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Foren-Name: Plauderecke
Beitrag Nr.: 6032
#0, Experten warnen: Open Source wird sterben, wenn Softwarepatente kommen
Geschrieben von Marco am 22-Sep-04 um 17:05 Uhr
Letzte Bearbeitung am 22-Sep-04 um 17:28 Uhr ()
Hallo!

Zwei interessante Artikel, die nochmal eindringlich vor den Folgen einer Einführung von Software- und Logikpatenten warnen:

Ökonomin: Open Source wird sterben, wenn Softwarepatente kommen:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/51217

Wirtschaftsberater warnen EU vor Softwarepatenten:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/51132

Obwohl nur die internationalen Großunternehmen Softwarepatente befürworten (warum wohl...) und die gesamte europäische mittelständische Wirtschaft und alle IT- und Rechtsexperten vor den Folgen von Softwarepatenten warnen, bleibt die Bundesregierung stur bei ihrer Strategie, die Gefahren runterzuspielen. (Entweder verstehen sie es wirklich nicht, dann sollten sie aber wenigstens auf Experten hören oder sie verschleiern bewusst und mit vollem Wissen der Konsequenzen...)

Man darf auch nicht vergessen: Softwarepatente gefährden nicht nur Open Source, Freeware sowie kleine und mittlere Softwareunternehmen, sie kosten auch direkt und indirekt viele Arbeitsplätze und gefährden die Forschung in Europa.

Weiterhin haben sie auch das Potential, das Internet gründlich zu verändern und zwar in zweierlei Hinsicht: erstens basiert die Infrastruktur des Internet zu großen Teilen auf freier Software (Apache, sendmail, etc.), wenn das alles auf kommerzielle Lösungen umgestellt wird, werden die Kosten auch irgendwo weitergegeben werden und der Fortschritt verlangsamt. Der zweite Punkt sind die offenen, herstellerunabhängigen Standards: im Moment gibt es z.B. viel Wirbel, weil ein Standard zur E-Mail-Verifizierung zur Reduzierung von Spam in der Entwicklung ist, der aber aufgrund sehr weitgefasster Patente von Microsoft unter der Kontrolle von Microsoft stünde, was eine zügige Einführung gefährdet. Im Moment erlaubt Microsoft zwar die kostenlose Verwendung, verzichtet aber nicht auf das Patent. Dies lässt befürchten, dass es so läuft, wie öfters: zuerst gibt man sich die Aura der Offenheit und wenn sich Standards etabliert haben, diktiert man die weitere Entwicklung und die Lizenzbedingungen (siehe Kerberos). Ein kleiner Vorgeschmack, was das in Zukunft für Standards bedeutet - sie werden schlicht durch herstellereigene Lösungen ersetzt.

Hier im Forum hat es auch mal ein Beispiel gegeben, wie Webseiten aussehen würden, wenn Patente durchgesetzt werden.

Logikpatente bergen auch die Gefahr der Patentierung von Geschäftsideen und Geschäftsabläufen, wie man in den USA deutlich sehen kann.

Dabei lehrt die Geschichte, wie wichtig Standards für Wettbewerb und Verbraucher sind. Die einzigen, die aus propietären Lösungen Nutzen ziehen, sind die Firmen mit den Riesen-Patent-Portfolios. Selbst wenn ihre Klagen oft nicht gerechtfertigt sind, wird wohl kein kleines Unternehmen oder gar ein einzelner Entwickler das Prozessrisiko gegen ihre Milliarden-Rechtsabteilungen eingehen; eh man nach Jahren Recht bekommt, ist man längst pleite und verbittert, wenn man nicht gerade das Prozesieren zu seinen Hobbys zählt.

Um es mal etwas anschaulicher zu machen: Software- und Logikpatente übertragen auf das Urheberrecht würde bedeuten, dass nicht mehr ein Buch oder ein Musikstück als solches geschützt ist, sondern dass einzelne Noten, Buchstaben oder Wörter patentiert werden und jeder für deren Verwendung zahlen muss!

Software ist auch ohne Patente durch das Urheberrecht geschützt (was auch gut ist), aber Patente gehen zu weit!

Was kann man tun:

- Man kann sich auf den einschlägigen europaweiten Aktionsseiten informieren, wo man teilweise auch Online-Petitionen unterschreiben kann. Davon gibt es in allen europäischen Staaten mehrere, eine informative deutschsprachige Seite ist z.B.

Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur e.V.:
http://www.ffii.org/

oder auch: Free Software Foundation Europe
http://fsfeurope.org/

- Man kann sich an seine Abgeordneten und andere Politiker wenden, denen teilweise das Fachwissen fehlt, und ihnen klar machen, dass man die Folgen nicht akzeptieren möchte. Das Europaparlament ist halbwegs informiert, aber der deutsche Bundestag ist es kaum und dort glaubt man teilweise mangels eigenem Wissen den Beschwichtigungen des Justizministeriums.

- Jeder kann durch die Verwendung von Open Source-Produkten und/oder Produkten, die offene, herstellerunabhängige Standards verwenden statt eigene Dinge durchsetzen zu wollen, mithelfen, eine breite Basis zu schaffen und so auch Druck auf Patentinhaber ausüben, diese nicht missbräuchlich und zu umfassend zu verwenden.

Marco
Update: Ergänzungen und missverständlichen Link entfernt