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Foren-Name: Phantasialand
Beitrag Nr.: 1629
Beitrag Nr.: 4
#4, RE: Bericht über Park aus einem GEOHEFT (Jahre 198
Geschrieben von vestermike am 05-Apr-02 um 14:32 Uhr

Der Artikel war in den meisten Punkten schon damals nicht zutreffend, und ist es heute erst recht nicht mehr.

Wenn man natürlich die hoffnungslos überladenen Traumwelten von Disney als das Maß aller Dinge nimmt, schneiden die meisten europäischen Parks im Vergleich schlecht ab - die Frage ist ja nur, ob Disney wirklich der Maßstab ist (oder sein sollte).

Für mich persönlich gilt: DLP schafft es bei mir in Europa noch nicht einmal in die TOP5 (und ich kenne nur die deutschen Parks und die aus Benelux).

Der Grund dafür ist ganz einfach: Ich bin Europäer und kann mit den amerikanischen Traumwelten nichts anfangen. Ich fühle mich bei Disney nicht wie ein Parkbesucher, sondern einfach nur wie ein menschlicher Fremdkörper in einer komplett künstlichen Welt, die dermaßen perfekt ist, daß sie mich schon nach einer Stunde nahezu erdrückt. Disney beeindruckt - gar keine Frage. Aber das schafft ein gläserner Designerstuhl auch - nur sitzen mag ich einfach nicht auf ihm, da er mir zu unbequem ist.

Sicherlich hat Disney europäische Exportschlager wie Jules Verne oder die Gebrüder Grimm hervorragend visualisiert, aber die Inhalte sind dabei hollywood-like im Nirvana zwischen Micky Maus und Zuckerguß verschwunden. Was übrig geblieben ist, ist Eye Candy. Das ist halt der American Way of Entertainment, der auch (oder gerade) seit längerem in der amerikanischen Filmindustrie zu beobachten ist: Wer braucht bei einem Film schon eine halbwegs vernünftige Handlung - Hauptsache, es gibt tolle Effekte).

Die Komplexität bei Disney besteht aus nichts anderem als der Vereinnahmung von europäischem Kulturgut und der anschließenden Weichspülung durch die große Disney-Waschmaschine. Ich nenne das mal den Borg-Effekt (Star-Trek-Kenner wissen, was ich meine): Alles wird assimiliert! Widerstand ist zwecklos! Sogar der gemeine Besucher wird assimiliert. Es ist nicht erwünscht, bei Disney Mensch zu sein. Es wird erwartet, daß man selbst zu einem Cartoon mutiert während eines Parkbesuchs. Und damit diese Mutation möglichst reibungslos verläuft, wird man noch den ganzen Tag mit bekannten Disney-Musikstücken zugedröhnt, bis das Mittelohr platzt. Clockwerk Orange läßt grüßen...

Hat das PL sich an Disney orientiert? Mit Sicherheit ja! Aber dort gibt es die Disney-typische Sterilität eben nicht. Das PL wirkt auch heute noch wie ein großer Märchenwald für kleine Kinder (und Erwachsene, die jung geblieben sind). Man kann das sicherlich kleine, miefige Hutzelwelt nennen - ich nenne es einfach europäischen Charme. Auch die Main Street mit Anlehnung an das alte Berlin der Jahrhundertwende finde ich in der Zeit der US-Main-Streets mit US-Flaggen und US-Stores und US-Gehirnwäsche äußerst positiv.

Was die Klischees angeht: Davon lebt ein Park doch schließlich. Es gilt, den größten gemeinamen Nenner beim Publikum zu finden, und die Attraktionen dementsprechend zu gestalten. Das macht Disney doch nicht anders. Der Mexikaner mit dem Sombrero ist doch keinen Deut klischeehafter als der Pirat mit der Rumflasche.

Was die Shows angeht: Es gibt in deutschen Freizeitparks durchaus Shows, die absolut sehenswert sind. Wenn ich die Mulan-Show im DLP mal vergleiche mit der Wintergartenshow im PL, sollten die zuständigen Leute in Paris mal nach Brühl pilgern, weil sie da noch einiges lernen könnten.

Modern sind die deutschen Parks wirklich nicht. Das unterschreibe ich sofort. Aber genau DAS ist es, was ich an den deutschen Parks so mag (und da kann man Efteling und BJL problemlos dazunehmen). Die globale Amerikanisierung der Gehirnmasse durch Film und Musik muß ich nicht auch noch in Freizeitparks ertragen müssen...

Mike