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Unternehmen Freizeit
14-Jun-10, 16:54 Uhr ()

Unternehmen Freizeit

Rust - Der Europa-Park im badischen Rust feiert 35. Geburtstag -
und wächst immer weiter. Dem Zufall überlässt man in Deutschlands
größtem Freizeitpark nichts. Zwischen Achterbahnen und Themenhotels
arbeitet eine riesige Mannschaft, die niemals schläft.

Das Rumpeln kommt immer näher. Der Boden wackelt. Ein Kreischen
bohrt sich ins Ohr und zieht in Sekundenbruchteilen weiter.
Der Zug ist vorbeigerauscht. Im Abstand von wenigen Zentimetern.
Walter Mitternacht steht auf der Plattform der Achterbahn Blue Fire
in 32 Meter Höhe. Unter den Füßen viel Luft. Der Leiter der
Stabsstelle Sicherheit im Europa-Park lehnt lässig am Geländer.
Dem Besucher, der diesen luftigen Logenplatz nicht gewöhnt ist,
geht dagegen der Puls fast so heftig wie den Insassen der Bahn,
die eben in 2,4 Sekunden von null auf hundert beschleunigt worden sind.

Für Mitternacht ist dieser Arbeitsplatz Routine. Sein Tag beginnt
jedoch mehrere Etagen tiefer. Vom Betriebshof aus, wo sich alle
denkbaren Gewerke finden, schwärmen er und seine Mitarbeiter lange
vor Parköffnung aus. Die Wartungslisten für die Fahrgeschäfte
müssen abgearbeitet werden. Die Sicherheitsbestimmungen sind hier,
wo Menschen befördert werden, maximal. Allein im vergangenen Jahr
haben die vier Millionen Besucher etwa 60 Millionen Fahrten in den
Bahnen absolviert. "Unfälle gibt es", sagt Mitternacht, "aber in
den 22 Jahren, in denen ich hier bin, war nie eine technische Ursache
der Grund." Immer sei Fehlverhalten der Passagiere schuld gewesen.

Vor Betriebsbeginn laufen sich die Bahnen warm. Unzählige Male ist
Mitternacht so in den Genuss von Dienstfahrten mit Looping gekommen.
Doch im Lauf der Zeit sind es zu viele Fahrgeschäfte geworden.
"Zehn Versuchsfahrten hintereinander kann man einem Menschen nicht
mehr zumuten", sagt Mitternacht und lacht. "Einmal bin ich so oft
gefahren, dass ich nachts geträumt habe, ich säße rückwärts in einer
Bahn." Die Testpassagiere von heute zeigt er mit Schmunzeln: Dummys
aus Plastik, mit Wasser gefüllt, simulieren in den Sitzen Größe und
Gewicht von Fahrgästen.

Inzwischen bevölkern die ersten Besucher den Park. Sie springen aus
der Achterbahn, rennen zurück zum Eingang und stellen sich wieder in
die Schlange. Auf Monitoren entgeht den Mitarbeitern im Kontrollraum
nichts. Alle halbe Stunde wechseln sie die Tätigkeit, um konzentriert
zu bleiben. Alles ist durchdacht, auch der Aufbau der Themenbereiche,
die Ländern zugeordnet sind. In jedem Land gibt es ein rasantes
und ein ruhigeres Fahrgeschäft, Gastronomie, Toiletten und ein
pädagogisches Element. Wenn sie schnell von A nach B kommen müssen,
benutzen die Mitarbeiter Elektromobile. Die Wege im Park sind weit.

"Wir fangen mit dem ersten Tageslicht an", sagt Parksprecher Volker
Klaiber. Technische Überprüfungen, Lebensmittel verteilen, alles
reinigen - die Traumwelt der Inhaberfamilie Mack muss zur Öffnung
glitzern und strahlen. Jeden Tag aufs Neue. "Qualität ist unser Credo",
betont Klaiber in bestem Werbedeutsch - und bleibt plötzlich stehen.
Er bückt sich, hebt eine leere Eisverpackung auf und trägt sie zum
nächsten Mülleimer.

Dieses Phänomen lässt sich an diesem Tag oft beobachten.
Die Mitarbeiter achten auf jede Kleinigkeit. Und immer fällt dabei
der Name von Roland Mack. Respekt schwingt mit, wenn die Mitarbeiter
von ihm sprechen. Der Parkchef, eigentlich einer von mehreren
Geschäftsführern aus der Familie, aber nach außen das Gesicht des
Unternehmens, legt Wert auf Perfektion. Die Gäste schätzen das
Ergebnis - und haben den Park jüngst mit Abstand zum beliebtesten
deutschen Freizeitpark gewählt.

Um Besucher muss man sich im Dreiländereck zwischen Schweiz, Frankreich
und Deutschland ohnehin nicht sorgen. Ein Besucherrekord jagt den
nächsten. Die Themenhotels sind zu 90 Prozent ausgebucht.
Sei die Wirtschaftskrise noch so groß. In der Freizeitindustrie
profitiert man sogar von unsicheren Zeiten. "Aus konjunkturell
schwierigen Phasen gehen wir gestärkt hervor", sagt Klaiber, "die Leute
verzichten auf große Reisen und machen Kurzurlaub."

Auch an diesem Samstag, noch früh in der Saison, ist der Park gut gefüllt.
Schnell bilden sich Schlangen vor den Fahrgeschäften. Um 11 Uhr klingelt
Werner Gansers Handy. "Es sind 13.500 Besucher hier", sagt der Direktor
der Park- und Eventgastronomie mit Blick aufs Display, "dann werden's am
Ende um die 20.000 sein." Für ihn ist das entscheidend, muss er doch
den Überblick behalten, welcher Imbiss und welches Restaurant Nachschub
brauchen könnten. "Wir bestellen nach dem Wetterbericht", sagt er. An
Spitzentagen muss sein Team 40.000 Menschen verpflegen.

Das ist nicht immer leicht. "Wir müssen den Massengeschmack treffen",
sagt der gelernte Koch und Betriebswirt. Zudem sollte es in jedem
Länderbereich typische Spezialitäten geben. In der Schweiz kein Problem,
da gibt's Raclette. Mit Portugal tut man sich schwerer. "Das Nationalgericht
ist Eintopf mit getrocknetem Kabeljau", sagt Ganser. "Das kann man hier
nicht anbieten." Dafür gehen andere Produkte: 105.000 Schnitzel, 755.000
Hamburger und 305 Tonnen Pommes werden pro Jahr verspeist. Manches wird in
der parkeigenen Großküche von 30 Mitarbeitern gekocht, anderes nach Rezeptur
des Parks angeliefert.

Das Gastro-Team muss zudem Trends im Auge behalten. Welche Konzepte
kommen anderswo an? Was lässt sich umsetzen? In der neuen Pizzeria
findet sich deshalb eine Kaffeebar, und vor den Toren des Parks entsteht
der Wilde Westen. "Wir wollen besonderes Flair bieten", sagt Ganser und
schaut hinüber zum Silver Lake, der einst schlicht Birkensee hieß. Drum
herum kann man neuerdings in Planwagen und Blockhütten übernachten.
Im Saloon daneben schwingen Cowboys in der Westernshow das Lasso.

Das Kreischen aus den Achterbahnen dringt herüber. Die Besucher scheinen
Spaß zu haben. Weil viele Gäste immer wieder kommen, muss sich der Park
ständig neu erfinden. "Halloween-Aktionen hat man anfangs belächelt",
erinnert sich Unternehmenssprecher Klaiber.

"Heute stellen wir 155.000 Kürbisse auf, der Oktober ist unser
zweitstärkster Monat."Inzwischen hat der Park im Winter mehrere Wochen
lang geöffnet, zur Jubiläumssaison ist eine neue Wasserattraktion
eröffnet worden, über den Sommer zeigen Klippenspringer ihre waghalsigen
Künste. Und am 31.Juli wird mit einer Party bis Mitternacht Geburtstag gefeiert.

Hier kommt Benjamin Krämer ins Spiel. Seine Eventabteilung ist zuständig
für die Feste und Shows. 50 große Ereignisse gibt es pro Saison:
"Wir haben kaum noch ein Wochenende, an dem nichts ist." An diesem Tag
hat er in Holland zu tun. Auf der Bühne tobt der Holzschuhtanz, Butter-
und Lakritzhersteller zeigen ihre Kunst. Es soll immer was los sein im
Park. Das einzig Stetige ist der Wandel. "Es geht uns nicht nur um
Achterbahnen", sagt Krämer, "die Besucher sollen auch Kultur mitbekommen."
Allein um alle festen Shows zu sehen, bräuchte man sechseinhalb Stunden.
"Unsere Künstler zaubern Emotionen in den Park", schwärmt Krämer.
"Sie sorgen für ein Lächeln und ehrliche Fröhlichkeit."

Die Arbeit könnte in den nächsten Jahren deutlich zunehmen.
Stillstand bedeutet Rückschritt in diesem Geschäft. "Wir haben über
die Jahrzehnte 15 Hektar Fläche aus über 60 Kleinparzellen dazugekauft",
sagt Parksprecher Klaiber. Zum Teil ist dieses Gelände bereits mit
neuen Attraktionen und einer Ringstraße bebaut. Ein fünftes Themenhotel
soll folgen. Ob der Europa-Park sich auch auf einem 140 Hektar großen
Gewerbegebiet in Richtung A5 ausbreiten will, ist noch offen.
"Da ist vieles möglich", deutet Klaiber an. Eine Ferienlandschaft
vielleicht? Ein abgekoppelter Wasserpark? Das Unternehmen Freizeit,
so viel steht fest, wird weiter wachsen.

Im Park verstummt derweil die Beschallung an den Fahrgeschäften.
Es ist Abend geworden. Hungrig geblieben ist keiner, Unfälle sind an
diesem Tag zum Glück nicht passiert. Gastronomiedirektor Ganser,
Sicherheitsmann Mitternacht und ihre Kollegen haben ihren Job erledigt.
Mit Perfektion, der Chef kann zufrieden sein. Morgen früh, beim ersten
Licht, beginnt ein neuer Tag voller Arbeit im Dienste des Spaßes.

Stuttgarter NAchrichten, 14. Juni 2010
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