#0, Kirmes-Automaten
Geschrieben von Shakergirl am 02-Jan-07 um 14:47 Uhr
Ein etwas stiefmütterlich behandeltes Thema im Zusammenhang mit Kirmes & Co. sind die Automaten. Vielleicht wäre es mit Euch zusammen einmal möglich, zu beleuchten, welche Arten es gibt (oder gab), wie sie aussehen (also Fotos) und welche Hersteller es dafür gibt (oder gab). Ich meine hier in erster Linie übrigens nicht unbedingt Automaten wie Pennypusher & Co, sondern eher Box-, Wahrsage- und ähnliche Automaten. Mich würde auch interessieren, wie sie funktionieren, wann die ersten Automaten entstanden und sonstige Informationen.Hier einmal zwei Beispiele:
#1, RE: Kirmes-Automaten
Geschrieben von Maaahzel am 02-Jan-07 um 15:51 Uhr
Letzte Bearbeitung am 02-Jan-07 um 17:45 Uhr () Oha, Claudia!Da hast Du aber ein sehr interessantes, sehr breitgefächertes Thema angesprochen. Eines meiner Lieblingsthemen, auch wenn ich das noch nie auf Kirmes bezogen betrachtet habe. Bei den Wahrsageautomaten (engl. Fortune Tellers) komme ich bis in die späten 1910er, frühen 1920er Jahre zurück, wenn man den Blick über den großen Teich wagt. Wobei sich das exakte Jahr des ersten FT genauso wenig bestimmen läßt wie die Antwort auf die Frage: Welcher war den nun der erste? In den Staaten fanden die FT, wie alle anderen "coinoperated" Automaten hauptsächlich Verbreitung in den s.g. Penny-Arcades bis dann die Welle wohl zeitgleich nach England so wie nach Deutschland schwappte (ca. Mitte/Ende der 30er nach UK, nach dem Krieg auch wieder nach Deutschland). Hier die 1936er(?) Version von Grandmother's Predictions von International Mutoscope, Long Island, NY. Diese wurde noch einige Male abgewandelt (zB als Clevelands Grandmoterhs, usw) und hatte später in den richtig aufwändigen Versionen eine Figur, die die Karten legte und bei der es sogar so aussah, als würde sie atmen (Brustkorb hob und senkte sich) und ein Blick in den Kartenausgabeautomatismus Noch älter (verm. 1926) ist der "The Wizard Fortune Teller" von Mills Novelty Company, zu dem ich auch einen interessanten Text gefunden habe, der darauf hindeutet, dass die Geschichte der FT noch weiter zurück reicht: The Wizard Fortune Teller, Mills Novelty Company, 11/26, metal table top fortune teller with a rotating paper disk that shows the patron's fortune. In the 1910s Mills Novelty made an early floor model spinning fortune teller. Then they made this countertop wood case model, the "Wizard" in the early 1920s. Doch vermutlich kann man noch weiter zurückgehen in der Zeit. Belegt ist ein FT von den Roover Brothers, der bereits 1891 produziert worden sein soll. The Donkey Wonder. Den gab es bis 1910 noch abgewandelt als Elephant Wonder, Puss in Boots und Madame Zeta. Bei den Liebestestern (engl. Love Tester) kommt man zeitlich ähnlich weit zurück, so bis Mitte der 1930er Jahre ist schon mal gar kein Problem. Auch hier ist wieder schwierig zu sagen, wann den wohl die ersten wirklich auftauchten, und wann der echte erste das Licht der Welt erblickte. Der Love Pilot könnte eines der ersten Geräte dieser Art gewesen sein. (Der Love Pilot war die Abwandlung des Carreer Pilot)
Warscheinlich aber noch einige Jahre älter und noch verbreiteter war dieser Love Tester zu dem ich aber leider keine genaueren Angabe (Erscheinungsjahr) habe. Es soll als Ausstellungsstück auf einer Messe aufgetaucht sein, hergestellt von Exhibits Supply, in den 1910er Jahre?? Wie man vielleicht sieht, ist es gar nicht so leicht, hier Material zu finden das valide ist und aus denen sich sowas ähnliches wie eine Geschichte und ihre Verbreitung ableiten und ablesen läßt. Bei den Boxautomaten (Deliver A Punch) muss ich daher noch ein wenig kramen. Was man allerdings mit Sicherheit sagen kann ist, dass die ersten "Kirmesautomaten" in Deutschland vermutlich die sogenannten Mutoscopes gewesen sein dürften, deren Funktionsweise wie folgt beschrieben ist: Player inserts a coin which engages the gears to a hand crank on the outside of the viewer. As the player turns the handle, a light turns on illuminating the moving pictures. The reel of about 850 still card pictures flips by, giving an animmated movie. The player can control the speed of the film, and can stop the animation any time for a closer look. After a full revolution of the movie reel, the gears disengage, and the light goes off. The user can no longer view anymore of the reel until another coin is inserted. Diese Automaten reichen bis ca. 1870 zurück und ich weiss, dass zB Hugo Haase mehrere dieser Geräte besaß und betrieb. Wo, wie und welche genau ist mir allerdings unbekannt. Es soll sich dabei um die so genannten "Peep Reels" gehandelt haben - ein Schelm, wer jetzt Unanständiges dabei denkt. Allerdings hätte er recht... Bei Interesse krame ich gerne noch ein wenig mehr rum... Gruß Marcel Si non confectus, non reficiat.
#2, RE: Kirmes-Automaten
Geschrieben von Maaahzel am 02-Jan-07 um 17:05 Uhr
Letzte Bearbeitung am 02-Jan-07 um 17:18 Uhr () So, die Boxautomaten waren doch nicht so schwer. Offensichtlich gab es 1900 den ersten Punching Bag von Mill's Novelty. Hier eine Werbung eines späteren GerätesEs ist zu vermuten, dass diese Geräte genau wie die FT und LT in Europa nachgebaut wurden, da eigentlich immer nur US-Patente beantragt wurden. (Soweit ich das jedenfalls nachvollziehen kann). Allerdings haben die Patente selten dazu geführt, dass die Geräte nicht von anderen US-Herstellern nachempfunden, modifiziert und neupatentiert wurden. Hier zB eine Version von 1910 von American Mutoscopes mit einem Blick ins Innere auf den Mechanismus Selbst der heute noch (für andere Sachen) bekannte Hersteller SEGA hat einen Punch Bag im Programm: ebenfalls mit einem Blick auf die Mechanik Interessant (für die Kirmes) dürften auch noch das Grip-o-Meter (man drückt an einem Handgriff etwas zusammen, und testet die "Zudrückkraft der Hand") hier eine späte Version (1940) von Gottlieb
das Test Your Strength (quasi wie Gewichtheben) sein. Hier eine 1925er Version von einem (mir) unbekannten Hersteller: Und natürlich das Skee-Ball (vermutlich 1909), dass es noch bis heute gibt (weniger ein Automat eher ein Reihenspiel), hier links im Bild in einer Arcade: Gruß Marcel Si non confectus, non reficiat.
#9, RE: Kirmes-Automaten
Geschrieben von Shakergirl am 02-Jan-07 um 23:22 Uhr
Puuuh, Marcel, Du scheinst Dich ja schon eine Weile mit dem Thema beschäftigt haben! Ein dickes Danke für die Bilder und Erklärungen!Trotzdem würde ich mich über noch mehr Informationen natürlich freuen! Der Automat in "BIG" mit Tom Hanks war - wenn ich mich richtig erinnere - kein Wahrsageautomat, sondern hat nur "Wünsche erfüllt". Gab/gibt es solche Automaten wirklich?
#10, RE: Kirmes-Automaten
Geschrieben von Maaahzel am 02-Jan-07 um 23:27 Uhr
Gerade wo Du Dich meldest, schreibe ich gerade noch ein bißchen was zusammen. Ich hoffe, da stecken noch mehr Infos für Dich drin.War der Automat im Film nicht ein Modell Zoltan? Dann ist das nicht schwierig herauszufinden. Ich habe den Film länger nicht gesehen, meine aber diesen Namen im Kopf zu haben. Ich würde sagen, er fällt ebenfalls unter den Begriff der FT, deren Prinzip ja ist: Frage stellen, Antwort erhalten. Und wenn ich mich recht entsinne, schmiss das Ding doch eine Karte aus mit dem Text: "Your wish was granted", oder so ähnlich? Gruß Marcel Si non confectus, non reficiat.
#13, RE: Kirmes-Automaten
Geschrieben von Shakergirl am 03-Jan-07 um 23:30 Uhr
>Und wenn ich mich recht entsinne, schmiss das >Ding doch eine Karte aus mit dem Text: "Your wish was granted", oder so ähnlich? >Ja, genau so ist es!
#3, Urvater des "Kirmeskran"?
Geschrieben von Maaahzel am 02-Jan-07 um 17:48 Uhr
Einen habe ich noch, auch wenn ich glaube, dass Du in die Richtung nicht wolltest. Den vermeindlichen Urvater des Kirmeskrans.1926-1931 Bartlett Nickel Digger Description: Text and picture by J Roller. This is the first true Carnival Digger. It was designed by carnival man William Bartlett following World War One, and patented in the U.S. and Canada in 1935. It was never offered for sale to other operators. These diggers were operated with great success from the mid-1920's until 1951 traveling with major carnivals in the U.S. and Canada. Employee-agents (associates), were hired and trained by Bartlett to operate carnival concession units of 12 to 16 diggers each. The awards offered to the players as prizes were coins (nickel coins, and on up to silver dollar coins), and the games were known in the trade as “Nickel Diggers”. At the time of Mr. Bartlett's death in 1946 he had over 40 operators in the field supplying digger concessions to all of the major carnivals of the day. Bob Parker continued this business operation successfully, acting as the manager for the estate of Mr. Bartlett, but the end of U.S. operations came abruptly in 1951 with the implementation of a new Federal anti-gambling law known as the Johnson Interstate Transportation Act. The Bartlett type of digger, and all others which were powered by an electric motor, were illegal to cross state lines from 1951 until the mid-1970's. Some of the Bartlett/Parker type Nickel Diggers operated for another 20 years in Canada, but they were finally closed-down for good by the Royal Canadian Mounted Police in Edmonton, Alberta in July of 1975 on the grounds that they were gambling devices. Bartlett “Miami” Digger. Gruß Marcel Si non confectus, non reficiat.
#4, RE: Kirmes-Automaten
Geschrieben von stilbruch am 02-Jan-07 um 18:53 Uhr
Das sind ja total klasse Bilder, ich bekomme große Lust mir so ein nostalgisches Teil ins Wohnzimmer zu holen. *mal auf suche geh*Da gab es doch auch mal so nen Film mit so nem Jungen der älter wurde als er sich an so einem Teil ne Wunschkarte abholte. Seither finde ich die Dinger irgendwie faszinierend, Gruß Dirk "auf Terrasse nur Kännchen"
#5, bisl OT: Film
Geschrieben von Sarion am 02-Jan-07 um 18:57 Uhr
>Da gab es doch auch mal so nen Film mit so nem Jungen der älter wurde >als er sich an so einem Teil ne Wunschkarte abholte. Ja, Big mit Tom Hanks in der Hauptrolle. Da musste ich auch spontan dran denken. Gruß, Stefan !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
#6, OT: Vorsicht beim Kauf
Geschrieben von Maaahzel am 02-Jan-07 um 19:31 Uhr
Ich kann Deine Faszination verstehen, rate Dir aber nicht einfach so drauflos zu kaufen. Entweder machst Du einen vermeindlichen Schnapp und sitzt dann auf einer vollkommen runtergekommenen Maschine, an der Du erstmal ein paar Monate zur Restauration sitzt, oder aber Du zahlst eine (vielleicht sogar gute) Instandsetzung mit viel zu viel Dollars. Es gibt einige Händler in den Staaten und im Vereinigten Königreich, die Dir uU ganz passable Angebote machen können. Ich würde daher darauf verzichten, es bei Ebay zu versuchen. Aber das nur als gutgemeinter Tipp. Gruß Marcel Si non confectus, non reficiat.
#7, RE: OT: Vorsicht beim Kauf
Geschrieben von stilbruch am 02-Jan-07 um 19:36 Uhr
Danke, Tip angekommen, ich frag Dich glatt vorher.Gruß Dirk "auf Terrasse nur Kännchen"
#8, OT: Ein Ort zum Stöbern
Geschrieben von Maaahzel am 02-Jan-07 um 20:15 Uhr
http://www.melright.com/bryans/index.htm#listingAngebote zu den Bryans Penny Arcade Machines and Vendors gibts dann auf der Unterseite: http://www.melright.com/bryans/collect.htm Hier kannst Du ja mal schauen, ob was nach Geschmack und Value dabei ist. Vielleicht klingelt ja bei dem einen oder anderen was beim Familienname Bryan... ich sag nur Tamworth... Achja, auch lohnt sich ein Besuch in Blackpool. Da gibts eine kleine Coin-Op Ausstellung zum Anschauen und Ausprobieren. Soweit ich weiss gibts im BPPB auch jemandem im Mangement, der sich dem Thema verschrieben hat, und ein "addicted collector" ist. Überprüfen konnte ich es noch nicht, da ich den Namen leider vergessen habe. Gruß Marcel Si non confectus, non reficiat.
#12, RE: OT: Ein Ort zum Stöbern
Geschrieben von stilbruch am 03-Jan-07 um 01:58 Uhr
oh weh... schick mir bitte nie wieder so einen Link. *sabber*Gruß Dirk "auf Terrasse nur Kännchen"
#11, Vielleicht auch auf der Kirmes?
Geschrieben von Maaahzel am 03-Jan-07 um 00:07 Uhr
Folgt man der Geschichte der "Coin-Ops" so sind Waagen die ersten richtigen CO gewesen. So soll es Percival Everitt, ein Londoner Ingenieur gewesen sein, der die "Scales" erfand und damit sowohl in den UK als auch den USA eine komplett neue Industrie begründete. Nichts anderes als eine Personenwaage. Münze rein, es passiert was, fertig. Zitat aus dem Buch Lollipop Scales:Everitt was the "Father of British Coin Machines," and as such was also the founder of the American interest in machines of this class as he came to the United to make his fortune with his vending, shocking, strength test and weighing machines. Ob es richtig ist, ich weiss es nicht und kann es auch nicht überprüfen. Allerdings legt die Geschichte nah, dass Waagen, in welcher Ausfertigung auch immer gemeinsam mit den Mutoscopes die ersten Automaten auf der deutschen Kirmes waren. Waren sie doch "Maschinen des Vergnügens" und wo passt sowas besser hin als auf den Rummel? Ein Produkt von Percival Everitt aus dem Jahr 1889 namens Liebes-Waage spricht ebenfalls für die Verbreitung in Deutschland. Ob es das aber tatsächlich gegeben hat, kann ich wieder nicht überzeugend verifizieren. Ich hab nur diesen Eintrag als "Beweis" http://www.arcade-museum.com/game_list.php?letter=L&type=Scale Ich muss an dieser Stelle allerdings einmal darauf hinweisen, dass ich auf dem "deutschen" Auge leider blind bin, denn es gibt so gut wie keine Recherche Resourcen. Es gibt zwar Automatix (sehr stark in Sachen Groschengräber, aber das ist nichts mit Kirmes) und auch die eine oder andere Website. Aber wenn man wirklich der Theorie folgt, dass Everitt der Godfather of CO ist, und dass sich der Bedarf und das Interesse an diesen hauptsächlich in UK und US entwickelte, kann man verstehen, warum es so wenig Material aus dem deutschen Raum gibt. Sicher gab es auch bei uns Hersteller von CO und sicher gab es da auch eine Verbindung zur Schaustellerei. Aber ich habe da bisher wenig herausgefunden. Was aber auch vielleicht daran liegt, dass ich das ganze Thema noch nie aus dem Blickwinkel Kirmes betrachtet habe. Ich vermute einfach einmal, dass die Trends immer entweder aus den Staaten oder aus dem Königreich kamen, und dann in Kontinentaleuropa kopiert wurden. Die bis heute anhaltende Präsenz von Zamperla im Bereich "Kirmesautomaten" legt das ebenfalls nah. Falls Du Dich selber auf die Suche machen möchtest, habe ich Dir ein paar interessante Quellen herausgesucht. Nicht alle davon sind ergibig, andere sprudeln dafür wie nur was. Manches lenkt in die falsche Richtung, anderes lädt durch eine Bilderflut zum Verweilen ein. Viele davon kannte ich schon vor Deinem Posting, wieder andere habe ich erst heute beim "nethunting" gefunden. Ich hoffe, es ist was für Dich dabei, und wenn Du mehr brauchst oder den Überblick verlierst sag gerne bescheid. Ich bin gerne behilflich, denn fast acht Stunden Recherche heute zeigen mir, dass ich bei diesem Thema ebenfalls Blut geleckt habe... Here We Go: (stell Dich schonmal auf viel englisch ein) Internet www.gameroomantiques.com www.pennymachines.co.uk www.arcade-museum.com http://marvin3m.com/arcade/index.htm www.melright.com/bpslots/ Bücher (deutsch) Alte Münzautomaten, Struckmeier und Metz 1988, Verlag Callwey, München, ISBN 3-7667-0903-8 (deutsch) Automaten Welten: FreiZeitzeugen des Jahrhunderts von Hornbostel & Jockel 1998, Prestel-Verlag, München - New York, ISBN 3-7913-2022-X (engl) Arcadia: Slot Machines of Europe & America von Jean-Claude Baudot 1988, DJ Costello Ltd, Kent, ISBN 0-7104-2052-8 Gruß Marcel Si non confectus, non reficiat.
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