Letzte Bearbeitung am 08-Aug-06 um 11:02 Uhr ()
Simsalabim!Ich war einer von 2800 Kongressteilnehmern der alle drei Jahre stattfindenden Weltmeisterschaften der Zauberkunst, die letzten Samstag nach 6 Tagen zu Ende gingen.
Da hier einige Zauberer und Interessierte unterwegs sind, gebe ich mal einen kurzen Überblick zu den Fakten.
Zunächst: Die FISM (Fédération International Societé des Magiciens) ist sowas wie die FIFA für Zauberer. In ihr sind die nationalen Magischen Zirkel und Zauberclubs organisiert. Sie vergibt alle drei Jahre die Austragung der WM in ein anderes Mitgliedsland, 1994 Yokohama (da wurde Franklin Weltmeister), 1997 Dresden, 2000 Lissabon, 2003 Den Haag und 2006 eben Stockholm.
Die Anzahl der Wettbewerbsteilnehmer ist beachtlich (150 in den Sparten der Bühnenmagie und 50 in Karten- und Tischzauberei) und dennoch schon stark begrenzt. Je nach Land haben sich die Teilnehmer über Vorentscheidungen und nationale Meisterschaften (wie in Deutschland) oder durch andere Auswahlverfahren qualifiziert (Hier muss ich immer an die Länder denken, die beim Eurovision Song Contest noch ne Jury haben...).
Es ist schon ziemlich krass, wenn soviele Zauberer auf einem Haufen ne Woche zusammen leben... Die Infrastruktur des Stockholm Convention Center war dann auch abgestimmt: Es gab einen Raum, in dem "Magic Dealer", mehr als 100 an der Zahl, ihre Produkte verkauften (Zauberer lernen keine Tricks, they buy them, höhö), Orte für Workshops und Vorträge ("Originelle Salonmagie", "Produktzauberei" oder schlicht "One Man Show") und Ausstellungen mit Plakaten und Requisiten.
Weiteres Begleitprogramm zum Wettbewerb unter anderem: Ein Empfang bei der Stockholmer Bürgermeisterin (Nobel-Preis-Saal), eine Bankettshow, in der alle (!) gemeinsam (!) ein Essen einnahmen (!) und - eine tolle Galashow, die von Helge Thun aus Deutschland moderiert wurde und unter anderem Jeff McBride, Jerome Murat, The Evasons, Topas und Marco Karvo vereinte. Letzterer erhielt eine lange Standing Ovation - das war ungefähr das hundertfache des Fantissimadurchschnitts, er ist in Skandinavien ein wirklicher Star.
Deutschland war blendend aufgestellt und schickte - und das ist nicht nur meine Meinung - neben den USA den hervorragendsten Gesamteindruck in die Competition.
Hier die Sieger:
Die beiden punkthöchsten Wertungen waren für den Bühnenbereich PILOU aus Frankreich, der in einer Straßenjungenszene neben einem Fass mit Karten manipulierte und seine Mütze immer wieder für Produktionen einsetzte. Es erschienen an vielen Stellen überraschend Äpfel und andere Dinge.Es hat mich gefreut, dass eine Nummer Weltmeister wurde, die die Zauberkunst derart zelebriert und nicht aus profilneurotischen Gründen als Trittbrett benutzt.
In der Gesamtsparte der Clos-Up-Magie (Karten- und Tsichzauberei) siegte RICK MERRIL aus den Staaten. Er sprach von seiner Kindheit als HomeSchoolKid und seiner beginnenden Schizophrenie - wundervoll und technisch sehr beeindruckend. Es ist wirklich nicht leicht, Tausende Zauberer zu foolen, aber er konnte es.
Preisträger Manipulation
1. Dai Binchun, China, Kartenmanipulator
2. David Sousa, Portugal
3. Arthur Trace, USA
Allgemeine Magie
1. Eun Gyeol Lee, Korea
2. Die Zauderer, Germany
3. Dion, Niederlande
Mikro Magie (Tischzauberei)
1. Martin Eisele, Deutschland
2. Shawn Farquhar, Kanada
3. David Stone, Frankreich
Kartenzauberei
1.Helder Guimaraes, Portugal
2. Lodewijk de Widt, Niederlande
3. Kiko, Spanien
Sprechzauberei
1. Gaston, Deutschland
2. Shawn Farquhar, Kanada
3. Julia Guilhelm, Frankreich
Stage Illusions
1. Sittah, Niederlande
2. Hugo Valenzuela, Argentinien
3. Marc und Alex, Deutschland
Mentalmagie
1. -
2. Timothy Trust und Julie, Deutschland
2. Juan Ordeix, Spanien
3. Robert und Emil, Niederlande
3. Jan Thomas Löwe, Deutschland
Die Deutschen erhielten auch noch zwei Sonderpreise für den lustigsten Act
(Die Zauderer und Stonkel).
Lustig: Sittah ist Hans Kloks ehemalige Assistentin und hat jetzt mehr gewonnen, als ihr alter Chef. Bin gespannt, wie er das findet...
Hervorzuheben als mein persönliches Highlight ist klar Gaston, der im Finale des Wettbewerbs für die Bühne knapp dem Franzosen Pilou unterlag. Gaston inszeniert mit sich selbst und einem Stuhl eine bühnenfüllende Version einer Selbsthilfegruppe, an die er sich wendet, weil er Zauberer ist. Sehr insider-lastig und dennoch großartig. Falls jemand mal die Chance hat, ihn zu sehen: MACHEN!
Zweite Empfehlung: Der Holländer Frank Wilson. Er war wie in vielen FISM-Wettbewerben zuvor die musikalische Begleitung in den Pausen und ist für viele Zauberer ein Gott geworden. "Wherever you go, take the magic with you"
Ich könnte noch soviel schreiben. Falls Fragen bestehen: Nur zu, hier oder als PN.
Links:
www.FISM.com
www.FISM2009.org (wird in Bejing/Peking sein)
http://www.fism.com/forum/viewtopic.php?t=773 (Kritik an diesem Kongress, ich bin aus Platzgründen nicht auf die Organisation und ihre Stärken/Schwächen eingegangen)
Beste Grüße vom durch die Schönheit des schwedischen Volkes zu Tode erschrockenen Jan.
PS: GrönaLund war auch witzig, Jetline rockt wie die Seuche, höhö.
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"RESPEKT, das Dingen rockt wie die Seuche"
Moin!>Zwei Dinge, die mich interessieren:
>Wie hoch ist eigentlich der Frauenanteil unter den Illusionisten und Zauberern?
Er ist sehr gering. Zu gering finde ich. Auf der Bühne lag der Anteil von Frauen, die nicht nur einfach die "abschlussladung" sind, also am Ende der Nummer überraschend (...) erscheinen, bei deutlich unter 10 Prozent. Frauen am Ende einer Nummer sind übrigens genau wie QuickChanges ein deutlicher Trend seit 3 Jahren.
>Was genau versteht man unter "Sprechzauberei"?
Wie Meine Vorredner schon sagten. Das Kuriose ist: Die meisten Zauberer sind Sprechzauberer hier in Deutschland, verdienen also ihr Geld mit Wort *und* Bild. Auf Wettbewerben allerdings sind sie deutlich unterrepräsentiert - es liegt halt nicht jedem, seine Muttersprache zu verlassen und ins Englische zu wechseln.
>BTW: >eine Bankettshow, in der alle (!) gemeinsam (!) ein
>>Essen einnahmen (!)
>
>Das dürfte dann aber für alle nur eine ziemlich kleine Portion gewesen sein, oder?
Frank, ich bitte Dich...
Es gab übrigens Hühnchen und Kartoffelmus, das fast allen ausgezeichnet schmeckte. Nur Boretti, ein Zaubergerätehändler aus Neustadt an der Weinstraße, schrieb gestern in seiner Rundmail etwas vom "toten Huhn mit Brei"... Ich war auf jeden Fall beeindruckt von der Logistik...
Beste Grüße!
Jan
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"RESPEKT, das Dingen rockt wie die Seuche"