Mein lieber Herr Gesangsverein,so einen Sonntag erlebt man garantiert auch nicht alle Tage. Natürlich allein schon wegen der Vollsperrung des Ruhrschnellweges, aka A40 aka B1 zwischen Duisburg und Dortmund. Ich muss zugeben, ich war im Vorfeld eigentlich ein Skeptiker (Vollsperrung am ersten Ferienwochenende, Tischverteilungspolitik), aber wenn man sieht, wieviele Leute heute auf die Autobahn gepilgert sind, dann kann man wohl nur von einem Erfolg sprechen. Es sollen statt der prognostizierten 1 Millionen Besucher sogar 3 Mio gewesen sein - Näheres weiss man dann wohl morgen, wenn die Dixieklos geleert sind und der Müll gesammelt ist - daraus wird dann die wahrscheinliche Besucherzahl abgeleitet.
Das sind übrigens Bilder von vormittags, gegen 11.20 Uhr etwa - also 20 Minuten nach Beginn der Veranstaltung. Meine Vermutung war ja: Ach, wird nicht so voll, wenn, dann gehen alle schön nachem Mittachessen. Denkse, alter Pottler. Wennze schomma auffe Vierzich kannz, dann wollen auch alle bei! Und so kam es zu einer wohl absoluten Einmaligleit: Die Autobahn war geteilt in die Tisch-und-Fußgänger-Spur, und die die Mobilitätsspur. Letztere für alle Radler, Skater - halt alles was Rollen hat und ohne Motor fährt. Tja, und etwa um 12 Uhr rum durften mehrere 10.000e Fahrradfahrer von sich behaupten: Ich steht auf der A40 in einem 2-3 Kilometer langen Stau. Es ging nämlich GAR NICHTS mehr - so wie Montagsmorgens um halb acht im schönsten Berufsverkehr.
SIC!
Auch bei den Fußgängern ging teilweise weniger als angenommen. Und so wurde ein gutes Ritual gepflegt, dass sonst nur der Autofahrer kennt: Zuflußregulierung. Bedeutet normalerweise, dass eine Ampelanlage die Auffahrt auf die Bahn reguliert. Ists voll, darf immer nur ein PKW je 30/45/60 Sekunden auf die Piste. Heute hieß das: Der Passantenzustrom wurde immer wieder für 5-10 Minuten unterbrochen, damit im Notfall wenigstens noch Rettungsfahrzeuge durchgekommen wären. Eigentlich krank, aber als Ruhrgebietler ist man das gewohnt!
Ansonsten war die Veranstaltung logistisch hervorragend organisiert. Es gab mehr als genug Dixies, und alle Kilometer stand ein EDEKA-Kühllaster, bei dem fleißige Hände Obst, Kekse und Getränke runter verkauft haben. Wer jetzt meint, jaaahaa, aber bestimmt Preise wie beim Apotheker... nönö! Apfelschorle 0,5ltr 50 Cent +25 Cent Pfand - drei Nektarinen 1 Euro, Dose Bier 1,50 Euro plus 25 Cent Pfand, usw. Däh!
An den Tischen gabs auch mehr als genug Kuriositäten zu bewundern. Herner Häkelclub, Männerchor Wickede, eine Meditationsgruppe mit Sit-in, und was weiss ich nicht alles. Aber am meisten Spaß hat es schlußendlich gemacht, einfach mal "unsere Autobahn" hautnah zu erleben und festzustellen, dass Europas kürzeste Auf- und Abfahrten zu Fuß immer noch ganz schön lang sind. Eine haben wir dann geentert, und erstmal nen gepflegtes Picknick gemacht...
Fazit:
Ich war skeptisch, und gerade bei Tisch immer noch allergisch (erst bekam man nur Absagen, dann wurden die Tische für 28,50 verhökert) - aber insgesamt war es eine phantastische Sache. Sche!ß auf die Sperrung - wir haben es ohne A40 danach auch trotzdem noch auf die Oberkasseler Rheinwiesen geschafft. Ich glaube, es gibt in Deutschland keine zweite Autobahn, die so sehr mit ihren Menschen drumherum verwachsen ist. Es gibt wohl keine Autobahn, die mehr gehaßt und geliebt wird. Und sie den Menschen für einen Tag zu schenken, wird wohl *das* Ereignis bleiben, was von Ruhr 2010 am meisten hängenbleibt. Sollten die 3 Mio stimmen, kann sich das ja jeder selbst ausrechnen, was das bedeutet - bei 5 Mio Ruhrgebietsbewohnern...