Vorneweg: Terry Pratchett hat soviele Hauptfiguren in seinen nun, wieviel sind es überhaupt - 36, 37? - Scheibenwelt-Romanen geschaffen, und Feucht von Lipwig (Moist van Lipwig) ist sicher nicht seine allerstärkste. Ich zum Beispiel bin bekennender Esmeralda "Oma" Wetterwachs (Esmeralda "Granny" Weatherwax) & Gytha "Nanny" Ogg Fan - also ein Hexenfreund. Andere Pterry-Anhänger würden wie aus der Pistole geschossen Rincewind nennen, und wieder andere bestehen darauf, dass der Wächter-Zyklus mit Kommandeur Samuel Mumm (Samuel Vimes), Karotte Eisengießersohn (Carrot Ironfoundersson), Delphine Angua von Überwald, und anderen die "wahre" Scheibenwelt sind.
Spätestens dann werden eine ganze Reihe anderer sich beledigt wegdrehen, und: Pah, ER HAT GAR NICHT TOD GESAGT, anmerken. Ugh, recht haben sie wahrscheinlich. Und noch viele andere mehr, denn glaubt man der offiziellen Zählung "Charaktere" auf thediscworld.de kommt Sir Terry auf sage und schreibe 1.496 Personen, die in seinen Werken mitspiel(t)en. Darunter Eintagsfliegen wie Mad King Soup II. oder wiederholte Charaktere wie Grinsi Kleinpo, die allerdings nie eine Hauptrolle spielen. Obwohl Cheery Littlebottom... aber nein, das führt zu weit.
Jedenfalls, worauf ich hinaus wollte - das aus diesem Füllhorn an Charakteren nach Rincewind in der ersten Real-TV-Adaption und Tod in der zweiten für die dritte gerade der anfänglich eher schmierige, windige Feucht von Lipwig als Hauptfigur herhalten muss/soll/kann/darf, verwundert doch ein wenig. Zumindest, bis man den Film gesehen hat.
Denn rückbetrachtet ist Ab die Post! (Going Postal) neben Die volle Wahrheit (The Truth) und Voll im Bilde (Moving Pictures) einer der Pratchett Romane, die eine ganz klassische Herangehensweise eines Films (Guter/Böser/Lovestory) besonders unterstützen. Zumindest in einer Form, in der auch ein Nicht-Scheibenweltbewohner der Storyline folgen kann, ohne mit den Eigenschaften und Eigenarten dieses Universums überfordert zu werden.
Ermöglicht wird das Ganze nicht nur durch die sehr moderne Geschichte (Betrügereien, Raubtierkapitalismus, Kommunikationsmedien, usw), sondern eben auch durch eine fröhliche, manchmal romantische und ab und zu auch verrucht-erotische Liebesgeschichte zwischen den beiden Hauptcharakteren Feucht von Lipwig und Adora Belle Liebherz (im Englischen natürlich besser Adora Belle Dearheart, von wegen des Gags: Adorable in black...)
Womit wir bei den Schauspielern sind. Um es gleich zu sagen: Claire Foy als Adora Belle ist der absolute H A M M E R von der Besetzung her. Kein Stück die x-te aufgeblasene Hollywood-Cutie, sondern wunderbar britisch-streng und dadurch selbst für Nicht-Züchtigungsfreunde immer so auf der Messers Schneide getanzt "finde ich die jetzt begehrenswert, oder habe ich eher Respekt?!". Aber auch Richard Coyle als Feucht ist auf immer auf den Punkt authentisch, die Rolle lebend und wohl für die Damenwelt (oder auch Herren die gern hingucken) so eine Mischung aus "nee, der doch nicht für mich, obwohl..."
Und auch der dritte Maincharacter Reacher Gilt alias David Suchet weiss zu überzeugen. Das sich meine Begrenzung in Grenzen hält liegt nur daran, dass ich mich nicht sooo mit den bösen Rollen identifizieren kann. Wer sich allerdings mal einen Spaß machen möchte, schaut auf der DVD/BluRay mal in die Extras und dort das Interview an - spätestens dann wird klar, was MakeUp & Hairdress im Film alles ausmacht
Was wiederum den Bogen zum Film als solchem und seiner Ausstattung schlägt. Anders als Alex weiter oben habe ich persönlich nicht das Gefühl, dass es Längen gibt, denn das Ganze ist gut verteilt auf 2x90 Minuten, die man eigentlich auch gar nicht hintereinander gucken sollte. Nicht, weil es nicht ginge, sondern weil man dem Film schon anmerkt, dass er eben auf eine Ausstrahlung an zwei verschiedenen Tagen ausgelegt wurde. In der technischen Ausstattung (Effekte, Kulissen, etc) habe ich nichts zu bemängeln - im Gegenteil, ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass es hier "nur" um eine TV-Produktion geht (anders als bei den beiden ersten Filmen), sondern dass das Ganze absolut Großleinwand tauglich ist. Und auch übertriebene CGIs kann ich so in der Form nicht ausmachen, eher falle ich drauf rein. Nicht alle, die welche sind, erkenne ich als solche - und viele, von denen ich dachte, es wären welche, sind gar keine...
Ich jedenfalls kann den Doppelfilm nur wärmstens empfehlen - selbst Leuten, die wie Claire Foy bei Terry Pratchetts Scheibenwelt immer nur an Hobbits und Männern mit spitzen Hüten denken. Es sind einfach 2x90 gute Unterhaltungsminuten mit nem schönen Plot, coolen Szenen, gelungenen Gags und einer leidenschaftlichen Schauspieltruppe. Mehr kann man sich für 15,99 kaum in den DVD-Schrank stellen... Give it a try!
PS: Wer wissen will, wo Herr Grütze den Wettschein versteckt hat, sollte die Credits bis zum Ende gucken
PPS: Ja, ich habe auch eine Kritik: Wie bitteschön beweist Mustrum Ridcully eigentlich, dass Briefe/Wörter nicht töten können?!