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Titel: "Fahrenheit 9/11 bzw. billige Polemik"     Vorheriger Beitrag | Nächster Beitrag
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jwahl

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Fahrenheit 9/11 bzw. billige Polemik
20-Aug-04, 15:04 Uhr ()
Moin
Vorgestern war ich nun auch endlich in meinem ersten Michael Moore Film und war irgendwie nach dem Kinogang nicht schlauer als vorher. Das Problem bei so einseitigen Dokumentationen ist meiner Ansicht nach, dass man die Gegenseite nie zu Wort kommen lässt und zum Teil Vermutungen und Behauptungen aufstellt, die so einfach nicht sauber sind. Bush im Zeitraum der Anschläge in der Grundschule zu zeigen, ist natürlich Pflicht, dass ihm aber dabei unterstellt wird, dass er jetzt darüber nachdenke ob es "seine saudischen Freunde" gewesen seien, das halte ich einfach für groben Unfug. Und auch auf die Familie Bin Laden ein solches Gewicht zu legen war in meinen Augen einfach unnötig.
Erschreckend sind natürlich die Statements einiger US-Soldaten in Bagdad, die vom Adrenalinkick beim Auslösen der Gewehre berichten und gerne beim Anrgiff auf ihre Kopfhörer Bloodhound Gang mit "The roof is on fire" (let the ##### burn)spielen lassen. Aber wie auch bei den unheimlich witzigen und innovativen Straßenumfragen vermeintlicher "Comedy"-Sendungen gilt wohl auch hier: Idioten findet man immer...

Ein paar ganz interessante Sachen waren dabei, aber für mich war der Film einfach zu einseitig und zu großen Teilen einfach billige Polemik.
Jakob

B (30.08)

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HansaKäptn

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1. RE: Fahrenheit 9/11 bzw. billige Polemik
20-Aug-04, 15:26 Uhr ()
Als Antwort auf Beitrag Nr. 0
 
Volle Zustimmung.
Bei Spiegel Online gab's demletzt einen Faktencheck zum Film, der Erstaunliches aufzeigt. Nichts gegen Moores grundsätzliche Ambitionen, aber die Aktion "Verschwörungen leicht verständlich im Kinosessel erklären" ist bei ihm eindeutig ins Populistische, wenn nicht sogar einfach nur Plumpe abgerutscht.


FAKTENCHECK IN "FAHRENHEIT 9/11"

Moores vereinfachte Welt

Von Matthias Gebauer

Zum Lügen ist Michael Moore zu professionell. Sein Film "Fahrenheit 9/11" mischt lieber irreführende Wahrheiten mit geschickten Auslassungen. SPIEGEL ONLINE prüft die Faktenlage in Moores erfolgreicher Anti-Bush-Polemik.

Filmemacher Michael Moore: Gegendarstellungen aus dem "war room"
Berlin - Bei Michael Moore klingen Belohnungen wie Drohungen: "Ich biete jedem, der einen Fehler in meinem Film findet, eine Summe von 10.000 Dollar", kündigte er bereits vor dem US-Start seines Films "Fahrenheit 9/11" an. Gleichzeitig gab sich der Filmemacher davon überzeugt, dass "nicht ein einziger faktischer Fehler" in dem Film enthalten ist. Um seine These zu stützen, engagierte Moore nach Fertigstellung sogar einen ehemaligen Fakten-Checker des amerikanischen Magazins "The New Yorker" zur finalen Überprüfung.

Moores aggressive Haltung gegenüber Skeptikern ist bekannt. Als ihn Journalisten wegen einiger fragwürdiger Details in seinem Film "Bowling For Columbine" löcherten, griff er zum Telefonhörer und brachte die an den Szenen beteiligten Personen bei. Gleich mehrere Anwälte arbeiten für den Filmemacher und Bestseller-Autor, die im Zweifelsfall empfindlich gegen jede Unterstellung einer Lüge Moores vorgehen. Um auch publizistisch einschreiten zu können, richtete Moore sogar einen so genannten "war room" ein, in dem zwei ehemalige Clinton-Berater alle über Moore veröffentlichten Artikel lesen und wenn nötig sofort mit Gegendarstellungen aufwarten.

Natürlich lügt Michael Moore in "Fahrenheit 9/11" nicht. Gleichwohl spielt er so virtuos mit Fakten, Zahlen und Zusammenhängen, dass man sich schon fast an die Methoden seines erklärten Erz-Feindes, der Regierung George W. Bushs, erinnert fühlt. Auch die Bush-Krieger bedienen sich gerne eines kunstvoll gewobenen Verbindungsgeflechts aus Personen und Fakten, um ein Feindbild zu entwerfen. Dieses Netz konzentriert sich zumeist auf Osama Bin Laden oder Saddam Hussein. Michael Moore spielt dieses Spiel umgekehrt. Am Ende laufen alle Fäden bei dem zum Bösewicht erklärten US-Präsidenten zusammen.

Im folgenden einige Beispiele, wie Moore seine Anti-Bush-Propaganda "Fahrenheit 9/11" als Dokumentation tarnt, Fakten einfach unerwähnt lässt, wenn sie seiner Argumentation in die Quere kommen, oder einfach zuspitzt, was das Zeug hält.

1. Die vermeintliche Flucht der Bin Ladens:


Filmplakat: Propaganda unter dem Deckmantel des Dokumentarfilms
Nur ein Beispiel für Moores Spielerei mit den Fakten ist die behauptete Tatsache, dass ganz kurz nach dem 11. September viele Familienangehörige Osama Bin Ladens klammheimlich per Learjet vom US-Geheimdienst ausgeflogen worden seien. Für Moore ein Beweis, dass die Bush-Regierung engen Kontakt zu Bin Laden und seiner Familie pflegte und durch die ermöglichte Flucht, deren genauen Zeitpunkt Moore wohlwissentlich verschweigt, mögliche Mitwisser entsorgte. Als Kronzeuge dafür tritt ein ehemaliger FBI-Agent auf, der lehrbuchgerecht aufsagt, dass man die Angehörigen von Verdächtigen im Normalfall gern vernimmt. Dies sei im Fall Bin Laden absichtlich versäumt worden.

Ohne den Bericht der unabhängigen Kommission zum 11. September wäre diese These wohl kaum angreifbar. Zu dumm aber, dass sich die Rechercheure der Kommission intensiv mit den ominösen Privatflügen beschäftigt haben, inklusive des so genannten "Bin Laden flight". Mit den Flügen wurden rund 160 Saudis zurück in die Heimat gebracht. Die Kommissionsmitglieder kommen im Fall der Bin Ladens zu dem Ergebnis, dass der spezielle Flug - der genau eine Woche nach dem Ende des Flugverbots am 13. September abhob - nicht zu beanstanden ist. Fast alle (22 von 26) der an Bord befindlichen Mitglieder der Bin-Laden-Familie seien durch das FBI befragt und registriert worden, sogar gründlicher als bei der normalen Ausreise. Zudem fand die Kommission "keine Beweise für eine politische Motivation" der Flüge.

2. Die Saudi/Bin-Laden-Connection:

Die Verbindung des Terroristen Osama Bin Laden zu Saudi-Arabien taucht im Film mehrmals auf. Akribisch wird die These aufgebaut, die saudischen Ölbillionäre kontrollierten die US-Regierung und große Teile der amerikanischen Wirtschaft. So wahr und sicher nicht immer positiv der Einfluss der Saudis durch ihr Geld auch ist, so suggestiv ist die Darstellung Michael Moores. Am Ende gewinnt man als Zuschauer den Eindruck, dass sämtliche Männer mit arabischer Kopfbedeckung, die auf Archivmaterial den führenden US-Politikern die Hände schütteln, mehr oder minder Mitglieder von Osama Bin Ladens al-Qaida sind. Dass der Terror-Papst schon vor vielen Jahren von seiner Familie verstoßen und - entgegen gestreuter Medienberichte - nicht mit einem Milliardenerbe ausgestattet wurde, vergisst Moore nur allzu gern. Beide Fakten hätte er auch im Bericht der 9/11-Kommission nachlesen können.

3. Die Saudi/Bush-Connection:


US-Präsident Bush mit dem saudischen Kronprinz Abdullah: Jeder Kopftuchträger wirkt wie ein al-Qaida-Mann
Auch die von Moore geschilderte Verquickung der Bush-Familie mit Saudi-Arabien wirkt nur auf den ersten Blick spannend. Natürlich ist es gerade für Europäer merkwürdig, dass George Bush Senior als ehemaliger Präsident für die US-Firma Carlyle in Saudi-Arabien - und sogar mit der Bin-Laden-Gruppe Geschäfte macht.

Doch hätte Moore nicht auch erzählen müssen, dass die Bin-Laden-Gruppe einer der größten Bauunternehmer der arabischen Halbinsel ist, an der man als ausländischer Investor kaum vorbei kommt? Hätte er nach seiner Behauptung, die Carlyle-Gruppe verdiene über Rüstungstochterfirmen am Krieg gegen den Terror, nicht auch die Streichung eines Milliarden-Projekts von Carlyle durch die Bush-Regierung ansprechen müssen? Wäre Moore wie ein journalistisch motivierter Dokumentarfilmer an das Thema herangegangen, hätte der Saudi-Stoff sicher viel hergegeben. Dem Polemiker dient er indes nur zum Beweis der These, die Bush-Truppe sei korrupt.

Später im Film sprich Moore ganz bewusst nicht mehr über Saudi-Arabien. Zu widersprüchlich würde es auch werden angesichts der Tatsache, dass die USA erst Afghanistan und später den Irak angriffen. Was hätten die so mächtigen Saudis wohl gesagt, wenn die USA in Afghanistan - wie Moore es darstellt - tatsächlich nur wegen einer gewinnversprechenden Öl-Pipeline aus dem kaspischen Meer einmarschiert wären - und so den Einfluss der Saudis am Ölhahn geschwächt hätten? Hätten die streng gläubigen Scheichs und Hüter der heiligen Stätten wohl zugestimmt, wenn Amerika mit den Taliban eines der strengsten Islamisten-Regimes mit Streubomben aus dem Land verjagt? Und hätten sie später auch den Feldzug gegen Saddam und sein Millionenvolk von gläubigen Muslimen erlaubt?

So interessant der saudische Einfluss ist, so kompliziert ist er auch. Für Michael Moore aber müssen Gut und Böse klar benannt werden.

4. Was hätte Bush in der Schule tun sollen?


Falcom Media Group
Präsident Bush am 11. September in einer Kinderschule: Lose-Lose-Situation
Unschlagbar mitreißend ist Moore in seiner typischen Art der aktiven Reportage: Wenn er Kongressabgeordnete fragt, ob nicht auch ihre Kinder den tödlichen Job auf den Straßen Bagdads antreten wollen und auch gleich Broschüren des Militärs parat hat. Oder wenn er TV-Material von George W. Bush zeigt, der komische Grimassen schneidet, bevor er dem Irak per CNN den Krieg erklärt - und nach einem markigen Statement zum Terror erst mal einen Golfabschlag ("Watch this drive!") macht. In diesen Momenten schafft der Film etwas Einmaliges - er dokumentiert die Wirklichkeit und entlarvt das Polit-Business, und zwar ohne kommentierende Stimme aus dem Off.

Doch auch in diesen starken Momenten von "Fahrenheit 9/11" kann sich Moore seine plumpe Polemik nicht verkneifen. Minutenlang zeigt er George W. Bush, der sichtlich angeschlagen und ins Leere starrend in einer Schule sitzt, nachdem er die Nachricht von der Attacke auf das World Trade Center bekommen hat. Moore überlegt im Off, was Bush wohl gedacht haben möge und schließt messerscharf: Dieser Präsident weiß nie, was er tun soll.

Es ist eine schöne Szene in der einfachen Welt des Michael Moore, in der nur er selber gewinnen kann. Wäre der Präsident aufgesprungen und hätte wie Arnold Schwarzenegger zum Kampf gegen die Angreifer gebrüllt, wäre er für Moore der unüberlegte Cowboy aus Texas gewesen. Hätte er zu weinen begonnen, wäre er als reichlich feiger Amerikaner hingestellt worden. Wäre er einfach aus dem Raum gegangen, hätte er sich gedrückt. Eine klassische Lose-Lose-Situation.

5. Der vermeintlich friedliche Irak:

Besonders emotional, aber auch faktisch völlig daneben, wird der Film, wenn Moore auf den Irak-Krieg zu sprechen kommt. Bilder von spielenden Kindern in den Straßen Bagdads werden gezeigt, die ein friedliches Land darstellen sollen. Nichts hier ist böse, suggeriert Moore - eine Wahrheit, die man trotz der vielen entlarvten Lügen der Bush-Regierung, aber vor allem wegen der vielen Berichte über Folter und Unterdrückung unter Saddam Husseins Herrschaft, so nicht glauben kann. Dann kommen die Bombenattacken auf ein angeblich "souveränes Land", wie Moore sagt. Doch wie souverän war der Irak zu diesem Zeitpunkt, geschwächt von Uno-Sanktionen und der internationalen Isolation? Wie souverän ist ein Land mit einem Diktator wie Saddam Hussein überhaupt?


Terror-Pate Osama Bin Laden: Unpassende Fakten lieber ignorieren
Am Ende des Films bleibt man mit einem flauen Gefühl zurück. Was hat man gelernt? Dass die Bush-Regierung den Irak-Krieg mit fingierten Gründen und aus ganz anderen Interessen anfing, ist bekannt. Dass George W. Bush ein Cowboy mit einer Ranch in Texas ist, ebenfalls. Dass eine solche Regierung eigentlich nie wieder gewählt werden darf, ist vielen durch die Enthüllungen der letzten Monate klar geworden. Michael Moore hingegen beweist nur, dass man die falschen Mittel für eine richtige Sache einsetzen kann.

Denn entlarvt wird die amerikanische Regierung durch seinen Film auf jeden Fall. Menschen, die an Fakten interessiert sind, lesen dafür dicke Untersuchungsberichte von Kommissionen oder lange Leitartikel. Menschen, die lieber gut unterhalten werden wollen, schauen Michael Moore. So hat jeder seine eigene Welt.

Von: http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,310795,00.html

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