Erschienen im heutigen KSTA:Leben auf der Achterbahn
VON THORSTEN KELLER, 07:35h
Ein Amerikaner rast tagelang im Rekord-Rausch auf und ab im Freizeitpark. Richard Rodriguez hat seinen Puls unter Kontrolle und bietet sich als Forschungsobjekt für Raumfahrtexperten aus Porz an. Richard Rodriguez hat seinen Puls unter Kontrolle und bietet sich als Forschungsobjekt für Raumfahrtexperten aus Porz an.
Köln / Haßloch - Am höchsten Punkt der Achterbahn rauscht die „Expedition Ge-Force“ - wie das Gefährt des Münchner Konstrukteurs Werner Stengel heißt - aus 62 Metern mit Tempo 120 beinahe senkrecht in die Tiefe. Um dem heftigen Absturz im 82-Grad-Winkel noch einen kleinen Kick zu geben, hat Stengel die Schienen zudem um 74 Grad um die Längsachse gedreht. Dann geht es wieder steil nach oben, und die Insassen haben das Gefühl, dass es sie im nächsten Moment aus dem Sitz reißt. Die Fahrgäste im Holiday Park in Haßloch in der Pfalz quittieren den spektakulärsten Abschnitt der 1,3 Kilometer langen Bahn mit spitzen Schreien.
Neben den aufgeregten Besuchern fährt in der Achterbahn ein drahtiger, braun gebrannter Mann mit, den diese Höhen und Tiefen nicht beeindrucken, er wirkt fast etwas gelangweilt. Als die anderen Passagiere am Ende der Fahrt auf wackeligen Beinen dem Ausgang zustreben, bleibt Richard Rodriguez (43 Jahre alt ) sitzen. „Er fährt und fährt und fährt“, sagte am Montag eine Parksprecherin.
Hundert Stunden lang saß der Universitätslehrer aus Chicago da am Montag in der Bahn. Mit seinem tagelangen Leben auf der Achterbahn will er ins Guinness-Buch der Rekorde. Bereits im vergangenen Sommer hatte er 104 Tage in der Haßlocher Achterbahn - sie soll die beste der Welt sein - abgesessen, und dabei 28 000 Kilometer zurückgelegt.
Das harte Guinness-Reglement lässt so lange Pausen nicht zu: Deswegen fährt Rodriguez in diesem Jahr Tag und Nacht, nur alle acht Stunden darf er seinen Waggon für 15 Minuten verlassen. Deswegen befindet sich in der Bahn die Spezialanfertigung eines Klos im Kofferformat. Die Nachtstunden verfährt Rodriguez auf der zweiten Achterbahn im Holiday Park: Der „Superwirbel“ hat über 20 Jahre auf dem Buckel, der Streckenverlauf ist nicht so steil und spektakulär wie auf der „Ge Force“, dafür hat diese Bahn zwei Korkenzieher-Loopings.
Durch seinen Achterbahn-Marathon im Sommer 2002 wurde Rodriguez nicht nur zu einem Marketing-Zugpferd für den Holiday Park, er hat sich auch zu einem gefragten Studienobjekt gemausert. Für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), aber auch für die Bundesluftwaffe stieg der Amerikaner immer wieder verkabelt in die Achterbahn, um ein Belastungs-EKG erstellen zu lassen.
Dabei kam heraus, dass Rodriguez selbst den ersten Absturz auf der Ge Force mit einem Ruhepuls zwischen 75 und 80 stoisch über sich ergehen lässt. Normal wäre an dieser Stelle eine Herzfrequenz von 130. Friedhelm Baisch, bei der DLR in Porz zuständig für die Herz-Kreislauf-Forschung, hat dafür zum jetzigen Zeitpunkt nur diese Erklärung: „Es gibt Menschen, die haben die Möglichkeit, nur durch Willenskraft und mentale Anstrengung ihre Herzfrequenz zu regulieren.“