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Foren-Name: Plauderecke
Beitrag Nr.: 7713
#0, Warnung vor Disneysierung
Geschrieben von JanKiel am 07-Mar-07 um 01:03 Uhr
Letzte Bearbeitung am 07-Mar-07 um 01:04 Uhr ()
Moin!

Heute in den Kieler Nachrichten (nach dpa):

Der bezahlte Spaziergänger von Kassel

...

Begründet wurde die Promenadologie von Lucius Burckhardt. Der Schweizer entwickelte in den achtziger Jahren aus Elementen der Soziologie und der Städteforschung die Spaziergangswissenschaft. Als er vor vier Jahren starb, war seine Kasseler Professur verwaist - bis der Wanderstab im vergangenen Jahr von Burckhardts Schüler Schmitz aufgenomen wurde. Schmitz warnt vor Disneysierung der Umwelt: "Wir haben verlernt, Landschaften zu sehen. Was wir brauchen, sind zwei, drei Bausteine: Strand, Palme, Meer gleich Südsee; Berg, Wald, Schnee gleich Alpen. Details werden gar nicht wahrgenommen"

...

Na dann. Dafür möchte ich auch gerne mit 7000 netto nach Hause GEHEN.

Jan


---

"RESPEKT, das Dingen rockt wie die Seuche"


#1, RE: Warnung vor Disneysierung
Geschrieben von heiko am 09-Mar-07 um 12:08 Uhr

Hallo,

ich mag es immer wieder, wenn Menschen und "Fachleute" von Disneysierung sprechen und in dem Zusammenhang dann auch noch von fehlenden Details...!

Genau diese Leute rennen durch die Mainstreet und bekommen gar nichts mit von dem, was es dort alles versteckt gibt.

Das Hauptproblem liegt vor allem in der Schnelllebigkeit und dem Desinteresse.

Was nützen mir Details, wenn ich von denen nichts weiß, weil ich mich nicht erkundigt habe, weil mir das Interesse fehlt!

Ich kann durch Ägyptens Tempel wandern und nichts als Ruinen sehen. Ich kann mich aber auch führen lassen und schon sieht die Welt ganz anders aus. So gesehen waren die Pyramiden auch nichts anderes als Disneysierung!

Mir mißfällt vor allem im Städtebau immer wieder der negative Begriff der Disneysierung, als Kulissenbau! Das ist nicht das, was Disney ausmacht!
So gut wie alles um uns herum ist Kulissenbau, jede Deko, die wir in unserer Wohnung platzieren, jede Yuccapalme, die bei uns in den Wohnzimmern steht und eben nicht da, wo sie zu Hause ist.

Disney steht für mich für angehende Perfektion und Schönlebigkeit, eine Welt, in der nach außen alles schön und perfekt erscheint, ein Wunschgedanke, den so gut wie jeder hat und Disney hat uns diese Welt hingestellt und wir nutzen sie! Das es hinter den Kulissen nicht so aussieht, kann sich wohl jeder ausmalen. Disney gibt uns genau das selbe, wie ein strahlend weißer einsamer Sandstrand mit azurfarbenem Wasser: Eine heile Welt, die wir so nicht hinbekommen!

Disneysierung ist in meinen Augen leider in falschem Zusammenhang zum Unwort mutiert insebesondere hinsichtlich der Ausrichtung auf den Nutzer, den Menschen: Disney lebt von den Menschen und Disney ist für die Menschen da, dass allerdings schafft die moderne Gesellschaft immer weniger, insebondere der Städtebau plant immer mehr am Menschen vorbei- also für mich gerne mehr Disneysierung in den Städten!

gruß
heiko


#2, RE: Warnung vor Disneysierung
Geschrieben von Tron am 09-Mar-07 um 12:33 Uhr

>Disneysierung ist in meinen Augen leider in falschem Zusammenhang zum Unwort mutiert
>insebesondere hinsichtlich der Ausrichtung auf den Nutzer, den Menschen: Disney lebt
>von den Menschen und Disney ist für die Menschen da, dass allerdings schafft die
>moderne Gesellschaft immer weniger, insebondere der Städtebau plant immer mehr am
>Menschen vorbei- also für mich gerne mehr Disneysierung in den Städten!

Meist wrid "Disneysierung" im Zusammenhang mit dem Umbau von bestehendem Kulturgut in Verbindung gebracht. Wenn jemand auf die Idee kommt z.B. den Drachenfels zu einem Vergnügungspark um zu bauen, und sei es nur eine Sommerrodelbahn oder ein Karussell, dann neigt der Berichterstatter gerne zum Aufschrei der Disneysierung oder man spricht auch gerne von einem "Disneyland in (...)".
Prinzipiell habe ich nichts dagegen, wenn sich jemand über den Ausbau von bestehenden Einrichtungen beschwert. Das ist sein gutes Recht, jeder darf seine Meinung frei äußern. Leider übertreiben insbesondere sehr viele Journalisten und lassen sich zu Ausdrücken wie "Disneysierung" hinreißen um damit (meist negativ) auf die Auswirkungen hin zu weisen.
Disneysierung wird aber auch gerne im positiven Sinne genutzt, zuletzt glaube ich bei der Berichterstattung über den geplanten Ausbau des Nürburgrings mit u.a. der "größten Achterbahn der Welt" etwas von "Disneyland am Nürburgring" gelesen zu haben. Durch die häufige Verwendung von Disney in Verbindung mit negativer Berichterstattung über Freizeiteinrichtungen hat dieser Begriff dann aber auch meist einen negativen Beigeschmack beim Leser eines derartigen (eigentlich positiv gemeinten) Presseberichts.
Andererseits würde für mich "Disneyland am Nürburgring" auch eher der Aufbau eines (vermutlich ziemlich großen) gut thematisierten Vergnügugnspark bedeuten, die Realität sieht dann ja meistens ganz anders aus...


Tobi | Neu: Darkrides.de
1st Official Todtnau-Alpinecoaster-Wegen-Zu-Hohem-Sessellift-Schisser 2006

#3, oT: Rechtfertigungsversuch eines Städtebauers
Geschrieben von Michelfeit am 09-Mar-07 um 13:13 Uhr

Bitte nicht immer auf die Städtebauer einhacken! Wir versuchen auch nur, eine - wie es das Gesetz sagt - gerechte Abwägung zwischen den privaten und den öffentlichen Belangen hinzukriegen.

Wenn insbesondere in Gewerbegebieten aufgrund schlechter wirtschaftlicher Zukunftsaussichten nur uninspirierte Stahlbetonfertigteilhallen gebaut werden, wenn in den Wohngebieten an den entscheidenden Kreuzungen nur winzige Holzfertighäuser entstehen, da die Grundstücke an Straßenecken aus heutiger Sicht die unattraktiveren sind und dort nur die weniger Wohlhabenden bauen, wenn Aldi nur Standardkisten erstellt und selbst die Kommunen bei leeren Kassen jede Gestaltungsidee, die mehr als einen Cent kostet, verwerfen, dann können wir Städtebauer auch nichts mehr retten.

Früher durften wir wenigstens noch ein paar Bäume vor das Elend pflanzen - heute sagen uns die Ökologen im Einvernehmen mit den Kämmerern, dass wir grünordnerische Maßnahmen viel billiger und ökologisch sinnvoller fernab jeder menschlichen Ansiedlung vornehmen sollen.

Disneyland gerne meinen Kollegen als Studienobjekt empfehlende Grüße,


Stefan A. Michelfeit - www.ridesonline.de
"Wir werden - einfach ausgedrückt - weniger, älter und bunter." (H. Rech IM BW)


#4, RE: Warnung vor Disneysierung
Geschrieben von Alex Korting am 14-Mar-07 um 23:16 Uhr

Schönes Beispiel aus der SZ von gestern:
(es geht um die Einwände gegen den Neubau auf der Berliner Museumsinsel)

"Die Initiatoren (Bürgerinitiative) wünschen sich geradezu eine Art Museumsinsel-Disneyland - um ein Paradoxon zu erhalten: etwas Altes, das hübsch neu ist. Kriegsspuren und Zeitschichten sind unerwünscht." (SZ, 13.3.07, Gerhard Matzig)


Im Prinzip hat der gute Herr Matzig auch recht mit seinem ganzen Artikel gegen die Bürgerinitiative, doch durch den gut gemeinten Disneyland Vergleich disqualifiziert er sich selbst, denn: Er stellt Disney als eine sterile neue Rekonstruktion von etwas Älterem dar, das nicht an die durch wahrhaftige Geschichte geprägten, also stilvoll schmutzigen, Originalbauten herankommt. Bei Disney ist es jedoch im Gegensatz zu manch anderem Park so, dass durch fiktive Hintergrundgeschichten (auch fiktive Bewohner mit fiktiven Angewohnheiten) sehr viele Details entstehen und auch eine gewisse schmutzige Authenzität in die Gebäude eingearbeitet wird.


#5, RE: Warnung vor Disneysierung
Geschrieben von maxpec am 15-Mar-07 um 01:12 Uhr

Letzte Bearbeitung am 15-Mar-07 um 01:17 Uhr ()
Wo ist denn eigentlich das Problem?
Die Museumsinsel ist ein absolut perfektes Beispiel: Da gab es einen Palast der Republik, den fand man ästhetisch und politisch nicht mehr ganz so schön, reißt ihn ab und baut dort ein historisiertes preußisches Stadtschloss auf. Man verwischt somit einmal mehr jegliche Spuren der Geschichte und der Realität, die es nun einmal gibt (!) und stellt sich ein Schloss an diese Stelle, das überhaupt garkeinen Bezug zur Gegenwart hat. Es ist gänzlich künstlich. Da liegt der Vergleich zu Disney nun einmal nahe und ich finde ihn nochnichtmal verwerflich! Aber: Disney ist eine aufgebaute Traumwelt. Disney erhebt nicht den Anspruch Realität zu sein. Disney konstruiert Welten, die niemals Realität sein können (und nicht nur Disney...). Das ist gut aber nie perfekt. Wir kommen nie an so etwas heran und wir sollten es auch nicht. Es ist auch gut, dass unsere Städte so aussehen, wie sie aussehen, denn sie sind echt und sie zwingen uns dazu, uns mit ihnen auseinanderzusetzen und kritisch zu sein. Auch ohne schöne Fassade! Ein Beispiel aus Frankfurt: Hier will man das Technische Rathaus aus den 60er Jahren abreißen und die Fläche, die in der Altstadt liegt mit neuen alten Fachwerkhäuschen bebauen, total gemütlich aber genauso daneben. Lasst uns doch die Realität so sehen wie sie ist, in allen Details, und uns überlegen warum sie so ist. Erst das macht doch den Reiz von Freizeitparks (nicht nur Disneyland) aus, sie sind anders als die Realität! Also lasst Disneyland, Disneyland sein und Realität, Realität!

#6, RE: Warnung vor Disneysierung
Geschrieben von Alex Korting am 15-Mar-07 um 14:34 Uhr

Widersprichst du jetzt mir oder der Bürgerinitiative?
Denn im Prinzip sage ich dasselbe wie du, und meine Kritik richtet sich nur gegen den unüberlegten Gebrauch des Disney Wortes.

#7, RE: Warnung vor Disneysierung
Geschrieben von maxpec am 15-Mar-07 um 16:19 Uhr

ich widerspreche der Bürgerinitiative. Mir ist schon klar, dass du im Grunde das selbe meinst, ich wollte es nur noch einmal untermauern... und klar machen, dass es einen Unterschied zwischen Freizeitparks und Realität gibt.

#8, RE: Warnung vor Disneysierung
Geschrieben von heiko am 15-Mar-07 um 18:54 Uhr

Hallo,

ja, Berlin ist immer ein gutes Beispiel für städtebaulichen Quatsch.
Erst das Schloß, jetzt, aktuell in der Dsikussion, die Museumsinsel.

1. ist das Stadtschloß das letzte, was Berlin braucht, zumal die Planungen dafür katastrophal sind und aus reiner Ideologie begründet (wie auch damals das Mahnmal). Wenn es kommt, wird es eine generationsübergreifende Baustelle mit Schloßfassade und fragwürdiger Nutzung.

2.Der Vergleich zu Disney ist hier wieder einmal weit hergeholt. Das Verständnis dafür sieht man in Äußerungen derjenigen, die diese Formulierung benutzen und auf Nachfrage sogar das Brandenburger Tor als Disney-ähnliche Inszenierung ansehen...

Eine sinnvolle Diskussion findet mit den Schloßbefürwortern leider nicht statt, da ihnen über die Jahre hinweg langsam aber sicher die polemischen und ideologischen Gründe für diese Geldverschwendung und Geschichtsverdrängung ausgegangen sind.

Der Entwurf für die Museumsinsel ist bei weitem nicht gelungen. Der angebrachte Vergleich mit der Pei Pyramide im Louvre ist mehr als weit hergeholt und zeigt wieder einmal das fehlende Feingespür und die nicht vorhande Qualifikation der hiesigen Stadtplaner, Politiker und Architekten, die sich mit der Stadt, ihrer Geschichte und ihren Menschen zu wenig beschäftigen, um vernünftige zukunftsorientierte und menschenfreundliche Architektur, historisch begründet, zu entwerfen (neben den Steinen, die ihnen von Wichtigtuern in den Bezirken und im Senat, in den Weg gelegt werden).
Die Diskussion kommt allerding wieder einmal zu spät- warum wurde dieser Entwurf im Vorfeld befürwortet?

Stadtplanung und Berlin sind leider immer wieder zwei Dinge, die auf Kriegsfuß stehen und immer mehr von der Politik bestimmt werden, unterstützt von fragwürdigen Stadtplanern, deren Ideologie meist im Verborgenen bleibt und keiner sinnvollen Diskussionen Stand hält, s. Flughafen Tempelhof, Alexa, Stadtschloß, Riesenrad, etcpp.!

Berlins Umgang mit der Historie bezüglich der Stadtplanung ist ein Kreuz und es werden weiterhin Fehler über Fehler begangen. Berlin ist geprägt von einer pseudohistorischen Stadtplanung, die das Stadtbild zum Schlechten gewendet hat und große Chancen verspielte- leider!
Es wird sich leider auch nichts ändern, so lange Politiker wie Wowi und J-Reyer das Sagen haben- aber der Berliner woltte sie ja!

angepisste grüße

heiko

allerdings werde ich nichts sagen, wenn Tempelhof geschlossen wird und Disney dort ein Projekt im Rahmen seiner Blue Prints baut- aber Berlin wird dort Wohnungen und Gewerbe hinstellen, fernab jerder sinnvollen Nutzung dieses infrastrukturell genialen Areals! Mir wird bei dem Gedanken schon jetzt übel!


#9, RE: Warnung vor Disneysierung
Geschrieben von Alex Korting am 15-Mar-07 um 19:26 Uhr

>Der Entwurf für die Museumsinsel ist bei weitem nicht gelungen. Der angebrachte
>Vergleich mit der Pei Pyramide im Louvre ist mehr als weit hergeholt und zeigt wieder
>einmal das fehlende Feingespür und die nicht vorhande Qualifikation ...

Ich dachte der Entwurf sei noch in Bearbeitung und würde erst im Mai veröffentlicht - was die Kritik an dem ungesehenen Entwurf eben doppelt so lächerlich macht.


#10, RE: Warnung vor Disneysierung
Geschrieben von heiko am 15-Mar-07 um 22:09 Uhr

>>Der Entwurf für die Museumsinsel ist bei weitem nicht gelungen. Der angebrachte
>>Vergleich mit der Pei Pyramide im Louvre ist mehr als weit hergeholt und zeigt wieder
>>einmal das fehlende Feingespür und die nicht vorhande Qualifikation ...
>
>Ich dachte der Entwurf sei noch in Bearbeitung und würde erst im Mai veröffentlicht -
>was die Kritik an dem ungesehenen Entwurf eben doppelt so lächerlich macht.

Wie Du so schön schreibst: Du dachtest!

Der bisherige Entwurf ist nicht gelungen- die überarbeitete Version kenne ich auch noch nicht vollends!
Nichtsdestotrotz kann dieses Projekt in Richtung der Reichstagskuppel gehen: Wettbewerb mit einem komplett anderen Entwurf gewonnen, überarbeitet und dann glücklicher Weise einen Meilenstein gesetzt.

gruß
heiko


#11, RE: Warnung vor Disneysierung
Geschrieben von Alex Korting am 15-Mar-07 um 22:14 Uhr

Ja gut, da habe ich nicht ganz genau gelesen, ich zitiere aus demselben Artikel wie oben (*Altpapier rauskram*):
"Der Aktionismus der Bürgerinitiative ist, erstens, durch die Tatsache diskreditiert, dass ausserhalb des Architekturbüros noemand die gültigen Pläne für das Zentralgebäude kennt. Der Entwurf soll erst im Mai vorgestellt werden."

#12, RE: Warnung vor Disneysierung
Geschrieben von heiko am 15-Mar-07 um 22:34 Uhr

Hallo,

es gibt ja schon Entwürfe des Architekturbüros und grundsätzlich halte ich Chipperfield nicht dafür geeignet, dieses historische wundervolle Ensemble zu ergänzen. Das ist vor allem der Kernpunkt des Anstoßes. Chipperfield hat seinen eigenen Stil, von dem er so gut wie gar nicht abrückt und dieser Stil paßt grundsätzlich nicht zu der dortigen Substanz!

Warum allerdings Chipperfield den Zuschlag bekommen hat ist vielleicht eine der Hauptfragen- da haben wieder einmal Stadtplaner und Städtebauer einen ganz tiefen Griff ins Klo gewagt- aber das ist halt Berlin.

Gerade gab es einen Talk mit Berlins neuer Stadtbaurätin- entweder bewirkt diese Frau sehr viel, aufgrund ihrer Inkompetenz Berlin gegenüber oder sie wird hier ganz schnell untergehen. Diese Präsentation der Frau ging ja gar nicht!

gruß
heiko