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Foren-Name: Modellbau
Beitrag Nr.: 639
Beitrag Nr.: 28
#28, RE: Neues von der Märklin-Pleite
Geschrieben von larsi am 18-Feb-09 um 15:51 Uhr

Letzte Bearbeitung am 18-Feb-09 um 15:53 Uhr ()
Märklin-Fans versuchen das Unternehmen zu retten


dpa Märklin ist insolvent.Die Modelleisenbahnen mit Spurweite H0 sind Legende. Hersteller Märklin ist in der Insolvenz und die Modellbahnfans versuchen alles, um das Unternehmen vor dem Aus zu retten. Die Verkaufszahlen steigen und einige Fans senden Geldspenden an die schwäbische Firma, andere bieten Kredite an.

Der Modellbahnfreund richtete seinen Brief direkt an die Geschäftsleitung. Er wolle der Firma Märklin eine Spende zukommen lassen, schrieb der Mann, „150 Euro, für jedes Jahr des Firmenbestehens einen“. Andere Kunden boten dem schwäbischen Modellbahnbauer, der vergangene Woche Insolvenz anmeldete, zinslose Kredite an. Die nächsten kauften aus lauter Verbundenheit „paketeweise neue Schienen und Signalanlagen“: Roland Gaugele, der 57-jährige Sprecher des schwäbischen Traditionsbetriebes, versucht, nicht allzu gerührt zu klingen.

Es hört sich an, als müsse der Untergang einer heilen Welt verhindert werden, einer Welt im Modell 1:87, Spurweite H0. Besorgte Modellbahnfreunde bombardierten mit ihren Anfragen die Internetseite des Konzerns, bis diese abstürzte – sie wollten nur Nachschub bestellen. „Bei uns geht das Geschäft dieser Tage so gut wie sonst nur an Weihnachten“, sagt Gaugele.

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Der Sprecher steht mit dem Handy neben den immergrünen Bergen einer Modellbahnanlage in der Göppinger Märklin-Erlebniswelt und gibt Interviews. Verschiedene Fernsehsender waren gerade da, selbst die größte japanische Zeitung hat einen Reporter geschickt. Allen hat Gaugele versichert: Die Produktion gehe weiter, die angekündigten Modelle würden ausgeliefert. Auch die Löhne seien durch das Insolvenzverfahren für die nächsten drei Monate gesichert. Die 650 Mitarbeiter im Göppinger Werk seien besorgt, „aber sehr motiviert, dazu beizutragen, dass es mit Märklin weitergeht“. Roland Gaugele, 57 Jahre alt, arbeitet seit 30 Jahren in dem Unternehmen.

Bisher bestand seine Aufgabe vor allem darin, präzise Auskünfte über Modelle, Baujahre und Spurweiten zu geben. Für die Nürnberger Spielwarenmesse hatten er und seine Kollegen sich mit drei neuen „Krokodilen“ gewappnet: Elegante Loks nach historischem Vorbild in der limitierten Auflage von nur 1859 Stück. Sie sollten am „Neuheitentag“ vorgestellt werden. 1859 ist das Gründungsjahr der Modellbahnfirma. 2009 könnte ihr letztes sein. Dies war die Neuheit, die sich auf der Messe als Erstes herumsprach.

1499 Euro kosten die drei „Krokodile“ – ein stolzer Preis. Doch das Unglück der schwäbischen Spielzeugeisenbahn sind nicht allein hohe Verkaufspreise. Das spießige Image ist sprichwörtlich, die Kundschaft wurde immer älter. Und dann die Krise. Seine Firma habe selbst die Weltwirtschaftskrise 1929 unbeschadet überstanden, erwidert Gaugele: „Sammler mit Geld wird es immer geben“, sagt er, der selbst Sammler ist.

2006 stand der Konzern vor der Pleite, der britische Investor Kingsbridge stieg ein. Doch die Verluste blieben. Der Insolvenzverwalter Michael Pluta aus Ulm setzte nun als Erstes die Berater vor die Tür. Inzwischen hätten sich Dutzende Kaufinteressenten gemeldet, sagte er der „Financial Times Deutschland“. Ab April wolle man versuchen, Märklin zu verkaufen. Es dürfte die allerletzte Chance sein.

Märklin-Sprecher Gaugele bleibt vorerst nur, über die Bahnen zu sprechen, in denen seine Welt bisher verlief. Gründer Wilhelm Theodor Friedrich Märklin stellte ursprünglich Blechspielzeug her, Puppenküchen für höhere Töchter waren der erste Erfolg. Göppingen, gelegen am Rande der Schwäbischen Alb, kam im 19.?Jahrhundert durch die Metallverarbeitung zu Wohlstand. Knapp 60?000 Einwohner leben heute hier, winzige Arbeiterhäuschen, Unternehmervillen und alte Fabrikhallen erzählen vom einstigen Aufbruch. Viele Firmen sind längst verschwunden. Nun ist Märklin das wichtigste Gesprächsthema. Göppingens Bürgermeister kündigte gerade trotzig eine „Solidaritätsausstellung“ im Rathaus an: „Wir wollen zeigen, dass Göppingen zu Märklin steht.“

Links hinten in der Märklin-Erlebniswelt in Göppingen, einer Mischung aus Ausstellung und Verkauf, stehen in einer Glasvitrine die großen, historischen Lokomotiven aus der Anfangszeit von Märklin. Ein bisschen behäbig und rund sehen sie aus, wie dicke Tanten. Nur eine macht einen höchst mitgenommenen Eindruck: total zerknautscht, nur noch ein Haufen buntes Blech. „Sie fiel 1938 während des Weihnachtsgeschäfts aus einem Postzug und wurde vom Gegenzug überrollt“, kommentiert Roland Gaugele.

Nach dem Unfall sei die Lok ins Märklin-Archiv aufgenommen worden. Irgendjemand muss geahnt haben, dass selbst eine heile Welt wie die der Modellbahnen nicht ohne Katastrophen auskommt. Die zerknautschte Lok, sagt Gaugele, sei das meistfotografierte Motiv der Erlebniswelt. „Und zwar schon lange, bevor von der Insolvenz je die Rede war.“