Aus der Schwäbischen Zeitung - Ausgabe Lindau vom 27.09.2008:Betreiber hinterlässt Desaster im Reptilienzoo
Fast zweieinhalb Jahre nach der Schließung des Scheidegger Reptilienzoos ist die Sache vors Amtsgericht gekommen. Und erst die Verhandlung offenbart, was für ein Desaster der frühere Besitzer im März 2006 hinterlassen hat. Inzwischen hat der Zoo neu aufgemacht und ist in guten Händen.
LINDAU / SCHEIDEGG Die Anklageschrift gegen den gelernten Heilpraktiker, der von April 2004 bis März 2006 Besitzer des Scheidegger Reptilienzoos war, ist ungewöhnlich lang. Und sie offenbart erstmals das volle Ausmaß der Verwüstungen und Vernachlässigungen, das die Behörden vorgefunden haben, als sie einige Tage nach der Schließung des Zoos die Zustände inspizierten.
Insgesamt fanden sie mehr als 50 tote Tiere vor, allein in einer Tiefkühltruhe waren neun Kadaver von maurischen Landschildkröten und eine Boa Constrictor Nebulosa. Eine ganze Reihe von Tieren, die dem Heilpraktiker bei der Übernahme des Zoo von Zoogründer Adolf Lücke übergeben worden waren, waren einfach verschwunden, obwohl sie unter das Artenschutzgesetz fallen und somit nicht vermarktet werden durften. Außerdem befanden sich Tiere in dem Zoo, die gar nicht hätten da sein dürfen, weil für sie keine Vermarktungsbescheinigungen vorhanden waren, die nach Gesetzeslage obligatorisch sind. Dazu gehörten diverse Würgeschlangen, Frösche, und eine ganze Reihe Schildkröten.
Darüberhinaus hat der Betreiber in vielfacher Weise gegen das Tierschutzgesetz verstoßen. Fast alle Tiere waren von Milben befallen. Viele Schlangen waren bis auf die Knochen abgemagert, weil hunderte Milben ihnen jede Nacht das Blut absaugten. Viele hatten davon zusätzlich Entzündungen und Geschwüre, die nicht oder unzureichend behandelt waren. Sie befanden sich in einem - wie es in der Anklageschrift weiter heißt - "miserablen Pflegezustand" und " sehr schlechten Ernährungszustand" und "litten erhebliche Schmerzen", wie die Fachleute festgestellt hatten.
Eine ganze Reihe von Tieren verendete in den folgenden Tagen, als sie bereits fachgerecht in der Reptilienauffangstation der Ludwig-Maximilians-Universität in München untergebracht waren. In insgesamt 41 Fällen seien Wirbeltieren, so der Staatsanwalt weiter "vorsätzlich anhaltende oder sich wiederholende Leiden zugefügt worden".
Schlamperei kann tödlich sein
Und noch weitere hochgefährliche Fakten offenbarten sich in den Wochen nach der Schließung. Die Beschriftungen an den Terrarien von einigen hochgiftigen tropischen Klapperschlangen waren falsch, so dass im Falle eines Bisses das falsche Serum verabreicht worden wäre, was vermutlich zum Tode geführt hätte. Und schließlich waren die Schlangengiftseren, die von dem Zoo im Lindenberger Krankenhaus hinterlegt waren, völlig überaltert und damit wirkungslos.
Als die Experten aus München die Tiere in Sicherheit brachten, musste - wie zu hören war - ein Rettungshubschrauber in München startbereit stehen, um im Zweifelsfall das richtige Serum einfliegen zu können.
In Anbetracht dieses Desasters konnte man das, was der Angeklagte und frühere Heilpraktiker vor Gericht vorbrachte, kaum anders als lahm bezeichnen. Ja, es habe Probleme mit Milben gegeben. Er habe sein Möglichstes dagegen getan. Die Schildkröten seien halt beim Überwintern verendet. Es seien einfach zu wenig Besucher gekommen, weshalb er sich gezwungen sah, den Zoo dichtzumachen. Und dann habe er eben die Türen abgesperrt und die Schlüssel in den Briefkasten geworfen.
Auf Anraten seines Anwalts räumte der 65-Jährige, der mittlerweile Rentner ist, die vorgeworfenen Taten lückenlos ein. Die Frage für das Gericht war allerdings, wie eine angemessene Strafe für einen solchen Straftäter aussieht, der zuvor als Reptilienhalter einen guten Ruf hatte, sich dann aber mit dem Zoo ganz offensichtlich völlig übernommen hatte.
Die Staatsanwalt hatte zunächst in einem Strafbefehl eine Geldstrafe von rund 10000 Euro beantragt, gegen die der Angeklagte jedoch Einspruch eingelegt hatte. Der Grund dafür war für das Gericht nachvollziehbar. Er hatte sich mit dem Zoo auch finanziell völlig übernommen, so dass er bereits vor Monaten den Offenbarungseid leisten musste. Es gab also schlicht nichts zu holen. Weder für das Gericht, noch für die Veterinärbehörde beim Lindauer Landratsamt, das derzeit allein auf Unterbringungskosten für die Schlangen in Höhe von etwa 20000 Euro sitzt.
Geld geht an das Landratsamt
Amtsrichter Klaus Harter entschied sich daher für eine ziemlich ungewöhnliche Strafe, damit er zumindest einen Teil des angerichteten finanziellen Schadens wieder gut macht: Eine Geldstrafe von 3600 Euro auf Bewährung. Und als Bewährungsauflage muss er monatlich 50 Euro an das Landratsamt zurückzahlen. Wenn er mit den Zahlungen allerdings in Verzug kommt, sind die vollen 3600 Euro fällig. Und wenn er nicht zahlen kann, muss er in Haft.
Quelle: http://www.szon.de/lokales/lindau/stadt/200809270096.html
Aktuelle Internet-Seite: http://www.reptilienzoo-scheidegg.com/
Stefan A. Michelfeit - www.ridesonline.de
"Wir werden - einfach ausgedrückt - weniger, älter und bunter." (H. Rech IM BW)
Aus der Schwäbischen Zeitung vom 15.10.2008:Reptilienzoo leidet unter schlechtem Ruf des früheren Inhabers
LINDAU/SCHEIDEGG (mb) Die derzeitigen Betreiber des Reptilienzoos Scheidegg leiden unter dem schlechten Ruf ihres Vorgängers. Wie berichtet, hatte er den Zoo Anfang 2006 in einem verheerenden Zustand hinterlassen. Jetzt hingegen wird der Betrieb vorbildlich geführt.
Als Rebecca Jussel und Udo Hagen den Reptilienzoo in Scheidegg im Sommer 2007 übernahmen, machte das Gebäude am Ortseingang von Scheidegg nicht viel her. Die Reptilien der Vorbesitzer waren weg, entweder gestorben oder vom Landratsamt beschlagnahmt. Die einzigen Tiere, die noch da waren (und zwar zu Tausenden) und auf neue Opfer warteten, waren die Milben, die sich in den Terrarien äußerst wohlgefühlt und entsprechend vermehrt hatten. Es blieb den neuen Inhabern also nicht anderes übrig, als sämtliche Einbauten rauszureißen, zu entsorgen und neue Terrarien einzubauen.
Sie entschieden sich für mehr Terrarien, aber dafür kleinere. Ihr Schwerpunkt sollten nicht die riesigen Würgeschlangen sein, sondern sie wollten mehr unterschiedliche, dafür aber kleinere Tiere ausstellen. So gibt es jetzt nur noch ein Terrarium mit Schlangen über drei Metern. Zwei Tigerpythons leben dort, die eine schlängelt sich derzeit munter durch ihre gut sechs Quadratmeter große Behausung einschließlich eines kleinen Teichs, die andere, ein gelblich-weißer Albino, liegt etwas missgelaunt in der Ecke, weil ihre Häutung kurz bevorsteht.
Den Tieren geht es offenkundig gut, sie sehen alle wohlgenährt aus. "Wenn eine Schlange gefressen hat", berichtet Inhaberin Jussel, "kotet sie nach zwei oder drei Tagen" - dann kommen die Schlangen erst mal aus dem Terrarium, und drinnen wird saubergemacht. Am besten geht das beiden Königpythons, denn die lassen sich von Hand aus ihrem Gehege nehmen und bei besonderen Gelegenheiten auch mal von einem Besucher anfassen.
Bei den Giftschlangen ist das natürlich anders. Die werden nur mit dem Haken angefasst und auch dann nur mit größtem Respekt. Es gibt eine ganze Reihe Klapperschlangen in verschiedenen Größen, Baumnattern, Kupferköpfe und mehr.
An diesem Nachmittag aber sind die Monokelkobras am interessantesten. Erstens weil sie im Unterschied zu den eher plumpen Klapperschlangen geradezu elegant aussehen. Zweitens weil sie ziemlich munter und offenbar neugierig sind. Die beiden kriechen durch ihr Terrarium, schlängeln sich umeinander, züngeln munter und widerlegen das Vorurteil, dass Schlangen meistens nur in der Ecke liegen und warten, dass ihr Mittagessen vorbeikommt.
Guter Zuchterfolg
Dass es den Schlangen gut geht, bestätigt auch der Zuchterfolg. Fast alle Pärchen haben sich in den gut anderthalb Jahren, die sie in dem Zoo leben, vermehrt. Der Verkauf der Jungtiere, selbstverständlich nur an andere Schlangenliebhaber, die sich mit den Reptilien nachweislich auskennen, ist das eine Standbein, auf dem der Zoo jetzt steht, das größere sind die Besucher, die vor allem in der Touristensaison nach Scheidegg kommen.
Hier habe es, wie Rebecca Jussel berichtet, in den vergangenen Wochen jedoch einige Missverständnisse gegeben. Die Berichterstattung über den Prozess gegen den früheren Inhaber schrecke viele noch immer ab. "Haben Sie nicht zu?", fragten immer wieder Besucher. Oder Wanderer stellten ihre Autos auf den Parkplatz des Zoos. Und wenn die Inhaber dann darauf aufmerksam machen, dass es Zooparkplätze sind, heißt es: "Gibt's den noch?" - Es gibt ihn noch, bis Ende November täglich von 10 bis 17 Uhr, Dezember und Januar ist dann Winterpause.
Quelle: http://www.szon.de/lokales/lindau/stadt/200810150334.html?_from=rss
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