Ersatzinvestitionen durchführen. Das Grundgerüst steht ja. Wir planen eine Neuinvestition, wenn wir sie brauchen, und dann schauen wir, ob wir sie uns leisten können."
Persönlich: Wie findet denn ein solcher Entscheidungsprozess statt? Reden Sie mit Ihrem Vater?
RM: "Mit dem Bruder, mit dem Vater. Das sind ja meistens Dinge, die sich sukzessive entwickeln. Man hat ein Bild im Kopf, wohin sich der Park entwickeln soll. Und dann geht das räumlich gar nicht. Dann muss man nach neuen Flächen suchen, den Genehmigungen nachrennen. Da mussten wir uns mit Silverstar eine ganz andere Alternative einfallen lassen, wir fahren jetzt mit dem Ding über den Parkplatz. Als Top-Park brauchten wir eine Achterbahn, aber das ging im alten Park nicht. Also mussten wir uns mit der Planungsbehörde einigen, dass wir in eine Fläche hineindürfen, die eigentlich für die Parkerweiterung nicht zur Verfügung steht."
Persönlich: Sind die Behörden hier eigentlich offen für solche Sachen?
RM: "Die Gemeinde macht manchmal Schwierigkeiten. Vielleicht ist sie auch mit dem Tempo ein wenig überfordert, das wir hier anschlagen. Die Gemeindebehörden haben natürlich eine andere Perspektive für die Entwicklung der Kommune. Die denken beim Bauen an Schule, Kirche, Rathaus, nicht an Achterbahn. Wir verlangen von denen Entscheidungen, an die sie nicht gewöhnt sind. Dafür habe ich ein Stück weit Verständnis. Die Gemeinderäte müssen ja auch im Dorf vermitteln, was da passiert. Das Areal des Europa-Parks hat eine Geschichte. Das gehörte mal einem Baron. Die Gemeinde war froh, dass sie den endlich los war. Und jetzt kommt wieder einer, der hier was machen will. Nur: Der Baron hat jedes Jahr Geld von der Kommune gefordert, wir liefern jedes Jahr ab."
Persönlich: Welches war denn die schwierigste Phase? Wann standen Sie am stärksten unter Druck?
RM: "Unter Druck stehen wir eigentlich immer. Mittlerweile ist auch die Dimension schwierig, in die der Park gewachsen ist. Am schwierigsten war aber schon die Entscheidung, hier überhaupt so etwas anzufangen. Da gab es viele Selbstzweifel. Viele Leute, auch solche, die unser Geschäft verstehen, glaubten nicht an den Erfolg. In unserem Betrieb war damals ein Malermeister, der zugleich ein passionierter Fischer war. Der fand die Idee mit dem Park ganz gut, aber den Standort Rust völlig ungeeignet, denn da gebe es Millionen von Schnaken, da käme doch kein Mensch hin. Da kamen mir auch Zweifel. Wir hatten damals keine Bank, die uns finanzieren wollte, und nun hatten wir auch noch Schnaken. Dann hat sich herausgestellt, dass die Schnaken nur nachts kommen, und dann haben wir geschlossen. Und heute, wo die Menschen auch über Nacht bleiben, machen wir biologische Schnakenbekämpfung. Sonst hatten wir eigentlich keine wirklich schwierige Phase. Wir sind eben immer stark gewachsen. Wenn wir gebaut haben, nahm auch die Besucherzahl gleich zu. Am schwierigsten war schon der Anfang. Da ging es auch um Genehmigungen. Damals gab es die Grünen noch nicht; fünf Jahre später hätte man das gar nicht bauen können."
Persönlich: Wie organisieren Sie sich? Sie haben in der Saison bis zu 2500 Mitarbeiter, und jetzt kommen nochmals 295 dazu. Das ist ja schon ein Grosskonzern.
RM: "Es gibt schon grössere Unternehmen, aber keine grösseren Parks in Deutschland. Wir haben eine klare Struktur wie jedes gut organisierte Unternehmen. Ich versuche, Verantwortung zu delegieren. Das gelingt immer besser. Seit ein paar Jahren arbeiten wir auch mit Budgets, und die Manager sind innerhalb ihres Budgets verantwortlich. Jetzt kann ich das Ganze auch ein wenig über die Zahlen steuern."
Persönlich: In Familienunternehmen wie dem Ihren ist es oft so, dass der Patron nicht loslassen kann. Sind Sie wirklich so anders?
RM: "Da müssen Sie meine Mitarbeiter fragen. Ich habe sicherlich eine hohe Kernkompetenz, weil ich mich auch in alle Vorgänge hineinlese. Und ich sage immer meine Meinung. Letzten Endes trage ich ja auch die finanzielle Verantwortung. Ich bin aber schon an einer Organisation interessiert, die im Tagesgeschäft ohne mich funktioniert. Ich könnte mich morgen ins Auto setzen und vier Wochen wegfahren, und der Laden würde weiter- laufen."
Persönlich: Machen Sie das denn auch?
RM: "Nein, aber ich könnte es."
Persönlich: Ein Vollblutunternehmer sollte irgendwie einen Spieltrieb haben. Haben Sie den?
RM: "Natürlich, bei dem Geschäft, in dem ich bin. Wir sind da gegenüber einem Unternehmen im Vorteil, das Feuerzeuge oder Schrauben herstellt. Wenn ein Spielzeug mir Spass macht und wenn ich mit meinem Geschmack nicht ganz neben dem Markt liege, dann macht das auch meinen Kunden Spass. Und es zahlt sich erst noch aus. Wer kann das schon von seinem Beruf sagen? Wie viele Manager gibt es, die im Keller an einer Modelleisenbahn basteln, um ihren Spieltrieb zu befriedigen! Im Unternehmen müssen die das ganz schnell vergessen."
Persönlich: Ist es nicht gerade der Spieltrieb, der in vielen Unternehmen zu oft fehlt?
RM: "Das kann man halt nicht überall. Ich bin mit Wendelin Wiedeking befreundet, dem Porschechef. Der hat einen ganz ausgeprägten Spieltrieb, und er kann ihn mit seinen schönen Autos auch ausleben. Er ist in der richtigen Branche. Dann stelle ich mir den deutschen Finanzminister Eichel vor; ich glaube nicht, dass der im Amt seinen Spieltrieb befriedigen kann. Die Finanzpolitik würde dadurch gewiss nicht besser."
Persönlich: Im Europa-Park fällt vor allem die angenehme Atmosphäre auf. Wie machen Sie das?
RM: "Das war uns von Anfang an sehr wichtig. Da gab es den alten Schlosspark, der an sich schon eine Attraktion war. Dann haben wir den Themenpark sensibel in den alten Schlosspark hineingebaut. Dadurch haben wir ihn zum Leben erweckt und auch für Kinder attraktiver gemacht. Angefangen haben wir nur mit Attraktionen im alten Park. Erst nach sechs Jahren sind wir zum Konzept Themenpark übergegangen."
Persönlich: Inwiefern kann man Atmosphäre schaffen? Muss irgendeine Wurzel da sein?
RM: "Das könnte man auch ohne Vorgaben machen. Wenn man das wie Disney macht, in einer flachen Landschaft auf einer grünen Wiese, ohne Baum, dann muss man sehr viel Geld in die Hand nehmen. Man muss viele Bäume pflanzen, die zumindest teilweise auch 20 Meter hoch sind. Macht man das nicht, so kann man auch keine Atmosphäre schaffen. Der Europa-Park ist in einem alten Schlosspark entstanden, mit einem wunderschönen Baumbestand und einem natürlichen Fluss. Das war ein sehr grosser Vorteil. Wir wissen, dass die Menschen Atmosphäre möchten, wenn sie zu uns kommen. Und das bekommen sie in hohem Masse. Bei uns spürt man, dass da etwas Echtes ist, etwas Gewachsenes. Das schätzt der Europäer. Der Amerikaner ist eher mit artifiziellen Dingen gross geworden: Las Vegas, diese Traumwelt in der Wüste, wäre in Europa nicht möglich gewesen."
Persönlich: Sehen Sie sich selbst als den idealen Parkbesucher?
RM: "Ich war von Anfang an Dienstleister und kann mich sehr gut in die Haut des Kunden versetzen. Das ist wohl auch ein Teil des Erfolgs, dass ich nicht Technokrat bin und um der Technik willen alles umsetze, was möglich wäre. Ich denke zuerst an den Kunden und dann an die Technik."
Persönlich: Wie stark hat das mit Ihnen selbst zu tun, mit der Art, wie Sie aufgewachsen sind?
RM: "Ich bin eigentlich eher technisch aufgewachsen. Bei den Produkten, die wir in Waldkirch bauen, steht die Technik absolut im Vordergrund. Ich hätte mir damals nicht vorstellen können, Betriebswirtschaft zu studieren. Ich wollte immer Ingenieur werden. Aus heutiger Sicht sehe ich das etwas anders, und meine Söhne machen es anders. Ich glaube aber immer noch, dass die Kernkompetenz Technik da sein muss, wenn auch heute die Kundenorientierung im Vordergrund steht."
Persönlich: Sie betreiben den grössten Park Deutschlands. Was machen die anderen falsch?
RM: "Es hilft uns natürlich, dass wir auch unter den Herstellern zu den Marktführern gehören. Dann haben wir mit dem Standort mitten im Dreiländereck eine glückliche Wahl getroffen. Die Grenzen sind aufgegangen, es gibt kein nationales Denken mehr, auch wenn man das vielleicht mit Blick auf die Schweiz nicht so laut sagen sollte. Auch mit der Wahl des Themas 'Europa' hatten wir eine glückliche Hand. Als wir hier anfingen, war die Europäische Gemeinschaft gerade mal sechs Staaten gross, heute sind es 25. Die europäische Idee hat sich trotz aller Schwierigkeiten durchgesetzt. Wenn ich nicht mehr da bin, wird vielleicht mal einer schreiben, dass der Mack eine echte Vision hatte. Dabei haben wir am Anfang gar nicht so gross gedacht; es hat sich eher so entwickelt. Wir sind in der richtigen Zeit am richtigen Standort entstanden."
Persönlich: Spielt die politische Europaidee wirklich eine so grosse Rolle? Geht es nicht eher darum, dass halb Europa ans Mittelmeer in Urlaub geht?
RM: "Von der emotionalen Seite steht sicher der Feriengedanke im Vordergrund, wenn wir Italien, Spanien, Griechenland zeigen. Aber wir brauchen auch die politischen Rahmenbedingungen. Wir haben eine Währung, wir haben keine Grenzen mehr. Ich kenne die Zeit noch, als man hier überall den Pass zeigen musste und als sie abends die Schranke schlossen. Natürlich spielt der Feriengedanke für den Park eine Rolle. Aber es ist auch spannend, wenn der Italiener heute mit Euro bezahlen kann. Wir haben mit dem Europathema ein erweiterungsfähiges Konzept, können das in einer roten Linie weiterziehen. Bei vielen unserer Mitbewerber können sie auch viel unternehmen, und dennoch fehlt eine klare Zielvorgabe. Das spürt der Kunde. Vielleicht ist es das, was einige Kollegen falsch machen; sie haben keinen roten Faden."
Persönlich: Der Einzugsbereich ist durch zwei Stunden Fahrzeit gegeben. Was machen Sie, um Kunden aus grösserer Entfernung anzuziehen?
RM: "Wir sind bei tausend Reisebüros in Deutschland gelistet. Das ist ein Einzugsgebiet von 80 Millionen Menschen; wir sind in Frankreich recht stark, in der Schweiz sowieso. Wir machen recht viel über die Medien, ohne daran zu denken, selber in die Medien einzusteigen. Wir achten immer darauf, unsere Kernkompetenz nicht zu verlassen. Wo ist die Wertschöpfungskette, was passt zu uns, wovon verstehen wir etwas? Solange wir uns selbst finanzieren und keine zu grossen Sprünge machen, können wir das auch locker so weiterführen. Natürlich muss man die Kernkompetenz immer wieder neu definieren; vor zehn Jahren hatten wir keine Hotels. Heute gehört die Hotellerie zu unseren Kernkompetenzen."
Persönlich: Wo sehen Sie denn die nächste neue Kernkompetenz? Etwa als Transportunternehmen?
RM: "Man könnte ja auch überlegen, was man outsourcen kann. Manchmal sind gute Partnerschaften besser, als wenn man alles selber macht. Wir müssen doch nicht ins Reisegeschäft; wir haben ja Verträge mit Reiseunternehmen, die können das besser als wir. Disney hat für sich die Hotellerie als Kernkompetenz formuliert - und ist damit an die Wand gefahren."
Persönlich: Wenn Sie schon Disney ansprechen. Wie würden Sie das Problem in Paris lösen?
RM: "Wenn ich die Lösung hätte, wäre ich dort General Manager. Das überlasse ich lieber meinem Kollegen André Lacroix, den ich übrigens recht gut kenne. Ich beneide ihn nicht um seine Aufgabe. Natürlich gibt es Kooperationsmöglichkeiten, was die technische Seite angeht, die Sicherheitssysteme zum Beispiel. Da tauschen wir schon Erfahrungswerte aus. Aber wir werden nie gemeinsam am Markt auftreten."
Persönlich: Hatten Sie denn schon direkte Begegnungen mit der Disney- Zentrale?
RM: "Am Anfang hatte man in Deutschland sehr wohl registriert, dass der Europa-Park auch eine Maus als Maskottchen hat. Und das wollten die Juristen verhindern. Da bin ich für 80 Mark nach Los Angeles geflogen (meine Frau arbeitete damals bei der Lufthansa). Als ich dort ein Bild meiner Maus zeigte, war das für die gar kein Thema. Was sollte auch mein Mäuschen gegen die grosse Mickymaus ausrichten? Das würde heute wahrscheinlich anders laufen."
Persönlich: Letzten Endes ist es wohl doch die Leidenschaft, die entscheidet. Die spürt man hier, aber nicht bei Disney.
RM: "Da muss ich widersprechen. Die Leidenschaft darf man Michael Eisner nicht absprechen. Vor ein paar Jahren hat er uns im Europa-Park besucht und war begeistert. Ich kann nur sagen: Ganz im Gegenteil, er ist ein sehr emotionaler Mensch. Man wirft ihm ja eher vor, dass er zu viel Leidenschaft zeigt, sich zu stark um Details kümmert, bis zu den Fliesen in den Toiletten. Seine Identifikation mit dem Unternehmen ist extrem, er hat sich auch optisch verändert und wird seinem Maskottchen, der Mickymaus, immer ähnlicher."
Gruß Thomas
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