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Beitrag Nr.: 23
#23, RE: Lego verkauft seine Freizeitparks
Geschrieben von Michelfeit am 04-Nov-04 um 21:58 Uhr

Aus der Schwäbischen Zeitung vom 04.11.2004:

"Lego-Krise - Die Ulmer Region bangt um ihr Kinderland

Günzburg - Als Touristenattraktion kann es Bayerns Legoland fast mit den berühmten Königsschlössern aufnehmen. Dennoch muss sich der dänische Spielzeug-Gigant vom Freizeitpark an der Donau trennen. In der Region herrscht Angst um die Arbeitsplätze.

Von unserem Redakteur Michael Lehner

Die Szene war unfreiwillig typisch für die akute Situation: Letztes Wochenende, wenn im deutschen Süden Friedhofsbesuche zu Allerheiligen anstehen, lud Legoland zur Halloween-Party. Kinder im Grusel-Kostüm nach Ami-Vorbild hatten freien Eintritt; und mit Einbruch der Dämmerung wurde es schön schaurig im Spielzeug-Wunderland.

So ganz ist es Süddeutschlands größtem Kinder-Freizeitpark in den zwei Jahren seit Eröffnung nicht gelungen, Teil seiner Umgebung zu werden. Er ist virtuelle Welt geblieben - eine Attraktion, die Menschen mit Kindern gesehen haben müssen, aber notfalls reicht ein Mal. Schon zur Einweihungsfeier gab es Klagen über horrende Eintrittspreise: 24 Euro für Erwachsene und Kinder ab elf Jahren; 19 Euro für Senioren und kleine Kinder. Der Fairness halber sei erwähnt, dass fast alle Fahrgeschäfte inklusive sind. Und Eltern sparen auch dadurch ein kleines Vermögen, dass der Nachwuchs nach Herzenslust mit sündteurem Lego-Hightech basteln darf. Schon das ist jährlich einem Millionenpublikum weite Reisen wert.

Zurück zu den Wurzeln

Wer nur an Bauklötzchen denkt, hat schon lange nicht mehr Lego gespielt. Computer-Steuerung gehört zum Standard der Baukästen. Auch erwachsene Technik-Freaks gehören zum Kundenstamm. Und das erklärt wohl auch zu einem guten Teil, warum es dem dänischen Familienkonzern in schlechten Zeiten nicht besonders gut geht.

Lego kämpft ums Überleben in einer Welt, in der es auch für Kinderträume enger geworden ist. Weltweite Umsatzeinbußen von gut 25 Prozent und ein Jahresverlust von mindestens 200 Millionen Euro sind angesagt. Gründer-Spross Kjeld Kirk Kristianen hat im Management Sanierern Platz gemacht. Die wollen zurück zu den Wurzeln aus einfachen, bunten Plastik-Bausteinen - und weg vom teuren Technik-Thema. Naheliegend, dass die sündhaft teuren Freizeitparks als Notgroschen herhalten sollen, obwohl sie eigentlich als profitabel gelten. Günzburg bringt es auf 1,3 Millionen Besucher jährlich, etwa gleichauf mit dem Königsschloss von Neuschwanstein, das auch im Park zu bestaunen ist.

Nach einem weltweiten Standort-Wettbewerb schien die schwäbische Kleinstadt Günzburg unter Unterstützung durch die bayerische Staatsregierung das großen Los gezogen zu haben: Im Kreuzungsgebiet wichtiger Verkehrsadern entsteht mit der Spielzeug-Stadt ein ansehnlicher Einkaufspark. Die Gastronomie und Hotellerie der gesamten Region erlebten märchenhaften Aufschwung. 110 Arbeitsplätze bietet Legoland das ganze Jahr, mindestens 700 kommen während der Saison dazu, die erst im November endet. Auf mindestens 1500 weitere Jobs schätzen Kenner den indirekten Arbeitsmarkt-Effekt: Legoland kooperiert mit Hotels in der weiteren Umgebung und ist deutlich am Passagier-Aufkommen der Flughäfen in Augsburg und Stuttgart beteiligt. Gerüchte, dass der Besucherandrang im Sommer spürbar nachgelassen habe, werden nicht bestätigt. Dafür bekräftigt der Konzern, dass es zahlreiche Interessenten für die Freizeitparks gebe, die Lego neben Günzburg in Billund (Dänemark), Windsor (England) und Carlsbad (USA) unterhält. Sie werden - wohl als erster Schritt - in ein unabhängiges Unternehmen ausgelagert.

Die Angst um die Zukunft wird dadurch in der Region nicht kleiner. Und an deutschen Eltern liegt es ohnehin nicht, wenn Lego Probleme hat: Die Geschäfte hier gedeihen auch im Krisenjahr 2004. Zehn Prozent Umsatzplus vermeldet die Münchner Deutschland-Zentrale, während weltweit mit einem Minus von 25 bis 30 Prozent gerechnet wird. Jeder fünfte Lego-Stein wird in Deutschland verkauft - und gilt zudem noch als pädagogisch wertvoll, fast wie Holzspielzeug aus dem Öko-Laden."


"Auf einen Blick: Ein Weltkonzern in der Krise

Der dänische Lego-Konzern ist auch nach den jüngsten Einbrüchen mit einem Jahresumsatz von über einer Milliarde Euro der weltweit viertgrößte Spielzeughersteller. Das Unternehmen beschäftigt in Dänemark, in der Schweiz, den USA und Tschechien über 8000 Mitarbeiter. Die Eigentümerfamilie, die ihren Reichtum der genialen Idee eines Schreinermeisters verdankt, der 1932 die Klötzchen mit den Noppen erfand, hat eben erst über 100 Millionen Euro zur Sanierung des Unternehmens nachgeschossen. Gründer-Enkel Kjeld Kirk Kristiansen (56) hat den Chefsessel für einen Sanierer geräumt. Zu dessen ersten Amtshandlungen gehören Produktionsverlagerungen nach China und die Ausgliederung der Freizeitparks. Ob die Immobilien verkauft oder über eine Tochterfirma betrieben werden, ist offen. Die Interessenten stehen aber bereits Schlange, heißt es bei Lego und im Günzburger Rathaus."


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Stefan A. Michelfeit - www.ridesonline.de