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Foren-Name: Tagesberichte & Fotoserien
Beitrag Nr.: 3716
#0, Das Westjordanland
Geschrieben von Substitute am 23-Feb-10 um 18:50 Uhr
Grundsätzliches über Israel

Nach Abschluss meiner Reise möchte ich gerne zu den für mich entscheidenden Flecken des Landes noch etwas schreiben. Neben meinem langen Aufenthalt in Tel Aviv, einer wirklich bemerkenswerten Stadt, war ich jedoch zum Schluss auch an Orten, die wesentlich fremdere, eigentümlichere Bilder in mir hinterlassen haben. Dazu gehören vor allem mein Trip durch das Westjordanland und die Siedlung Kfar Yuval an der libanesischen Grenze.

Die vielen Anekdoten, die sich aus einem längeren Aufenthalt in Tel Aviv ergeben, klammere ich nun einmal aus. Und auch meine Woche in Yeruham, der kleinen Negev-Provinz, lasse ich außen vor. Denn viel entscheidender für den nachhaltigen Geschmack, der mir von Israel bleibt, sind natürlich die Palästinenser und die Eindrücke eines 2006 im Libanonkrieg bombardierten Fleckchens in unmittelbarer Grenznähe – sowohl zum Libanon, wie auch zu den annektierten Golanhöhen.

In diesem Text möchte ich aber ausschließlich vom Westjordanland schreiben.

Das Westjordanland

Mein Trip in die Westbank begann frühmorgens von Be’er Sheva aus, der „Wüstenhauptstadt“, gemeinsam mit einer deutschen Arabistik-Studentin. Wir fuhren mit dem populären und günstigen Egged-Bus hinauf nach Jerusalem und bahnten uns dort den Weg zur Mauer. Dieser Weg wird von israelischer Seite dadurch erschwert, dass es keinen direkten Bus bis an den innerstädtischen Checkpoint gibt. So fährt man erst mit der Linie 1 bis an die Grenze Ostjerusalems, steigt dort – im gemischten Bezirk - in ein arabisches Sammeltaxi und lässt sich bis kurz vor die Mauer fahren.
Diese Mauer sieht der Berliner Mauer viel ähnlicher, als ich es je erwartet hätte. Nur höher ist sie. Und auf israelischer Seite steril, grau, eintönig.
Über eine Rampe läuft man in den Sicherheitsapparat, der aus Q-Lines, Durchsuchungszimmern und einem Anhängsel nicht weiter einsehbarer Räumlichkeiten besteht. In diesem Gebäude angekommen, gibt es unterschiedliche Wartereihen für Araber und Nicht-Araber. Wer kein Araber ist, der hat – so will es der Zynismus - in diesem Fall den Quickpass. Die arabische Schlange ist gedrängt, ängstlich, man hört lautes Geschrei- und Gesprächsgewirr, weinende Leute, andere stehen wie eingefroren. Die andere Seite besteht überwiegend aus Touristen, die aus religiösen und wirtschaftlichen Gründen in Bussen nach Bethlehem gekarrt werden.
Israelische Staatsangehörige dürfen ohne Sondergenehmigung nicht in die Westbank einreisen. Und die Araber, die den Checkpoint überqueren, haben meist eine israelische Arbeits- und Sondererlaubnis. Soweit wir es mitbekamen, mussten die palästinensischen Arbeiter vor 19 Uhr wieder über die Grenze sein. Damit verbunden sind schikanöse Kontrollen – und dankbar ist, wer überhaupt über eine solche Sondererlaubnis verfügt.
Das Bild am Checkpoint kontrastiert also auf harsche Weise die Querelen der Palis und den sportlichen Reiseablauf der westlichen Touristen.

Der Schalter für Nichtaraber sah folgendermaßen aus – und das ist nicht gelogen: Nacheinander läuft man von einer Linie bis vor eine Glasscheibe, hinter der ein Grenzbeamter sitzt. Es gibt keine Mikrophone oder Ähnliches, es findet keine Kommunikation statt. Der Grenzbeamte trägt eine Militäruniform, hat eine Waffe umgeschnallt, trägt eine Sonnenbrille, lässt sich eine Zigarette aus dem Mundwinkel hängen, ist tief im Lehnstuhl zurückgesunken und hat die Beine hinter der Scheibe übereinander geschlagen auf den Tisch gelegt. In dieser Pose verweilt er und artikuliert durch ein leichtes Nicken und eine Bewegung mit Zeige- und Mittelfinger, dass man passieren darf. Manchmal herausgezögert durch ein mimisches Abwägen und an der Wange kratzen.
Nachdem die Arabistik-Studentin und ich durch die Grenze gelaufen sind, verlassen wir das Gebäude auf der palästinensischen Seite. Die Mauer ist bemalt: Friedenstauben, Herzen, „Raise down borders“-Sprüche und so weiter. Hinter einem Stacheldraht reihen sich die Palästinenser, die mit ihren Genehmigungen versuchen, nach Israel zu gelangen.
Auf dem Platz hinter der Mauer stürzen sich palästinensische Taxifahrer gruppenweise auf die Ankömmlinge und schwatzen wildes, zumeist wirres Zeug in schlechtem Englisch. Wir handeln einen Preis aus und lassen uns ins Zentrum von Bethlehem bringen.

Bethlehem wirkt atmosphärisch bereits anders als Israel – und das nicht nur, weil der Muezzin lauter aufgedreht ist. Die Fahrzeuge klappern mehr, die Menschen reden mehr und beliebiger, das Leben findet mehr auf der Straße statt.

Ich kann es mir nicht nehmen lassen, die groteske Show in der „Jesus-Geburtskirche“ anzusehen. Den Grund, warum es sich überhaupt lohnt, einen Extraschalter für Touristen am Checkpoint aufzumachen. Die Kirche besteht aus tausenden von Räumen, umgeben von Höfen, markanten Stellen, Tafeln, historischem Trödel.
Und unterhalb der Kirche befindet sich eine kleine Nische, die der frisch geborene Jesus durch pure Anwesenheit heilig gemacht hat. Es wirkt ein bisschen wie ein Ofenloch oder ein eingelassener Wandschrank. Ich stelle mich seitlich neben die Nische, während ein zeremonieller Ablauf stattfindet. Menschenmassen stehen in einer langen Schlange und singen gemeinschaftlich. Wer an die Reihe kommt, tritt vor, kriecht in die Wandnische, küsst sie, leckt sie ab, bricht in ein Weinen aus, das einem durchs Mark geht, fasst die Wände an, brüllt den Namen von Jesus, Maria oder Gott und wird von einem Helfer oder der Folgeperson behutsam aufgerichtet. Darauf verlässt er – nervlich am Ende – den Raum.

Am zentralen Platz von Bethlehem treffen wir anschließend einen Palästinenser, den die Studentin aus dem jordanischen Amman kennt. Seit wann er in der Westbank lebt, kann ich nicht mehr sagen. Jedenfalls darf er sie – das ist klar – nicht mehr verlassen. Wir trinken eine Limonade, reden über Palästina und sein Leben. Sein ganzer Wunsch sind zwei Dinge: Erstens, er möchte noch einmal nach Tel Aviv, wo er vor vielen Jahren durch einen glücklichen Umstand kurze Zeit sein durfte. Und zweitens, er möchte heiraten. Dabei hat er relativ liberale Einstellungen, redet in diesem Zusammenhang tatsächlich kurz von „Liebe“ – was man ihm als selten und modern anrechnen muss –, schließt aber mit der Feststellung, dass er zum Heiraten momentan nicht genügend Geld habe. Und in der Folge natürlich auch nach keiner Frau suchen könne. Wir reden auch von den Provokationen der Siedler, von Jordanien und Europa. Dann verabschieden wir uns und nehmen ein Taxi nach Hebron, wo eine weitere Bekannte der Studentin wohnt.

Die Taxifahrt nach Hebron. Es ist ein eigenartiges Gefühl, zu wissen: „Links und rechts hinterm Fenster sehe ich Westjordanland. Ich bin gerade in Palästina.“ Und tatsächlich bekommt alles einen Charakter, als fahre man gerade durch die lebendigste politische Geschichte unserer Zeit, aufgeschlagen und zugänglich in jedem sichtbaren Detail. Und vor Ort wird einem die Tragweite der Konflikte bewusst, die man zuhause noch mit Logik und Rationalismus für einfach gehalten hat.
Was mir beispielsweise nicht bewusst war, sind die Überwachungstürme der Israelis, welche jeden Weg pflastern. Kameras sind in alle Richtungen angebracht und auf der Spitze eines jeden Turms weht die israelische Flagge. Warum nicht wenigstens auf die Provokation des symbolischen Charakters verzichten? Wozu die Besatzung demonstrativ durch das Anbringen von Flaggen unterstreichen?
Der nächste Schock ist das Ausmaß der israelischen Siedlungen. Mitten zwischen die arabischen Anwesen, Höfe und Häuser in ihrer Ursprünglichkeit, mitten in diese fremde und schroffe Natur wurden die westlichen Neubausiedlungen mit soviel Geschmacklosigkeit hereingewichst, wie man es sich aus der reinen Information über die Existenz dieser Orte nicht vorstellen kann. Dazu sind sie abgeriegelt und bewacht wie Hochsicherheitstrakte, die Kinder der Siedler werden mit gepanzerten Bussen herein- und heraustransportiert, abgesichert durch militärische Einheiten und eigene Logistik.
Während dieser Autofahrt wechseln sich die verschiedensten Emotionen in rascher Folge ab. Gedanken, Assoziationen, man mag sich auf keine der beiden Seiten stellen. Ich habe im Anschluss an meine Reise für mich resümiert, dass ich mich den Israelis kulturell verbundener fühle, während es mich politisch eher zu den Palästinensern zieht. Aber bei so einem Höllenritt durch dieses wunderschöne Land wechseln solche Positionsgedanken im Minutentakt. Am Ende bleibt ein einziges Gräuel gegen politische Strukturen im Allgemeinen. Grenzen abschaffen – das bleibt das Ziel für das nächste Jahrhundert. Grenzenlosigkeit ist mehr wert als Frieden zwischen zwei abgegrenzten Territorien.

Irgendwann erreichen wir Hebron. Diese Stadt – die größte in der südlichen Blase des Westjordanlandes – wirkt komplett anders als alles, was ich bisher gesehen habe. Die ganze Stadt begegnet einem wie ein Klischee. Müll, Gestank, wahllos an die Straßen gewürfelte Marktstände, zerfahrenes Gemüse und zwischen den endlosen und hupenden Autoschlangen stehen – als wären sie ebenfalls benzingefüllte Fahrzeuge – Esel.

In Hebron treffen wir eine Palästinenserin. Sie ist 26 Jahre alt, mit ihrem Cousin verheiratet und hat eine Reihe von Kindern, das älteste wird 14 (vierzehn!). Einen der Söhne hat sie mitgebracht, damit sie mich legal treffen darf. Es muss ein Mann aus der Familie dabei sein. Die Hand darf sie mir natürlich trotzdem nicht geben, wir unterhalten uns auf Distanz.
Die Palästinenserin führt uns durch die Stadt, kauft uns Variationen von weißem, schleimigem und klebrigem Süßzeug und führt uns an verschiedene wichtige Orte.
Bemerkenswert ist die jüdische Synagoge, die (ungeprüfte Information!) während eines der ersten Intifada von Israelis mitten im Zentrum von Hebron aufgebaut wurde. Die Synagoge ist umbaut von Mauern, Draht und Kameras, steht allerdings auf direkte Berührung mitten in den Bazaren, Ständen und Kaschemmen. Der Weg zwischen den Marktständen, der sich einmal um die Synagoge wickelt, ist mit einem Netz überspannt, auf welchem sich Berge an Müll türmen. Laut Palästinenserin werfen die Israelis regelmäßig aus Provokation ihren Müll aus den hochgelegenen Fenstern des Neubaus hinab in und auf den Bazar. Und dort bleibt er liegen. So riecht es auch.

Im Anschluss gehen wir noch auf einen Tee mit zu unserer Gastgeberin und werden auf unerwartete Art und Weise bedient. Alle Kinder stellen sich uns vor, machen eine Verbeugung oder einen Knicks, und servieren uns reihum. Ein fünfjähriger hat eine Serviette über dem Arm und bringt Geschirr, die er kindlich aber übertrieben manierlich vor uns ablegt. Dann folgen Süßigkeiten, Kuchen und Tee. Wer mich kennt, der weiß, wie seltsam-lustig-merkwürdig sich die Situation angefühlt hat, als ich meinen Strohhalm in den Tee gesteckt habe. Wir plaudern bis in den frühen Abend, dann verlassen wir das Haus bei Dunkelheit.

Da sich bei Nacht das gefühlte soziale Klima der Stadt schnell verändert, überlegen wir, ob wir den großen Bogen vermeiden können, erst zurück nach Bethlehem und Jerusalem zu fahren, um wieder nach Israel zu gelangen. Via Luftlinie sind wir nur gute 40 km von Be’er Sheva entfernt, würden wir allerdings den frequentierteren Hinweg nehmen, müssten wir den großen Umweg erneut fahren.
Auf der Straße sagt uns ein Palästinenser, es gäbe einen Bus, der von der südlichen Stadt Dahriya bis zu einem Siedler-Checkpoint fahren würde. Wir lassen uns darauf ein und fahren mit einem VW-Bus ins förmliche Nichts einer palästinensischen Nacht hinaus. Unasphaltierte Straßen, keine Beleuchtung, kaum Verkehrsschilder, die schroffen Wände und steilen Schluchten der Landschaft. Der Bus ist rappelvoll mit 9 Leuten und wir rasen über die Straßen, fliegen durch die Kurven. Mir ist mulmig zumute, gleichzeitig aber genieße ich den Moment über alles.

Nach einer langen Fahrt voller Umwege, auf der alle weiteren Mitfahrer zuhause abgeliefert wurden, erreichen wir Dahriya. Wir sind die Letzten im Bus, zahlen den Spottpreis, den der Fahrer wollte und steigen aus.
Draußen bleiben wir stehen, knietief im Müll. Ich schaue auf den Boden, grübele laut, wie wir an einen Fahrer, einen Bus oder wasauchimmer gelangen könnten, bis die Studentin sagt: „Jens, guck dich mal um, lass uns gehen.“

Die folgende Situation wird sich mir als bisher stärkster Eindruck eines erlebten Moments fest brennen. Wie viel Gefahr wir ausgesetzt waren, beziehungsweise ob überhaupt, kann ich immer noch nicht einschätzen. Es soll sich nicht lesen wie Sensationstourismus oder Geilheit auf coole Storys, es ist mehr der ehrliche Versuch, Dinge selber verstehen zu wollen, sehen zu wollen, anfassen zu wollen. Ich möchte diese Bilder nicht als verkäufliche Notiz einkassieren, die mir dann in Europa als Anekdote dient. Ich möchte Augenblicke vor Ort erleben und mit denen, die ich dort treffe, real teilen. Und ich denke, dass unter diesen Bedingungen auch Erfahrungen an Orten zu legitimieren sind, die ärmer und bedrückender sind als der Westen. Ich stelle mich einem Palästinenser als real handelnde Person, die den ernst gemeinten Diskurs sucht, ohne Arroganz und nach Möglichkeit auch vorurteilsfrei. -

Die Männer und Kinder des Ortes hatten sich in einem Kreis um uns herum aufgebaut und starrten uns an. Mit offenem Mund, als sei ein Ufo gelandet. Dann zog sich der Kreis um uns langsam zusammen, woraufhin wir beide zügig den Kreis durchbrachen und uns ein Stück weit entfernten. Die Menge kam uns hinterher und baute sich erneut um uns herum auf, allerdings diesmal nicht schweigend, sondern in brausenden Gesprächen und mit direktem Kontakt. Wir wurden angefasst, die Kinder zerrten an unseren Klamotten, jeder redete auf uns ein. Wir versuchten uns irgendwie Platz zu schaffen, ohne uns im Wust zu verlieren.

Meine Rettung sah ich in einem Mann, der vertrauenswürdig aussah und schweigend etwas im Hintergrund stand. Ich ging zu ihm und fragte ihn, ob wir alleine mit ihm sprechen könnten. Er verstand kein Englisch, holte aber einen Stämmigen unter den Schwätzern heraus, der mit minimalen Englischkenntnissen zu dolmetschen versuchte. Als ich ihn bat, wir vier sollten alleine sprechen, klatschte er in die Hände und brüllte ein paar massive Worte auf arabisch. Daraufhin verflüchtigten sich die Menschen ringsum wie Tauben.

Es folgten ein Sammelsurium an kleinen Bildern, Eindrücken, die sich festgesetzt haben. Ein Mann, der sich als Polizist ausweist, uns seinen angeblichen Polizeiausweis zeigen will und dabei den kompletten Inhalt seines Portemonnaies auf den Boden fallen lässt; ein Kind, dass in meine buschige Frisur greift und mich zweimal streichelt; ein gröhlender Mann, der mit dem Auto anbraust, TAXI TAXI brüllt und wegrast; ich war mir zu keinem Zeitpunkt sicher, wie wir diesen Ort wieder verlassen könnten und wie die Masse dieser Palästinenser uns unterhalb der momentanen Oberfläche gesonnen war.

Es fand sich jedoch schließlich ein Mann, der sich bereit erklärte, uns bis einen Kilometer vor den Checkpoint zu fahren. Um keine Probleme zu kriegen. Wir stiegen in sein Auto (heikles Gefühl) und fuhren los.
Auf dem Weg hielt er in jedem denkbaren Kaff und startete die immergleiche Prozedur: Er schaltete das Innenlicht des Wagens ein, klopfte an einem Haus an und präsentierte uns wie einen unglaublichen, seltsamen Fang. Als hätte er den größten Fisch des Mittelmeers geangelt oder so ähnlich. Ein Haus ist mir besonders gut in Erinnerung. Es kamen mehrere Kinder heraus, liefen zögerlich zum Wagen, legten die Hände um die Augen ans Fenster und schauten uns an.

Vor dem Checkpoint wurden wir abgesetzt. Alles Misstrauen, alle ängstlichen Gefühle wichen großer Dankbarkeit für diesen – in seiner ganzen Art völlig sympathischen – Palästinenser. Überhaupt wirkt das Szenario von Dahriya rückblickend eher rührend. Da waren neugierige Menschen, Kinder, die von unserem Äußeren fasziniert waren und – letztlich – viele hilfsbereite Leute.
Wir liefen über die breite Straße auf den Checkpoint zu. Weit vor uns formierten sich bereits die israelischen Militärs vor uns in höchster Sensibilität und Wachsamkeit. Dass zwei – in jenem Moment – bestens gelaunte studentische Leute lachend über die Mittelspur auf den Autocheckpoint der südlichen Westbank zulaufen, war für diese Israelis möglicherweise zuviel. Zuviel von irgendwas. Aber wir wurden nicht abgeknallt.

Der erste israelische Satz „Why are you smiling, it’s dangerous over there!“ wird mir auch in Erinnerung bleiben. In jenem Moment hätte ich den Soldaten gerne beleidigt. Ist nicht der ganze Konflikt getragen vom Schüren der Vorurteile, ohne bereit zu sein, einen winzigen Schritt auf den anderen zuzugehen?
An diesem Tag jedenfalls hatte ich von palästinensischer Seite nur Offenheit empfangen. Der Verdachtsmoment, man könne in Gefahr sein, ist nur die öffentliche Projektion, an der auch jeder Grenzsoldat am Checkpoint eine Mitschuld trägt. Angstmache und Suggestion von Gefahr können die Israelis gut.

Es folgte ein langes Verhör. Das lag auch daran, dass die Arabistik-Studentin Stempel von Syrien im Pass trug – Jackpot geknackt!
Nachdem wir gehen durften, fragten wir die Grenzbeamten, wie wir am besten zu einem Bus oder Taxistand gelangen könnten, der uns nach Be’er Sheva brächte.

Die offizielle Antwort am israelischen Checkpoint:
„Da könnt ihr nur trampen.“


#1, RE: Das Westjordanland
Geschrieben von WP am 24-Feb-10 um 09:05 Uhr


Danke für den sehr interessanten Bericht, er erinnert mich auch wieder an meine oft nicht ungefährlichen Begegnungen in asiatischen Gegenden, weit, weit ab von jeder Zivilisation.

Man sollte einmal die ganzen Diplomaten, Berater und Staatsoberhäupter allein auf solchen Wegen wandern lassen… DAS würde Veränderungen bewirken. Aber solange die Menschen dort in vorsätzlicher Dummheit und Desinformation gehalten werden, die Verantwortlichen paranoid zum Quadrat sind, wird dieses Trauerspiel weiter agieren.

Ein Bekannter von mir der dort öfters beruflich zu tun hat (und auch viele andere Kulturen kennt), sagt immer wieder, beide Seiten der Verantwortlichen sind sowas von stur, hasserfüllt und engstirnig, das man sagen muss: die haben sich gegenseitig verdient. Nirgendwo anders auf der Welt gibt es Patein mit solchen Gesinnungen.


#2, RE: Das Westjordanland
Geschrieben von stilbruch am 24-Feb-10 um 13:19 Uhr

Letzte Bearbeitung am 24-Feb-10 um 13:19 Uhr ()
Kalbsbraten mit grünen Bohnen an Dunkelbiersoße und Serviettenknödeln, LEIDER NUN KALT!

In dem Moment, als Werner mir mein Mittagessen ins Büro brachte fing ich an deinen Bericht zu lesen.
Es liest sich sehr authentisch, teils aber auch unwirklich, auf jeden Fall fesselnd und wohl doch erschreckend real.

Ich weiß nicht ob ich der Typ wäre, der einen solchen Trip durchziehen könnte, wahrscheinlich hätte ich mich über den Grenzsoldaten hinter der Scheibe beschwert und wäre dann erschossen worden, wahrscheinlich wäre ich verhungert, oder sonst was.

Dein/e Berichte machen neugierig, sie fesseln und irgendwas in mir möchte da mal hin, dabei ist mir aber auch klar, dass dies wohl nicht klappen würde. So etwas ist in 2 Wochen nicht abzukrageln, da muss man sich fallen lassen können, sei froh das du das kannst.

Solltest du mal einen kompletten Vortrag dazu machen, ich hocke mich glatt in ein Auto und komme hin.

Liebe Grüße
Dirk


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