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Beitrag Nr.: 7240
#0, WAZ: Satzungsgemäß amüsiert
Geschrieben von MarcelR am 04-Aug-08 um 11:55 Uhr
Satzungsgemäß amüsiert
Rhein-Ruhr, 03.08.2008, Hubert Wolf

Crange. Sie wissen oft mehr über die Fahrgeschäfte als die Betreiber: die Mitglieder des „Freundeskreis Kirmes und Freizeitparks”. Über 100 von ihnen nahmen das größte Volksfest der Region unter die Lupe.

Die Cranger Kirmes blinzelt in den neuen Tag, und siehe, er hebt gut an. Es ist Sonntagvormittag, an den Buden wird geschrubbt und geliefert, gehen erste Rolläden hoch, und einzig auf der „Wilden Maus” dreht ein einsamer, unbesetzter Wagen seine aufgeregten Kreise. Doch vor der Alpina-Achterbahn ist schon richtig Gedränge, über 100 Menschen bekommen hier orangefarbene Halsbändchen und verbilligte Fahrchips ausgehändigt, über 100 Menschen aus dem „Freundeskreis Kirmes und Freizeitparks FKF e.V.” Denn wo ist Achterbahn fahren am schönsten?

Im Verein.

Technikgeschichte
Auf einem Treppchen sitzt Marcel Ringhoff (30), Bürokaufmann aus Bochum, und erzählt, wie der Verein entstand, dem er nun vorsitzt. Das war vor über zehn Jahren, beim Hamburger Winterdom, wo einige Leute darüber ins nostalgische Gespräch kamen, dass der „Thriller” in die USA verkauft wurde: „Schade, dass man so eine wichtige Achterbahn nicht halten konnte”, sagt Ringhoff. Eine wichtige Achterbahn? Was folgt, ist eine technikgeschichtliche Würdigung unter besonderer Berücksichtigung des Kirmeskrieges der späten 1980er-Jahre – Thriller also war ein Schleudertraum.

Man sieht es schon: Den Kirmesfreunden geht es nicht nur darum, sich satzungsgemäß zu amüsieren. Sie verstehen sich als fachkundige Lobby der Schausteller, viele spricht auch die Technik an, oder sie treibt Nostalgie. „Ich liebe die Lichter, die Gerüche, die Geschäfte; aber auch das Morbide einer Kirmes und ihre Vergänglichkeit”, sagt der Dortmunder Marcus Preis. Aber jetzt kehren alle erst mal ein bei der Schwarzwald-Christel gemäß Paragraf 2 Absatz 3 Ziffer d ihrer Satzung: Danach ist der Zweck des Vereins unter anderem die „Durchführung von Veranstaltungen auf Volksfesten”.

Dazu gehört der jährliche Fan-Tag, wie dieser auf Crange, der erste überhaupt auf Crange; man darf das nicht verwechseln mit einem, naja, Arbeitstreffen wie am Vortag im Filmpark in Bottrop, wo sie mit 335 Leuten das neue Kinderland begutachteten und eine eigens für sie inszenierte Halloween-Schreckstunde kritisch beurteilen konnten (ja, wer Glück hatte, wurde sogar selbst kurz als Erschrecker angelernt!). Und ihre Jahreshauptversammlung ist wieder was anderes, wie die in Brühl zuletzt...


Der "Freundeskreis Kirmes und Freizeitparks e.V." mit seinem Vorsitzenden Marcel Ringhoff
(rotes T-Shirt) besucht die Cranger Kirmes. (Foto: WAZ, Matthias Graben)

„Wir fahren Karussell für einen guten Zweck”, sagt aber Marcus Preis; auch heute werden sie wieder spenden für den Kinderschutzbund und für die „Historische Gesellschaft des Schaustellerbundes”. Bei der Schwarzwald-Christel warten jedenfalls Sekt, Weizenbier, Schnittchen und Schausteller, und man diskutiert mit ihnen, wo es hingeht im Amüsierbetrieb.

Großgeräte zu teuer
„Stillstand ist Rückschritt”, sagt etwa Klaus Renoldi („Höllenblitz”), aber für den Betreiber einer Achterbahn ist das natürlich eine Selbstverständlichkeit. Die Zeit der Großgeräte laufe ab, zu hoch seien Investition und Transportkosten. Michael Senk („Höllentaxi”) kann da nur beipflichten: „Beim Höllentaxi müssen wir Kosten reduzieren, um an die Einnahmen von unserem Crepes-Stand heranzukommen.” Nach einer Stunde Diskussion wundert sich Anja Goetzke („Star Flyer”), dass „Sie, die Fans, viel mehr wissen über Fahrgeschäfte als wir”. Und am Ende bedankt sich Schausteller Karl Häsler („Psychodelic”): „Das war ein tolles Treffen, und nachher bin ich noch begeisterter, wenn Sie bei mir drin waren.”

Dann dürfen sie endlich auf die Kirmes. Im Programm steht: „Gruppenfoto vor der Alpina Bahn, danach gemeinsame Fahrt.” Sie fahren einfach Achterbahn? Natürlich nicht: Sie kommen darauf, dass hier bis 2007 der Eurostar stand. Der Eurostar war größer als die Alpina Bahn, doch er ist verkauft. Im Gorki-Park in Moskau erfreut er jetzt die Russen. „Dass man so eine wichtige Achterbahn nicht halten konnte . . .” Und so teilt sich auch einem Club von Kirmesgängern mit, was sich gerade verschiebt in der Welt.

Quelle: Der Westen