Ruhrkultour
Seit geraumer Zeit gehe ich jeden Tag auf meinem Arbeitsweg an einem großen Werbeplakat vorbei, welches mir die Ausstellung Da Vincis Maschinen in Gelsenkirchen schmackhaft machen möchte. Und es hat leichtes Spiel, bin ich doch schon von klein auf begeistert von dem scheinbaren Genie des etwas verschrobenen Künstlers und Erfinders. Auch die beste aller Beinahe-Ehefrauen ist leicht zu überzeugen, gilt doch das Motto: Kultur geht IMMER! Also schauen wir mal. Zu erst natürlich im Internet, wie es sich für einen aufgeklärten Bildungsbürger der Neuzeit gehört. Ich glaube, der kluge Leonardo hätte es nicht anders gemacht. Erster Anhaltspunkt die angegebene Webseite. www.stadtmarketing.deDer Da Vinci Code?
Dieser Versuch stellt sich schon nach einigen Minuten als Flop heraus. Scheinbar kann und will man in der gebeutelten Arbeiterstadt Gelsenkirchen immer noch nicht vom weltmeisterlichen Glanz des vergangenen Sommer lassen, und hat irgendwie vergessen, die Seite auf den neuesten Stand zu bringen. Nun, gut. Wir sind ja kreativ. Googlen wir eine Runde.
Doch auch das erweist sich als wenig ergibig. Findet man etwas, dann bezieht es sich immer wieder auf den gleichlautenden Pressetext. Aber keine Informationen zB zu Anfahrt, Parkmöglichkeiten oder Eintrittspreisen. Nur von Führungen ist die Rede. Also was soll's. Machen wir es wie früher. Einfach durchtanken. Das wird schon. Gut, es wird tatsächlich, aber es braucht fünf Anläufe bis wir einen Parkplatz gefunden haben. Entweder ist alles besetzt, Einbahnstrasse oder das ausgeschilderte 24Std-Parkhaus hat einfach geschlossen.
Am Ball bleiben
Doch all das soll und kann uns nicht abhalten. Wir wollen Da Vinci. Heute. Und zwar live und in Farbe. Laut der spärlichen Vorabinfos soll es zahlreiche Modelle seiner ausgefallenen Ideen zu bestaunen geben, von denen man manche sogar ausprobieren kann. In 20 Jahren Computersimulation seien diese entstanden. Hört, hört. Die erste Ernüchterung macht sich breit, als wir den Veranstaltungsort erreichen. Das Bahnhofscenter, oder soll ich sagen, eine der fiesesten Bausünden, beherbergt die angekündigte Ausstellung. Unspektakulär der Weg dort hin. Ein paar billig wirkende Plakate weisen den Weg, und den Eingang finden wir laut Ausschilderung "um die Ecke". Ahja. Gut, dann wollen wir uns mal um die Ecke bringen.
Bringen wir, und stehen vor einer zugeklebten Glastürhälfte mit der Aufschrift Eingang. Mir schwant langsam was... Einen beherzten Zug am Türgriff und zwei Schritte später stehen wir mitten in der "Empfangshalle" der Schau. Schaut toll aus hier. Billiges Holz an unbehandeltem Waschbeton. Der Meister hätte sicher seine Freude daran gehabt.
Keine Haftung
Hinter dem Thresen steht eine hemdsärmelige Kuratorin aus der Kategorie frustrierte Endvierzigerin, und ruft erstmal den saftigen Preis von 5,50 Euro für das Entree auf. Na Mahlzeit. Doch eine Frage verwirrt mich. Ob wir eine "Ehecard" hätten, damit würde es billiger. "Nee, hamwa nich'" antwortet die beste aller Fast-Ehefrauen kumpelhaft im nachgeahmten Zungenschlag, und hofft wohl, nicht als Auswärtige erkannt zu werden, tappt kurz darauf aber direkt ins nächste Fettnäpfchen.
Ob es denn wohl eine Garderobe gäbe, so die scheinbar unschuldige Frage, die mit einem barschen "gleich hinter Ihnen" abgebügelt wird, um sich direkt den erstaunlicherweise zahlreich eintreffenden Gästen zu widmen, und nach irgendwelchen Lebenslagekarten zu fragen. Die Kehrtwende offenbart die Garderobe. Ein Prachtstück von einem Kleiderständer, vermutlich mit dem IKEA-Namen Defectus oder so ähnlich, lacht uns aufmunternd an. Immerhin kann dieser Riese sicher mindestens 4 Jacken, oder zwei Beinaheechtepelzmäntel und einen nicht zu nassen Regenschirm aufnehmen. Da wäre dem zu besuchenden Herrn aus Italien sicher auch nicht viel mehr zu eingefallen als: Nun, gut.
Tolles Thema, total vergeigt
So warm und einladend der Empfang am Eingang, so gehts auch gleich weiter. Schlicht, spartanisch, wenig inspirierend. Auch hier wieder hingegossener Beton, überkleistert mit weißer Deckenfarbe aus dem Baumarkt. Dazwischen die angekündigten Modelle, an den Wänden ein paar Bilderrahmen mit mehr oder weniger aus dem Zusammenhang gerissenen Phrasen aus dem Leben und Wirken des LDV. Locker dazwischen gestreut ein paar Erklärtafeln zu den Modellen (längst nicht allen) und das wars. Ja, tatsächlich gibt es im 1. OG noch ein paar hingestellte unbequeme Stühle und einen Beamer, der in der schummrigen Atmosphäre einen Film zeigt.
Eigentlich haben wir alles gesehen.
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Aber das wäre nur die halbe Wahrheit. Fakt ist, der Austellungsraum für die Modelle sind zu klein. Die Tafeln mit den Geschichten an der Wand hängen zu nah zusammen, und ergo knubbelt sich alles in diesem einen Raum, aus dem die Ausstellung ja nunmal besteht. Außerdem sind die Infotafeln überwiegend mit grauenhaften Typos randvoll angefüllt.
Das Ganze deutlich weiter auseinander präsentiert und atmosphärischer, punktueller beleuchtet würde schon viel mehr hermachen. Dazu eine Grundüberholung der Informationstafeln in Qualität und Präsentation. Dann wären für einen Vollzahler 5,50 Euro nämlich durchaus gerechtfertigt. Aber so muss man sich schon sehr viel Mühe geben, in Da Vincis Welten abzudriften...
Si non confectus, non reficiat