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#0, Pünktlich zum Reformationstag: LUTHER
Geschrieben von Zoellner am 27-Okt-03 um 21:25 Uhr
Hallo zusammen,

ich bin heute in den Genuss der Preview von "Luther" gekommen, und da lasse ich es mir doch nicht nehmen, meine Meinung dazu loszulassen:

Zunächst einmal: Die befürchtete Hollywood-Schnulze ist uns zum Glück erspart geblieben. Doch die von uns Theologen erhoffte raffiniert gemachte Historien-Doku ist es dann leider auch nicht geworden. Das Ergebnis liegt irgendwo dazwischen, und wie ich finde, kann es sich durchaus sehen lassen.

Dargestellt wird nicht Luthers ganzes Leben 1483-1546, sondern "nur" die Zeit von seinem Eintritt ins Kloster 1505 bis zum Augsburger Bekenntnis von 1530. Die erste Hälfte stellt sehr eindrücklich die Situation der Kirche dar, die Luther zu seiner Zeit vorgefunden hat. Nachvollziehbar wird dargestellt, wie Luther an der mittelalterlichen Theologie und der kirchlichen Machtpolitik mit der Angst vor Hölle und Teufel Anstoß genommen hat. Das passt nicht zu seinem Bild von einem barmherzigen Gott, der seinen Sohn zu Erlösung von Sünde geschickt hat. Leider wird die große "reformatorische Entdeckung" von der Vergebung allein durch den Glauben nicht dargestellt, die ihm Mut und Ansporn gegeben haben, dem Druck der Kurie in Rom standzuhalten. Trotzdem kommen die anderen beiden von den drei Grundgedanken der Reformation deutlich heraus: Erlösung gibt es nur bei Christus (und nicht im Ablasshandel) und Maßstab aller Dinge ist nur die Heilige Schrift (und nicht das, was die Kirche sagt).

Die zweite Hälfte des Filmes steht m.E. etwas unter dem Bemühen, nun auch ausreichend Action nachzuliefern und dann wird's auch historisch etwas schwammig: Die Bauernaufstände werden mit der Refomationsbewegung in Wittenberg vermischt und heraus kommt ein großes Gemetzel mit vielen Toten. Als Schuld für diese Unruhen wird das Missverstehen Luthers dargestellt, der ja eigentlich nur den Frieden wollte. In diesem Kontext tauchen dann auch ein paar kitschige Szenen auf, die den Film etwas in die Länge ziehen.
Umso abrupter wirkt das Ende, welches das Augsburger Bekenntnis als großen Sieg der Reformation darstellt und im Abspann noch schnell ein paar Daten nachliefert. Eindeutig eine Schwäche des ansonsten sehr gelungenen Films.

Alles in allem präsentiert sich uns ein sehr heroischer Luther, der nicht nur mit den Widerständen seiner Gegner, sondern auch mit dem Trubel seiner zahlreichen "Fans" zu kämpfen hat. Ich befürchte, der Film ist für Kirchenferne, die nicht viel mit Luther, dem Ablass und den theologischen Gedanken über Sünde anfangen können, recht schwierig nachzuvollziehen. Für den Konfirmandenunterricht ist er nicht nur zu anspruchsvoll, sondern auch untypisch für das "Sehverhalten" dieser Altersstufe: Schnelle Schnitte und wilde Kamerafahrten à la Viva und MTV sucht man hier vergeblich. Stattdessen findet man lange Szenen und gehaltvolle Dialoge. Es ist für mich als "Insider" schwer vorzustellen, wieviel Inhalt bei Nicht-Insidern wirklich ankommt und auch hängenbleibt. Aber vielleicht werde ich das ja hier an dieser Stelle noch erfahren...

Mein Fazit zum Film: Sollte man gesehen haben!

Gruß, MARC
Wir sind ja schließlich nicht zum Vergnügen hier! ...