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Foren-Name: Tagesberichte & Fotoserien
Beitrag Nr.: 3628
#0, Ohne Moos nix los.
Geschrieben von VT 340 am 21-Sep-09 um 13:50 Uhr
Nun folgt ein kleiner Reisebericht über meinen Abstecher nach Kopenhagen über Hamburg und Halt im Hanspark. Ziel war es diesmal möglichst günstig zu Reisen als auch kaum Geld für Übernachtungen auszugeben.
Wer möglichst flexibel und sponatan reisen möchte wird schnell die Vorzüge einer Bahnreise erkennen. So habe ich mich Freitag morgen in den Regionalzug von Essen nach Münster gesetzt um von dort aus mit dem Intercity Express weiter bis nach Hamburg zu fahren. Die Fahrt bis nach Münste war dank NRW-Ticket gratis, die restliche Zugfahrt schlug mit 26,50 zu Buche und war damit auch die teuerste Einzelinvestition der Reise.

Auf einer Gegendemo gegen die Nazi-Kundgebung welche sich wiederum gegen das anstehende Schanzenfest richtete lernte ich am Abend der Anreise in Hamburg auch schon zwei Menschen kennen die mir spontan eine Schlafplatz anbaten. Toll! Ankommen und umsonsten Übernachten! Doch nachdem die Gegendemo (aus mir unbegreiflichen Gründen) irgendwann eskalierte, Steine und Flaschen die mit Tränengas gefüllte Athmosphäre durchquerten kam später eine Absage per SMS. Schade. Vorbei an brennenden Mülltonnen und Straßenbarrikaden lief ich irgendwann Abends zum Bahnhof um Jens abzuholen. Um nicht völlig ohne Unterkunft dastehen zu müssen suchten wir ein Hostel im Schanzenviertel auf.Für 15 Euro gab es dort eine Nacht auf dieser tollen Hochebene, direkt über einer Diskothek:

Dank gratis Ohrstöpsel gerade so erträglich, aber für 15 Euro eigentlich zu teuer. Tags drauf waren auch diese Notschlafplätze bereits ausgebucht und uns blieb nichts als eine Nacht im Foyer der Herberge für 10 Euro zu buchen. Zwei Nächte für 25 Euro - geht bestimmt besser aber für den Anfang nicht schlecht.

Am Samstag stand das Schanzenfest auf dem Plan. Das Stadtteilfest findet seit Jahren statt - wird jedoch nie angemeldet. Wie auch in den Jahren zuvor wurde das Fest Nachts von der Polizei geräumt. Schade, denn bis zum Einmarsch der Beamten die gleich mit acht Wasserwerfen anrückten verlief das Fest angenehm friedlich. Neben einer großen Kissenschlacht gab es ausreichend Gelegenheiten fein das Tanzbein zu schwingen.
Selbstorganisierte Ordnungshüter wirkten entstehenden Barrikaden sofort mit Feuerlöschern entgegen und vermummte Festbesucher wurden nicht toleriert. Grund für die Auflösung war nach Angaben der Polizei ein Agriff von ca. 20 Autonomen auf ein nahegelegenes Polizeipräsidium die danach unter den Festbesuchern Schutz fanden.

Tagsüber familiäre Flohmarktstimmung:

Dieser Discodude hielt die Lautstärke seiner Musikanlage tatsächlich solange konstant hoch bis die Wassermassen der Polizei ihn dazu zwangen abzubauen. Mutig und gut.

Schön war es auch auf der Tanzwiese hinter der roten Flora:


(Jens sitzt)

Solche Bilder wie im Hinterhof der roten Flora könnten durch Gentrifizierung und kommerzialisierung kultureller Freiräume bald der Vergangenheit angehören:

Nach der Nacht im Foyer ging es am nächsten Tag dann richtung Speicherstadt um das Minitatur Wunderland zu Besuchen. Eintritt ermäßigt: 7 Euro.

Schweiz mit 6m hohen Bergen:

Fahrende Autos:

Dieser Parkplatz in Skandinavien mag momentan noch sinnlos erscheinen, aber sobald die vollautomatiserte Schiffssteuerung fertigstellt ist, werden sich hier die Fahrzeuge Sammeln um dann auf die bereitstehende Fähre zu fahren! Hoffentlich klappt das irgendwann.

Dämmerung in Skandinavien:

Nicht jeder findet die Austellung spannend:

Besonders sehenswert: Der Eckhausbrand. Hier rückt nicht nur die Ortsfeuerwehr an, sondern es kommen immer mehr Einsatzfahrzeuge von Außerhalb über die Autobahn zum Einsatzort gefahren bis die Straße voll blinkender Fahrzeuge ist. Ein beeindruckendes Szenario!

Völlig automatisch leert sich die Straße nach dem Einsatz allmählig wieder:

Jens fuhr nach dem Besuch zurück nach Hause, ich wollte per Anhalter weiter Richtung Norden. Grobes Ziel: Kopenhagen. Vom Miwula Parkplatz habe ich es schonmal Gratis bis vor die Haustür geschafft, aber diesmal hatte ich kein Glück. Niemand wollte mich mitnehmen. Auf dem Parkplatz am Hauptbahnhof fand ich dann einen Fahrer der mich mitnahm - zwar nicht weit aber immerhin bis auf einen McDolands Parkplatz im Hamburger Norden. Ziemlich müde und autobahntechnisch schlecht positioniert schaute ich mich nach einiger Zeit nach einem geeigneten Schlafplatz um. Ein mietbarer PKW-Anhänger auf dem nahe gelegenen Praktiker-Markt Parkplatz stach mir ins Auge. Fast so toll wie ein Zelt, dachte ich. Die Heckplane flatterte im Wind was den Einstieg vereinfachte und weniger kriminell wirken ließ. Anfangs war es dank Isomatte noch recht bequem aber später in der Nacht wurde es kalt und ungemütlich. Daher war die Nacht für mich auch schon um 6:30 Uhr beendet.
Eher zufällig entdeckte ich in der nähe eine S-Bahn Station. Mit dem Schleswigholsteinticket (30 Euro) fuhr ich dann mit dem Bimmelbähnchen was irgendwann eintraf bis zur Endhaltestelle: Neumünster. Dort wollte ich per Anhalter weiter, der Tag war ja noch jung (ca 8:00Uhr). Aber auch diesen Versuch gab ich nach einiger Zeit auf, immerhin hatte ich ja noch das Ticket dabei. Der Plan war bis nach Puttgarden zur Fähre zu fahren und auf dem Weg Leute mit dem Ticket mitzunehmen um so den Preis wieder rein zu bekommen. Das hat natürlich nicht geklappt, die meisten Fahrgäste hatten schon ein Ticket.
In Lübeck musste ich umsteigen. Die Idee mit dem Ticket hatte sich als nicht so gut erwiesen. Da ich allerdings bis dorthin nicht kontrolliert wurde und mangels Stift auch meinen Namen nicht auf das Ticket schreiben konnte, versuchte ich das Ticket für 25 Euro wieder zu verkaufen was mir auch relativ schnell gelang. Das gute dabei: Die zwei Reisenden mussten ebenfalls richtung Norden und nahmen mich mit - bis nach Sierksdorf wo ich eher spontan ausstieg um nach langer Zeit mal wieder eine neue Achterbahn zu testen.

Mhh lecker erst mal ne Banane:

Auch sonst war alles sauber und ordentlich:

Juhu! Achterbahn!

Vorher aber noch die Bären-Kapelle angucken...

..und ein Foto von mir mit Bahn machen lassen:

Nun nichts wie auf zum:

Die Wartezeit lag bei null Minuten und ich konnte sofort einsteigen.
Insgesamt finde ich die Bahn gut und das Konzept spannend, der Abschuss ist okay und ohne den vorherigen Halt besonders überraschend. Es ist natürlich immer schwer die Strecke nach dem Launch ereignisreich genug zu gestalten um nicht vom Abschuss überschattet zu werden.. aber nach dem Airtimehügel kam eher langeweile auf. Die Steilkurve wird zu langsam durchfahren, der Buchtknoten ist öde und die Fassrolle wie zu erwarten unangenehm und völlig überflüssig. Der Drop und die restliche Strecke hingegen haben mir gut gefallen und wurde auch nicht als zu kurz wahrgenommen.


Direkt danach am Ausgang:

Das Fahrprogramm ist eigenartig und es kommt zu unangenehmer Hangtime:


Haha! Ein Frosch Chor! Was es nicht alles gibt:

Hochfahrgeschäft:

Essen Fotografieren ist ja normalerweise nicht mein Ding, aber wenn ein Freizeitpark sich die Mühe macht und einen vegetarischen Burger anbietet... muss das auch in ausreichender Form gewürdigt werden:


(mhh lecker)

Richtig! Diesen Ausblick gibt es NUR im Hansapark:

Todesmutig - so kennt man mich:

Nächste Attraktion - Die Glocke:

Pro Fahrt 36 Euro - kein wunder dass das Ding für einen Schausteller ein eher mieses Geschäft darstellt. Ob die Kapazität für den Hansapark ausreicht? Wartezeit an meinem Besuchstag: Null Minuten.

Moderne Energieketten erreichen eine hohe Zyklenzahl - kein Wunder dass man sich hier gegen Schleifkontakte entschieden hat.

Nicht so clever hingegen wirkt der Antrieb:

Der gleiche Konstrukteur hatte vermutlich auch die Idee den Fahrgastträger beweglich zu lagern. Hat wohl nicht geklappt, denn hier waren früher Dämpfer montiert:

Festigkeitsklasse: 8.8

(Mindestzugfestigkeit: 640N/mm²)

Haha hier hat wohl Jemand absichtlich seine Pommesgabel auf eine Zigarette gelegt um plastische Verformungen zu provozieren:

Auch das geht nur nach einem besuch im Hanspark:

Baden in der Ostsee:

Nach einem Bad hab ich mir ganz schnell noch eine neue Unterhose angezogen und bin dann über eine Abkürzung ganz flott zum Bahnhof marschiert. Den Zug richtung Puttgarden habe ich gerade so erwischt und für einen Fahrkartenkauf blieb keine Zeit mehr. Da kein Zugbegleiter im Zug war konnte ich mir auch bei ihm kein Ticket kaufen. Ohne Fahrschein wollte ich eigentlich nicht Fahren, aber was will man machen?
Irgendwann nach Einbruch der Dunkelheit erreichte mein Zug den Fährhafen (Ticketpreis für Fußgänger: 6 Euro). Der Ticketautomat nahm meinen 20 Euro Schein leider nicht an woraufhin der Kartenabreißer mich umsonst auf die Fähre gelassen hat!
Auf der Fähre dann wieder das übliche: Leute nerven. Viele fuhren nach Kopenhagen, aber einer hatte angeblich Hunde im Auto, ein Anderer zu viel Gepäck usw. Wer keine Lust auf nen langhaarigen typen mit Riesenrucksack im Auto hat kann mir das doch sagen? Besser als irgendeinen Unsinn erfinden.
Letztendlich nahm mich aber ein Däne bis nach Kopenhagen mit.

Mein Ziel war erreicht:

Die Freistadt Christiania!
Seit 1971 besteht diese alternative Wohnsiedlung die sich mitten in Kopenhagen rund um einen See erstreckt.
Bekannt geworden ist Christiania auch durch die Pusherstreet und den dort legalisierten Verkauf und Konsum von weichen Drogen. Marihuanazigaretten können dort fertig konfektioniert in verschiedenen Größen und Ausführungen erworben werden. Wer möchte kann sich noch ein Stück Peace mit auf den Weg geben lassen oder das grüne Zeug aus großen Säcken pur kaufen. Auch hier eine riesen Auswahl, meist geordnet nach Herkunftsland.
Leider wird der Drogenhandel von Banden organisiert die das Bild von Christiania entscheidend mitprägen. Freistaat heißt auch dass unter Umständen die Faust regiert, die Polizei traut sich schon länger nicht mehr in das Gebiet. Zu den Regeln die eingehalten werden müssen gehören unter anderem die Abwesenheit von Schusswaffen und schusssicheren Westen. Mit Hippieromantik hat das nicht mehr viel zu tun - leider.

Etwas Romantik immerhin bei der Schlafplatzwahl:


Über diesen gruseligen Aufgang an der Seite ging es in das Gästezimmer der darunter lebenden Kommune. Nach der Nacht im Anhänger war das Bett eine wahre Wohltat.
Zwei Mädchen aus Litauen haben mir das Bett angeboten nachdem ich sie nach einem Hostel gefragt hatte.

Die Häuser am See sind oft aus Bauschrott selber zusammengezimmert:

Am nächsten Tag musste ich Geld vom Automaten abholen. Lediglich ein Zwanzigeuroschein tummelte sich noch in meiner Geldbörse. Doch dann: Der Automat gab mir kein Geld! "Transaktion vom Kartenausteller verweigert". Nach einem Telefonat mit der Sparkasse sagte man mir ich solle es am nächsten Tag noch einmal probieren. Den Geldschein tauschte ich in einer Wechselstube gegen dänische Kronen wobei ein Großteil Gebühren zum Opfer viel. Bekommen habe ich für die 20 Euro dann dieses vegane Essen in Christiania..


(Mhhh lecker Gemüse)

..als auch eine Limonade. Somit stand ich nun komplett ohne Geld in Kopenhagen!
Abends gab es das gleiche Essen noch mal weil meine Gastgeberinnen die Toilette in dem Restaurant putzten und dafür einen riesen Plastiksack Essen bekamen.
Aus irgendwelchen Gründen wollten die Gastgeber mich nicht mehr da haben und ich musste mir für die nächste Nacht eine neue Bleibe suchen. Die jungen Frauen nannten mir ihre vorherige Unterkunft - ich müsse dort nur anschellen und nach einer Matratze fragen. Nach einer Nachtwanderung durch Christiania zum besagten Haus traf ich dort tatsächlich noch Jemanden an der mir die Tür öffnete. Es stellte sich heraus dass es sich um ein Haus der Hells Angels handelt. In der ersten Etage lagen ein paar muffige Matratzen auf dem Boden, einige waren schon belegt.
Aber immerhin: Wieder eine Gratis Übernachtung!

Am nächsten morgen wurde mir das dann doch irgendwie alles zu Bunt. Christiania war nicht das was ich erwartet hatte, ich mochte nicht länger dort bleiben.
Ich packte meine Sachen und machte mich auf zum Tivoli. Doch am Geldautomaten die gleiche Flaute wie am Vortag: Kein Geld. Kein Geld heißt auch: Kein Tivoli, keine Copenhagen-Card, kein Essen und Trinken, keine Dusche (kostet in Christiania 20 Kronen) und vor allem auch keine Rückfahrt nach Hause.
Viele Möglichkeiten blieben mir nicht, denn auch der Versuch ein Zugticket zurück bis zum Fährhafen am Automaten per Karte zu bezahlen schlug fehl.

Wie schon erwähnt wollte ich zwar günstig aber nicht illegal verreisen. Um 15:42 fuhr ein ICE über die Vogelfluglinie nach Hamburg. Schwarzfahren im ICE? Eigentlich eine blöde Idee, das klappt selbst auf der Strecke Essen-Mülheim schon nicht und bis auf die Fähre waren es nicht sechs Minuten sondern zwei Stunden. Um 15:43 saß ich dann also auf der Boardtoilette vom ICE Kopenhagen-Hambrug. Ganze zwei Stunden habe ich auf dieser Toilette ausgeharrt! Welch ein Glück dass der Zugbegleiter nicht einmal einen Blick hineingeworfen hat. Irgendwann kam dann die Durchsage dass der Zug nun auf die Fähre rollen würde und der Aufenthalt im Zug während der Überfahrt nicht erlaubt sei. Nach den nicht enden wollenden Minuten auf der Zugtoilette befand ich mich nun also tatsächlich auf der Fähre Rødby - Puttgarden! An Board gestaltete sich die Suche nach einem Mitfahrer richtung Ruhrgebiet schwierig, da ein Großteil der Fahrgäste per Zug unterwegs waren.
Irgendwann erklärte sich aber ein Rentner aus Moers bereit mich mitzunehmen.
Angenehm waren seine Geschichten die er erzählte nicht immer, besonders dann nicht wenn er seine Minung zu Hitler und verbotenen SS-Marschliedern kund tat. Im Gegenzug dazu habe ich seinen Rover ziemlich eingemüfft, denn Duschen hätte ja 20 Kronen gekostet.



#1, RE: Ohne Moos nix los.
Geschrieben von Julian am 22-Sep-09 um 15:42 Uhr

Hallo Alex,

interessante Geschichte, wenn auch nicht immer ganz richtig (ICE).
Aber so erlebt man noch einmal richtig was im Leben und lässt sich nicht nur auf
einen runden, glattgeschliffenen Urlaub ein.

Hat mir sehr viel Spaß gemacht, so in Textform an deiner Reise teilhaben zu können.

Viele Grüße
Julian



#2, RE: Ohne Moos nix los.
Geschrieben von Sarion am 22-Sep-09 um 15:46 Uhr

Danke für deinen interessanten und skurrilen Bericht!

Gruß, Stefan

Mitglied der Initiative zur Verbreitung seltener Satzzeichen