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#170, Nürburgring: Warnungen vor Betrüger in den Wind geschlagen
Geschrieben von Alex Korting am 06-Nov-09 um 12:34 Uhr

Nürburgring: Warnungen vor Betrüger in den Wind geschlagen

Von unserem Redakteur Frank Giarra

Mainz
In der Nürburgring-Affäre lautet eine der spannendsten Fragen, wie die Landesregierung auf mutmaßliche Betrüger hereinfallen konnte. Nach TV-Informationen gab es deutliche Warnungen des Landeskriminalamtes vor einem der Finanzberater, der bereits 2005 bei einem Millionen-Projekt in Wolfsburg erfolglos geblieben war.

Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt seit Ende August gegen zwei deutsche Kaufleute und einen Schweizer Finanzvermittler. Dabei dürfte es sich um Michael Merten (51) und Norman Böhm (46) handeln, Geschäftsführer der Pinebeck SA. in Luxemburg, sowie um den Schweizer Urs Barandun (48). Der Vorwurf: Sie hätten vorgetäuscht, für das Projekt "Nürburgring 2009", das 300 Millionen Euro teure neue Freizeit- und Geschäftszentrum in der Eifel, private Investoren vermitteln zu können. In Wahrheit sei es ihnen jedoch nur darauf angekommen, insgesamt rund eine halbe Million Euro an Aufwandsentschädigungen zu bekommen.

Verträge und Spatenstiche - aber kein Geld
Zur Erinnerung: Das Firmengeflecht Pinebeck/IPC mit Sitzen in Luxemburg und Usingen (Taunus) hatte der weitgehend landeseigenen Nürburgring GmbH ein laut dem ehemaligen Finanzminister Ingolf Deubel "attraktives Finanzierungsmodell" vorgestellt. Man wollte die neuen Immobilien an der Rennstrecke für 170 Millionen Euro kaufen und einen "Ertragsanteil" von 30 Millionen Euro zahlen. Es floss indes nie ein Cent, und der angebliche Investor Pierre S. Dupont V. stritt später ab, je Kontakt zum Ring gehabt zu haben. Pinebeck bekam dennoch insgesamt rund 1,2 Millionen Euro Beraterhonorar.

Vermutlich hätte es dem im Juli über die gescheiterte Ring-Privatfinanzierung gestrauchelten Deubel geholfen, wenn er auf gute Ratschläge aus dem Innenministerium gehört und Erkenntnisse des Landeskriminalamtes (LKA) ernst genommen hätte. Denn einer in dem unter Betrugsverdacht stehenden Trio, Michael Merten, war nach TV-Recherchen bereits 2005 bei einem Millionenprojekt in Wolfsburg aufgefallen. Dort versprach Merten als Geschäftsführer der Firma Ziller ASS Projekt Sarl, einer Luxemburger Gesellschaft, ebenfalls Millionen durch Investoren. In der VW-Stadt sollte für 126 Millionen Euro eine Erlebniswelt mit einer Multifunktionsarena für den heimischen Eishockey-Bundesligisten, einer Ferienwohnanlage mit 1000 Betten und einer Ski-Halle entstehen. Merten trat als Repräsentant der israelischen Investmentgesellschaft GMUL auf.

Es wurden Verträge unterzeichnet, Spatenstiche erfolgten - aber Anfang November 2005 platzte das Geschäft. Das Projekt wurde gänzlich aufgegeben. "Der Investor hat bei seinen Rendite-Erwartungen kein ausgewogenes Verhältnis zwischen Fremd- und Eigenkapital gefunden", erinnert sich Manfred Günterberg, Vertreter der Wolfsburg AG (50 Prozent VW, 50 Prozent Stadt Wolfsburg), die das Freizeitzentrum errichten wollte. Michael Merten habe noch erfolglos versucht, andere Investoren zu finden. Dann habe die Wolfsburg AG den Vertrag mit ihm gekündigt. Merten habe Beraterhonorar erhalten. "Ich kann nichts Negatives über ihn sagen, alles ist sauber gelaufen", resümiert Günterberg. Eine Stellungnahme von ihm habe auch der Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz erhalten, sagt er.

Fakt ist: Weder am Nürburgring noch in Wolfsburg kam je Geld von Investoren an.

Ratschläge für Minister Deubel


Und dass Merten bereits im Jahr 2005 mit Versprechungen aufgetreten und letztlich erfolglos war, war den Ring-Verantwortlichen und der Landesregierung bekannt. Zudem wurde in Presseberichten über mögliche Geldwäscheversuche spekuliert, was Merten jedoch strikt zurückwies. Laut Deubels Nachfolger Carsten Kühl wurde Ende 2008 auf Deubels Bitte hin das LKA veranlasst, die Berater und deren Finanzierungsmodell zu überprüfen. Es habe "personenbezogene Maßnahmen" gegeben. Dabei werden alle öffentlich zugänglichen Quellen wie das Internet durchforstet. Das LKA stieß zwar angeblich auf nichts strafrechtlich Relevantes, aber sehr wohl auf die Wolfsburger Vorfälle.

Ein Insider berichtet dem TV, aus dem Innenministerium habe es "deutliche Warnungen und Ratschläge" an den damaligen Finanzminister gegeben, die Finger von den Finanzberatern Merten, Böhm und Barandun zu lassen. Ingolf Deubel habe jedoch den Fachmann her-ausgekehrt und sich "beratungsresistent" gezeigt. Obwohl im Herbst 2008 bereits ein erster Versuch des Immobilienverkaufs gescheitert war, unternahm Deubel noch einen zweiten. Auf das Geld wartet er im erzwungenen vorzeitigen Ruhestand wohl immer noch. Offen bleibt, warum Ministerpräsident Kurt Beck nicht früher die Reißleine zog. Auch er muss über die LKA-Recherchen informiert gewesen sein.

Extra

Gastronomen-Protest: Alteingesessene Hoteliers und Gastronomen am Ring laufen Sturm gegen staatlich subventionierte Konkurrenz. In einem Schreiben an Wirtschaftsminister Hering werfen sie der Lindner-Gruppe und dem Nürburgring unlauteren Wettbewerb, Dumpingpreise unter Selbstkosten und ruinöse Kopplungsgeschäfte mit der Nordschleifen-Nutzung vor. Der Minister müsse kartellrechtlich einschreiten, fordern sie. Die CDU will das Thema in den Wirtschaftsausschuss bringen. Die Grünen erklärten gestern: "Die am Nürburgring versenkten Steuermillionen dürfen nicht dazu führen, dass Arbeitsplätze in der Gastronomie und Hotellerie vernichtet werden." (ren)

Quelle: http://www.volksfreund.de/nachrichten/themendestages/themenderzeit/Weitere-Themen-des-Tages-Mainz;art742,2253292