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Titel: "Bericht über Park aus einem GEOHEFT (Jahre 1986)"     Vorheriger Beitrag | Nächster Beitrag
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Foren-Gruppen Phantasialand Beitrag Nr. 1629
Beitrag Nr. 1629, 7 Antworten
HardyKrueger

 
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7. Bericht "Amica" 2001
05-Apr-02, 17:20 Uhr ()
Als Antwort auf Beitrag Nr. 6
 
Letzte Bearbeitung am 05-Apr-02 um 17:24 Uhr ()
Hallo!

Coasters, hast du das alles abgetippt? Na ja, in der Langeweile der Ferien... Beim Lesen deines Artikels ist mir eingefallen, dass ich auch noch so einen hier ´rumliegen habe. Ich wollte ihn schon mal posten, ich war aber zu faul ihn abzutippen und fand ihn online nicht. Jetzt habe ich aber grad nichts zu tun und geb´ mich mal ran. Der Artikel ist aus der Zeitschrift „Amica“ (ich kauf die nicht, ist von meiner Schwester ) und soweit ich weiß vom Ende der letzten Saison. Auch hier fällt ein deutlich kritischer Unterton auf.

Der Text ist von Kirsten Rick

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Land des Lächelns

„Hier kann wirklich jeder seine eigene phantastische Welt entdecken“, verspricht der Prospekt. Ortstermin im legendären Freizeitpark in Brühl bei Köln – ein Besuch im PHANTASIALAND

Schreien hilft. Vor allem, wenn man aus 65 Metern Höhe aus freiem Fall in die Tiefe saust. Wer schreit, dem wird nicht übel. In diesem Moment ist einem das nicht mehr unbedingt klar, dass man angegurtet und verriegelt in einem High-Tech Fahrgeschäft sitzt, das wiederum von einem Burgturm umgeben ist: Mystery Castle . So soll es im Phantasialand sein: Nicht nachdenken, erleben. Rein in andere Zeiten und Welten. „Themen“ heißt das hier, die Bereiche, die man durchwandert, nachdem man 36 Mark und seine Sorgen „wie einen Regenschirm“ an der Kasse abgegeben hat.
Ob das eine angemessene Art ist, mit Sorgen umzugehen, und was passiert, wenn man beim Verlassen aus Versehen den falschen Sorgen-Schirm mitnimmt, ist ein anderes Thema, allerdings keines, das im Phantasialand behandelt wird.

Gleich hinter dem Eingang liegt Alt-Berlin. Eine gemütliche Gasse mit alten Häusern und „Heino´s Kaffeehaus“. Lässt sich der Sänger ab und zu mal sehen? „Nö“, sagt der eine Presse-Betreuer. „Doch, der war letzten Montag erst da“, sagt der andere. „Ach so“, sagt der erste. Aus Lautsprechern lockt eine Frauenstimme: „Erleben Sie in einer Welt aus Schnee und Eis... in einer außergewöhnlichen Inszenierung... Der Eintritt ist frei.“ Wortfetzen bleiben hängen, verbinden sich in Gedanken zu eigenwilligen Sprachloops. Dazwischen: Musik vom Typ Easy Listening. Das sanfte, durchdringende Gedudel wird einen im ganzen Park begleiten, thematisch modifiziert. Im mexikanischen Teil läuft das, was man sich unter südamerikanischer Musik vorstellt, in „Chinatown“ allerdings könnte sich der Sound ruhig noch etwas mehr an chinesischen Schnellrestaurants orientieren.

Am Ende der Alt-Berliner Straße erhebt sich das Brandenburger Tor - im Maßstab 1:2 . „Bei uns können Sie durchlaufen“ wurde früher, als es die Mauer noch gab, geworben. Kein amerikanischer Themenpark ist Vorbild, keine bekannten Filmfiguren werden kopiert. Im Phantasialand ist alles selbst ausgedacht. Und deshalb wirkt es manchmal sehr, sehr deutsch. Seit 1967 gibt es den Freizeitpark. Damals wollten die Freunde Richard Schmidt, Chef eines Marionettentheaters und Gottlieb Löffelhardt, Sohn einer Schaustellerfamilie, Puppen und Filmkulissen vorm staubigen Darben im Fundus bewahren. Um einen See im abgetragenen Braunkohletagebau in Brühl bei Köln bauten sie zunächst einen Märchenpark. In kleinen Häuschen werden mit hölzenern Puppen Märchenszenen nachgestellt und auf Knopfdruck erzählt. Diese Ur-Attraktion ist nicht mehr ganz vollständig und auch nicht mehr blendend in Schuss, wird aber von langjährigen Fans geradezu kultisch verehrt. ( Anm. von mir: )

Der Trick beim Phantasialand: die Dekoration. Alles wird verkleidet, in eine kleine Welt eingebettet, bis ins kleinste Detail und möglichst echt aussehend. „Mein Mann würde niemals, niemals ein Geschäft hier hinstellen, nackig, ohne Thema, ohne Deko“, sagt Frau Löffelhardt, Ex-Tänzerin, die Frau vom Junior-Chef und Leiterin des Show-Bereichs. So fährt man niemals nur Achterbahn, sondern laut Programm „mit einem rasend schnellen Geisterzug durch die grandiosen Felsenlandschaften der Colorado Mountains“, und der Free Fall im Mystery Castle dient dazu, positive Energie zu sammeln, um die imaginäre Familie Windhoven von einem Fluch zu befreien.
Frau Löffelhardt ist eine energische, elastische Blondine mit pinkfarbenen Lippen. In einem eindrucksvollem Wortschwall, quasi ohne Luft zu holen, erzählt sie neben ihrer gesamten Biographie auch, dass ihr Mann und sie sich zunächst „nicht grün waren“, das bei einer Show plötzlich ein Tiger neben ihr lag und ihr das vorher niemand gesagt hatte, dass sie sich den Respekt erarbeitet hat, dass Federkostüme immer Eindruck machen, dass die Realität eh schon schlimm genug ist und dass Phantasie etwas ist, was man sich nicht kaufen kann.

Sie ist besonders Stolz auf „das Multikulturelle. Wir haben die ganze Welt hier.“ Damit meint sie das Personal aus über 50 Nationen: In den Shows schweben muskulöse Chinesen kunstvoll an Seilen, die Eisprinzessin kommt aus Tschechien, die Stuntmen kommen aus England, in den Phanti-Kostüme stecken Brasilianer. Man verständigt sich auf Englisch, Französisch, Spanisch oder auch mit Händen uns Füßen. Selbst ein überirdischer war schon da: Michael Jackson stand Pate für die Colorado-Bahn. „Ein ganz armer Mensch“, bedauert Frau Löffelhardt. “ Der ist hier durchgegangen wie eine Statue, sagte immer nur ,Nice to meet you´ und ,I follow the program´.“

Die Phanties müssen nicht sprechen. Sie sind sympathische Wesen, grün wie „Alex Galax“ oder zottelig wie die Teddybären und sie kuscheln hauptberuflich, herzen die Besucher und seufzen dabei freudig. Da man zwar weiß, aber nicht wirklich sieht, dass die Phanties auch Menschen sind, lassen sich die Erwachsenen von ihnen gerne und ohne Scheu knuddeln. Wir wissen allerdings nicht, ob sie es auch mit Michael Jackson probiert haben.

300 Meter weiter steht die neue Attraktion, noch verschlossen und streng geheim gehalten. „Wuze Town“ heißt sie, und das spricht man nicht etwa „Wutze“ oder, wie die Phanties sagen. „Waschi“, sondern „Wuuuus Taun“ aus. Warum das so ist, kann hier niemand erklären. „Das ist eben Phantasie“, heißt es, wenn man fragt. Diese Antwort ist hier wie eine Art Zauberformel, mit der alles erklärt wird, was nicht logisch oder einleuchtend erscheint. „Wuze Town soll eine jahrhunderte lang verschollene Zivilisation sein“, so der Katalog, „wo seltsame Wesen hausen“ und es einen Tittle Tattle Tree gibt, was immer das sein mag. Es ist ein Matriarchat verrät die Projektleiterin Frau Pieck, aber mehr darf sie auch nicht sagen. Man wird seine Phantasie wieder ganz schön anstrengen müssen, um ein bisschen Karussell zu fahren.
Wahrscheinlich wird es funktionieren, so wie es bei den anderen Themenwelten auch funktioniert. Der Trick: Am Anfang einer Fahrt wird man in einem längeren Moment in vollständige Dunkelheit gehüllt, dann ist man schon bereit, sich auf etwas Neuen einzulassen, Hauptsache, es wird endlich wieder hell. So klappt es auch bei der Hollywood-Tour, einer unterirdischen Bootsfahrt durch Kulissen von „Der weiße Hai“ und anderen Gruselklassikern. „King Kong“ riecht allerdings schon ganz schön muffig.

Das würde die Dekorateurin Doris George gerne ändern. Für noch perfekte Illusionen würde sie am liebsten auch mit Gerüchen arbeiten. Und wenn sie in ihrer Phantasiewelt leben könnte, wäre sie ein kleines Urwald-Eingeborenes. „Urwald“ scheint ein bisher unerkannter Trend zu sein. Die Eisprinzessin wäre „eine Jane“ neben einem Tarzan. Sie könnte sich graziös von Liane zu Liane schwingen. Auch die Marketing Frau Harpke hätte gerne eine „Dschungel-Welt, in der alles möglich ist. Mit Geräuschen und Gerüchen, noch nicht von Menschen durchdrungen.“ Sie wird das mal beim Chef anregen. Außerdem sagt sie: „Frauen haben mehr Phantasie.“

Ein bisschen schwierig könnte das mit dem Platz werden. Das gesamte Phantasialand ist nur 280 000 Quadratmeter groß, das entspricht etwas 56 Fußballfeldern. Darauf drängen sich 15 Attraktionen, fünf Shows, fünf Restaurants. Das ganze ist in fünf Themenbereiche aufgeteilt, die geschickt in- und umeinander verschachtelt sind. Eine Lücke hat der Brand der Achterbahn im Mai gerissen. Noch ist hinter dem Bauzaun bloß ein trister Sandplatz mit ein paar Baugeräten. Eine Wildwasserbahn solle dorthin, sagt man. Eine Vergrößerung des Parks ist schwierig: auf der einen Seite Anwohner, auf der anderen ein Naturschutzgebiet. Dem vermutlich reichsten Bauern in Brühl gehört die Wiese direkt hinter dem Phantasialand. Er vermietet sie im Sommer als Parkplatz, 4 Mark pro Auto und Tag, soviel nimmt das Phantasialand auch, aber der betriebseigene Parkplatz ist winzig. Verkaufen will der Bauer nicht.

Ende Oktober ist auch für ihn die Saison vorbei. „Die Phantasie wir auf Knopfdruck abends am 31.10. ausgeschaltet“, philosophiert Frau Löffelhardt. Es beginnt zu regnen. Und zu stürmen. Wer jetzt noch im Walzertraum sitzt, hat Pech gehabt. Die besinnliche Flussfahrt zwischen Blumen- und Buchsbaumbeeten in Booten, die aussehen wie Blütenkelche dauert etwa fünf Minuten. Aussteigen kann man zwischendurch nicht. Nur nass werden, durchfrieren, abwarten. Vor dem geschrumpften Brandenburger Tor versammeln sich heulende Fans. Teenagermädchen mit verlaufener Wimperntusche und Rosen in Zellophan in der Hand. Die wollen sie ihren Favoriten geben. Sie kennen alle Show-Artisten. Den ganzen Sommer über haben sie jeden Nachmittag hier verbracht, sie haben eine Fun-card für 105 DM, mit der dürfen sie so oft in den Park, wie sie wollen. „Gebt mir Drogen, gebt mir Beruhigungsmittel“, jammert ein Mädchen mit bittere Ironie, dabei will sie doch nur ihre heile Welt behalten. „Dies ist der einzieg Ort, an dem alle fröhlich sind. Wenn man zu Hause oder woanders Stress hat, kann man hierher kommen und alle sind freundlich.“ Sie sieht aus, als würde sie den kommenden Winter über heulen. Abschied vom Land des Lächelns. Die Phanties versuchen kuschelnd, sie zu trösten. „Die Leichtigkeit des Seins ist dann weg“, sagt Frau Harpke, die Marketing Leiterin.

Bei anderen ist die Trauer über den Beginn der Winterpause nicht so ausgeprägt. Die Eisprinzessin Viola Zoppe freut sich, dass sie nach sieben Monaten zum ersten Mal wieder einen Tag frei hat. Für die Projektleitung und die Dekoabteilung beginnt dagegen jetzt die Hauptarbeitsphase. Wenn die Besucher weg sind, kann rund um die Uhr gebaut und neu gestaltet werden. Die Schrei aus Mystery Castle verstummen dann ebenso wie die Lautsprecher mit der Musik und den Show-Verlockungen. Eine Mitarbeiterin seufzt erleichtert: „Dann ist endlich Ruhe.“

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EDIT: Headline war wohl zu lang.

Felix

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