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#0, Dollywood entführt mit Hillbilly-Music in die Pionierzeit
Geschrieben von Michelfeit am 16-Feb-08 um 22:45 Uhr
Besuchermagnet

"Dollywood" entführt mit Hillbilly-Music in die Pionierzeit

PIGEON FORGE (dpa) - "Dollywood" ist eine Besuchermagnet, allerdings kein Vergnügungspark im herkömmlichen Sinn. Eher ist es eine Mischung aus Heimatkunde-Museum, zünftiger Cowboy-Kultur und Rummelplatz auf 60 Hektar bewaldetem Hügelland am Rand der Appalachian Mountains im tiefen Süden der USA im Staat Tennessee.

Eine Frau im altmodisch-langen Baumwollkleid mit Schürze und Häubchen rührt in einem großen Kessel Seife zusammen: Lye-Soap, ein altes Allheilmittel, das gegen Läuse und Ausschlag ebenso helfen soll wie gegen hartnäckige Flecken auf Holzböden.

In Annies Seifenküche ist die Zeit irgendwie stehengeblieben. Aber um die kleine Holzhütte herum tummeln sich Touristen aus dem 21. Jahrhundert und bestaunen ein Amerika, wie es früher einmal war - und wie es im Freizeitpark "Dollywood" in Pigeon Forge am Fuße der Smoky Mountains täglich naturgetreu dargestellt wird.

Cowboy-Romantik garantiert

In der Schmiede neben der Seifenküche hämmert ein breitschultriger Mann auf dem Amboss ein rotglühendes Stück Eisen zu einer scharfen Spitze zurecht. Beim Wagenbauer nebenan entstehen unter Getöse große Holzräder für altmodische Pferdekutschen. Glasbläser, Holzschnitzer, Kerzengießer, Weber, Töpfer, Buchbinder und Geigenbauer demonstrieren ihr Handwerk in den vielen altmodischen Werkstätten der Pionierzeit. Es gibt Apfelmus, wie von Urgroßmutter gemacht, und saftige Barbecue-Spezialitäten vom Schwein.

Gäbe es dazu nicht Cola aus dem Automaten, könnte der Besucher wirklich glauben, er befinde sich im Amerika des 19. Jahrhunderts. "Dollywood" ist kein Vergnügungspark im herkömmlichen Sinne. Es ist eher eine Mischung aus anschaulich dargebotener Heimatkunde mit einem Schuss Cowboy-Romantik und angegliedertem Vergnügungspark. Anstelle von lustigen Mickymäusen lächeln artig beschürzte und Kopftuch tragende Hostessen in die Kameras der Besucher. Wasserfälle rauschen und riesige Mühlräder klappern. "Wir sind größer als das ursprüngliche Disneyland", sagt stolz "Dollywood"-Sprecher Pete Owens. "Und unser Maskottchen hat natürlich auch Größeres vorzuweisen als ein paar lausige Mäuseohren."

Familie steht im Mittelpunkt

Damit ist natürlich die Country-Ikone Dolly Parton gemeint und ihre weltberühmte, pralle Oberweite. Die platinblonde Sängerin hat "Dollywood" nicht nur den Namen gegeben, die Entertainerin hat dem Vergnügungspark insgesamt ihren Stempel aufgedrückt. Unterhaltung für die ganze Familie ist angesagt. Großeltern, Vater, Mutter und Kinder sollen sich hier gleichermaßen amüsieren. Nach echter konservativer Südstaatentradition: adrett, züchtig und nett, dazu eine Prise Patriotismus und Gottesglauben. "Dolly ist die kreative Kraft hinter all dem hier", sagt Owens.

Dolly hat hier sogar eine Wohnung im Obergeschoss eines malerischen Fachwerkhauses. "Manchmal mischt sie sich einfach unters Besuchervolk, um die Atmosphäre unerkannt genießen zu können", verrät Steve. Alle aber, die sie kennen, versichern übereinstimmend: Die vielfache Grammy-Gewinnerin ist auch mit ihren 62 Jahren immer ein echtes Südstaaten-Girl geblieben - warmherzig, bescheiden und bodenständig.

Dolly Rebecca Parton, lernt man in ihrem Museum "Chasing Rainbows" gleich am Eingang des Vergnügungsparks, wurde am 19. Januar 1946 in dem kleinen Dorf Locust Ridge in den Great Smoky Mountains in eine Großfamilie geboren. Schon mit neun Jahren begann sie zu singen, Lieder zu schreiben und hatte erste Auftritte beim lokalen Radiosender im nahen Sevierville. Mit zehn war sie regelmäßiger Fernsehgast in einer Show im größeren Knoxville. Nach dem Schulabschluss packte Dolly ihre Koffer, fuhr ins Musik-Mekka Nashville und gabelte dort noch am gleichen Nachmittag ihren künftigen Ehemann Carl Dean auf. Ihre Gesangskarriere war nicht mehr aufzuhalten. In diesem Jahr geht sie auf Europa-Tournee.

Partons Entertainment-Unternehmen "Dollywood Co." macht nach Schätzungen des "Wall Street Journals" Einnahmen von jährlich 24 Millionen Dollar. Die Rechte an ihren 3000 eigenen Songs hat die Sängerin von jeher selbst behalten und verwaltet.

Aber bei all diesen Millionengeschäften im knallharten Showbiz blieb Dolly offenbar auf dem Teppich. Als ihre größte Liebe gilt das Liederschreiben und das Singen von Country- und Bluegrass-Songs aus ihrer Heimat. Parton vereint in sich die Gegensätze ihrer Welten: den Glamour der Bühnen mit der heimeligen Gemütlichkeit ihrer ländlichen Herkunft. Ihre Memorabilien-Sammlung "Chasing Rainbows" ist genauso eingerichtet wie ihr eigentliches Zuhause, das alte Bauernhaus in Locust Ridge.

160 Millionen Dollar investiert

"Dolly wollte ihrer verarmten und von Arbeitslosigkeit geplagten Heimat im Osten von Tennessee etwas zurückgeben", erklärt "Dollywood"-Publizistin Trish McGee. Deshalb hat sie sich 1986 mit dem Entertainment-Imperium der Herschend-Familie zusammengetan, einen alten Rummelplatz in Pigeon Forge gekauft und mit 160 Millionen Dollar zum heute berühmten "Dollywood" ausgebaut. Mehr als 2000 Angestellte arbeiten hier, und gut und gerne drei Millionen Besucher strömen pro Jahr in den rustikalen Vergnügungspark und in da angrenzende Tochter-Unternehmen, das grandiose Wasserrutschenparadies "Splashcountry Waterpark".

In dem Märchenland tragen die verschlungenen Wege zu den Attraktionen Namen alter Ortsmarken aus der Pionierzeit. So geht es unter hohen Bäumen durch das Handwerkertal und die Holzfällerschlucht in den Traumlandwald, zur Kirchweih oder ins Dorf. Die steilste Achterbahn ist der Tennessee-Tornado. Für Gänsehaut sorgt zudem die Holzbahn Thunderhead. Wem das alles zu aufregend ist, der kann ein Boot nehmen, Dampfeisenbahn oder Kettenkarussell fahren. Ein steil abfallendes Waldareal ist mit kaum erkennbaren Nylonnetzen überspannt und bietet mehr als 40 Weißkopfadlern Schutz. Die Tiere stammen aus einem benachbarten Adler-Sanatorium und können wegen Verletzungen oder weil sie sich zu sehr an den Menschen gewöhnt haben, nicht wieder in die Freiheit entlassen werden. Falkner führen dem Publikum dressierte Adler, Eulen und Bussarde in der Show "Wings of America" vor.

Eine Kirche mit Gottesdienst darf im gläubigen und konservativen "Dollywood" ebenfalls nicht fehlen. Draußen rattert die Dampflok "Klondike Katie" aus der Holzfäller-Ära vorbei.

Dolly Parton, die beruflich oft in Nashville weilt, hat die beste Country-Musik der USA in ihren Vergnügungspark geholt. In fünf großen Konzerthallen und auf zahllosen kleineren Open-Air-Bühnen finden mehrmals am Tag Konzerte, Musical- und Theateraufführungen statt. Bluegrass- und Gospelfestivals, Erntedankfeiern, internationale Folkloretreffen und natürlich Weihnachten werden mit volkstümlichem Brimborium begangen.

Illusionen wecken Stolz

Hier kann sich die in den USA jahrzehntelang verhöhnte Hillbilly-Music des Südens in voller Pracht präsentieren. Es ist ein Stückchen aufpolierter Heimatkunde, aus der die dunklen Flecken der Vergangenheit entfernt worden sind. Die meisten Besucher sind Amerikaner aus den Nachbarstaaten von Tennessee. Sie finden bei diesem illusionären Trip in die Vergangenheit jeden Grund, auf ihre Herkunft wieder einmal richtig stolz zu sein.

Freilich lässt sich auch "Dollywood" seinen Südstaatencharme mit harten Dollars bezahlen. Und doch: Kaum ein Vergnügungspark der Welt hat in diesen Deal so viel spürbares Gefühl investiert. Irgendwie wirkt dieser ganze Zinnober authentisch.


Quelle: Schwäbische Zeitung vom 09.02.2008


Stefan A. Michelfeit - www.ridesonline.de
"Wir werden - einfach ausgedrückt - weniger, älter und bunter." (H. Rech IM BW)